Frankreich klaut das Island-HUH: Jubel lieber ungewöhnlich
Frankreich wirft Island nicht nur aus dem Turnier, sondern klaut auch noch dessen Jubelidee. Unser Autor findet, dass sich die Franzosen einen eigenen Jubel ausdenken sollten.
In einem sehr bekannten Fußball-Videospiel gab es früher ein ganz großartiges Extra. Wenn man sich als Spieler selbst erstellte, konnte man seinem Avatar neben all den äußerlichen Features wie Haarfarbe, Größe und Gesichtsform auch einen passenden Torjubel aussuchen. Vom schlichten Abklatschen über die Baby-Wiege bis hin zum eher unbescheidenen Jubelsalto samt anschließendem Spielen einer imaginären Violine vor der Fankurve, das der Autor dieser Zeilen für sein ohnehin leicht übergetunetes Videospiel-Ich einst als passend erachtete: Für jeden Spielertypen gab es den richtigen Jubel.
Manche dieser Jubel verboten sich dabei von selbst. Die Kuntz-Säge etwa wäre mir nie auszuwählen in den Sinn gekommen, schließlich war sie ganz alleine Stefan Kuntz vorbehalten. Mit dem Roger-Milla-Eckfahnentanz verhielt es sich ähnlich, ebenso mit dem eingedrehten Müller-Hopser, mit dem der Bomber der Nation einst seine zahllosen Tore zu feiern gedachte. Glücklicherweise gab es nur einige wenige dieser besetzten Torjubel, was eine Sache unterstreicht: Einen Jubel zu kreieren und ihn zu einer Trademark zu machen, das schaffen nur ganz wenige. Ein Kunststück, das den Isländern bei diesem Turnier gelang. Mit dem martialisch anmutenden HUH!-Jubel vor der Kurve werden sie ganz sicher Teil eines jeden EM-Rückblicks sein. Ebenso wie die Franzosen, natürlich, die heute im Finale gegen Portugal spielen.
„Herrgott, Frankreich, ihr habt uns schon geschlagen"
Ihren Einzug in selbiges feierten die Franzosen dummerweise mit dem Island-HUH! vor der Kurve, was die Fragen aufwirft, a) warum? und b) gibt es keine eigene Jubelidee im Lager der Franzosen? Recht schnell empörte sich die Netzgemeinde auf den Jubelklau, der Twitteraccount „Icelandic Football“ schrieb: „Herrgott, Frankreich, ihr habt uns schon geschlagen, sucht euch wenigstens eine eigene Art, eure Siege zu feiern“. Ein berechtigter Einwand, könnte der geneigte Jubelexperte zustimmen und ebenfalls seine Stimme erheben. So appellierte Christoph Biermann aus der 11Freunde-Chefredaktion mit dem Hashtag #givehuhbacktoiceland an die Einsicht der Franzosen, den Isländern doch wenigstens ihr HUH! zu lassen.
Eine Staatsaffäre steht den Franzosen ob des Diebstahls jetzt allerdings nicht ins Haus. Der Account „Icelandic Football“ ist kein offizieller, sondern wird von zwei isländischen Sportjournalisten betrieben. Die mittlerweile auch zurückruderten, man habe ihnen erklärt, das sei eine französische Variante, mit kürzeren Pausen und ohne Trommeln. Aha. Oder besser: AHA!
Von den Franzosen ist bislang recht wenig zu hören, was den Jubel angeht, aber sie täten gut daran, sich für das Endspiel einen neuen zu suchen, vielleicht sogar einen, der Fußballfans auf der ganzen Welt für immer im Gedächtnis bleibt. Ich wäre auch durchaus bereit, meinen Salto-Violinen-Jubel abzutreten.
Stephan Reich