Sledgehockey: Kalter Sport: Russland schlägt die USA
Russland schlägt zum Abschluss der Gruppenphase bei den Paralympics die USA im Sledgehockey - in einem überhart geführten Spiel mit politischen Nebengeräuschen.
Dann wurde es tatsächlich: eine Schlacht. Russland und die USA haben sich zum Abschluss der Gruppenphase bei den Paralympics im Sledgehockey in einem überhart geführten Spiel mehr bekriegt als duelliert. Der 2:1-Sieg der Sbornaja brachte den Russen den Gruppensieg – und spürbar mehr als das. Nachdem der alte und irgendwie auch neue Erzfeind besiegt und dessen gut 50 anwesende Fans in ihre Sitzschalen gesunken waren, brüllten die Gastgeber noch lange ihren Nationalstolz mit „Rossija, Rossija“-Rufen hinaus.
Das Verhältnis Russlands zum Westen ist wegen der Krim-Krise enorm abgekühlt, von einem neuen Kalten Krieg ist auf beiden Seiten die Rede. Von den Amerikanern fühlen sich viele Russen drangsaliert – und darüber hinaus auch sportlich gedemütigt. „Wir können alles vergurken, wenn wir nur im Eishockey siegen“, war einer der geläufigsten Sätze russischer Fans vor den Winterspielen. Es kam anders: Russland gewann die Medaillenwertung, scheiterte in seiner Nationalsportart jedoch bereits im Viertelfinale. Angefangen hatte das Desaster mit einer Pleite im Prestigeduell gegen die USA, vor den Augen von Wladimir Putin.
Der empfing nur eine Stunde vor der Eröffnungsfeier der Paralympics die Sledgehockey-Spieler. „Wir wollen unsere olympische Hockey-Mannschaft rächen“, sollen sie laut russischen Medien dem Präsidenten gesagt haben. Der war diesmal nicht da – und verpasste, wie ein überragender Goalie Wladimir Kamantchew seiner Mannschaft den Sieg festhielt. Ganze zehn Mal schossen die Amerikaner auf sein Tor, bevor sich die Russen zum ersten Mal befreien konnten. Erst teilten sie aus, dann spielten sie. Ilja Volkow schoss und Konstantin Schikow würgte in Überzahl die Scheibe erfolgreich ins Netz – die USA schafften im letzten Drittel nur noch den Anschluss.
Es war im fünften Spiel der beiden Mannschaften der erste russische Sieg – die Amerikaner mussten als amtierender Olympiasieger und haushoher Favorit ihr paralympisches Gegenstück zum „Wunder von Lake Placid“ hinnehmen, als sie 1980 sensationell die sowjetischen Eishockey-Weltstars besiegen konnten.
Das paralympische Team USA anno 2014 kämpfte in Sotschi vor diesem Spiel eher mit den Tücken des Alltags als mit den ohnehin überforderten Gegnern. In der Heimat sorgten nicht die beiden hohen Siege in den ersten zwei Spielen für Aufsehen, sondern Goalie Steve Cash mit einer Aktion abseits der Eisfläche. Wegen eines defekten Türknaufs war Cash für kurze Zeit auf seiner Hoteltoilette eingesperrt. Er twitterte über den Vorfall und wurde befreit. Die Szene passte ins Bild – vor allem über Twitter waren wirklich und vorgeblich unfertige Zimmer und Sportanlagen in Sotschi über Wochen ein großes Thema in den USA.
„Heute zeigen wir‘s denen“, brüllten einige von russischen Flaggen umhüllte Jugendliche vor dem Stadion gegen den heftigen Wind an. „Wir schießen sie aus unserem Stadion und aus unserem Land!“ Vielen anderen Fans war diese kriegerische Rhetorik jedoch sichtlich unangenehm. Gefreut über den Sieg haben sie sich natürlich trotzdem – Flaggen wurden frenetisch geschwungen, aggressive Worte fielen in der Arena dagegen nicht.
Die russische Sledgehockey-Auswahl war im ersten Spiel noch an dem massiven Druck gescheitert, eine am Boden liegende Eishockeynation wieder aufzurichten. Sie verloren gegen Südkorea. „Heute hatten wir eine unendliche, unglaubliche Willenskraft“, sagte Torschütze Wolkow nach dem Spiel. Noch ist russisches Gold auf dem Eis von Sotschi möglich.
Nik Afanasjew