Nationalelf mit Rückkehrer Mario Gomez: Joachim Löw entdeckt den Mittelstürmer wieder
Mario Gomez war schon fast in Vergessenheit geraten. Nun hat die Nationalelf ihren Mittelstürmer wieder. Die schlechte Chancenauswertung der Kollegen den Bundestrainer umdenken lassen.
Anfang September hat sich Mehmet Scholl auf seine Weise in die deutsche Stürmer-Diskussion eingeschaltet. Der Experten-Darling in Sachen Fußball entschuldigte sich bei Mario Gomez. Bei der EM 2012 hatte Scholl den damaligen Nationalstürmer des FC Bayern mit den Worten kritisiert, Gomez würde sich so wenig bewegen, dass er fürchtete, er werde sich „wundliegen“. Zwar gewann die deutsche Nationalmannschaft nach Scholls Entschuldigung die wichtigen EM-Qualifikationsspiele gegen Polen und in Schottland. Doch schon eine Niederlage in Irland und ein mühevolles 2:1 über den Fußballzwerg Georgien später entflammte die Gomez-Diskussion erneut.
Da ist sie wieder, die Sehnsucht nach dem guten alten Mittelstürmer. Im Spiel gegen Georgien wies die Statistik 29 Torschüsse aus, allein Marco Reus hatte ein halbes Dutzend bester Gelegenheiten versiebt. Es müsse wieder ein klassischer Stürmer her. Aber die gibt es kaum noch. Also wieder Mario Gomez, das Ideal eines Mittelstürmers herkömmlicher Prägung: groß und wuchtig. Es hätte nicht viel gefehlt und Mario Gomez, inzwischen 30 Jahre alt, wäre komplett in Vergessenheit geraten. 25 Tore hatte er erzielt in 60 Länderspielen. Das letzte aber liegt schon eine halbe Ewigkeit zurück. Es war bei der EM 2012, als der 1,90 Meter große und knapp 90 Kilogramm schwere Stürmer in der Vorrunde gegen Portugal (1:0) und zweimal gegen Holland (2:1) traf.
Mit seinem Wechsel 2013 vom FC Bayern zum AC Florenz begann eine persönliche Leidenszeit. „Nach den letzten beiden Jahren, die nicht so toll waren, freue ich mich, wieder sportliche Schlagzeilen zu machen“, sagt Gomez nun in München. Von dort aus reist die Mannschaft nach Paris, wo es am Freitag im Finalstadion der kommenden EM gegen den Gastgeber geht. „Es wird ein schönes Spiel werden“, sagt Gomez, Frankreich habe als EM-Gastgeber große Ambitionen.
Viele Verletzungen warfen Gomez zurück, aber auch die moderne Null-Stürmer-Diskussion. In diesem Sommer wechselte er zu Besiktas Istanbul, in die vielleicht nicht stärkste Liga des Kontinents, wie er erzählt, aber „hier spiele ich alle drei Tage und bekomme so meine Power, die ich für mein Spiel brauche“.
In elf Meisterschaftsspielen hat Gomez acht Mal getroffen, nur Samuel Eto’o ist in der türkischen Liga zurzeit erfolgreicher. „Ich bin wieder auf dem richtigen Weg“, sagt Gomez. Es ist ein Weg mit Umwegen, einer, der ihn an den Bosporus geführt hat. Dort hat ihn unlängst Joachim Löw besucht und beobachtet. „Er hat sich die Chance verdient, seine Qualitäten auch bei uns unter Beweis zu stellen und zu zeigen, dass er eine Option in unserer Offensive ist“, sagt Löw. Und so sieht es sehr danach aus, dass Gomez sein Comeback in der Nationalmannschaft geben wird – 14 Monate nach seinem bislang letztem Einsatz im September 2014 beim 2:4 gegen Argentinien. Gomez vergab damals zwei Torchancen und wurde einmal mehr vom eigenen Publikum ausgepfiffen. Aber das kennt er ja nicht anders.
Nun sei er froh, dass der Bundestrainer ihn angerufen und eingeladen habe. „Das ist jetzt wieder ein Anfang, ich kann mich wieder darauf freuen“, sagt Gomez. Vielleicht kann er sich für die Europameisterschaft im kommenden Sommer in Position bringen. Ein echter Mittelstürmer fehlt der Mannschaft nach dem Rückzug von Miroslav Klose. „Der Miro war ja immer zur Stelle, dann gab es eine Zeit ohne Mittelstürmer“, sagt Gomez. Inzwischen belustige ihn diese Diskussion. „Spieler, die den tödlichen Pass spielen können, hat Deutschland genügend. Aber ich finde, in manchen der letzten Spiele hätte ein Stürmer gut getan.“