Jüngster Trainer der Handball-Bundesliga: Jaron Siewert wird neuer Coach der Füchse Berlin
Die Füchse Berlin werden den Vertrag mit Trainer Velimir Petkovic nicht verlängern. Im Sommer 2020 übernimmt dann ein echter Reinickendorfer.
Wie nähert man sich einem Menschen, der 500 Kilometer von Berlin entfernt lebt und gerade mitten in einer Trainingseinheit steckt? Im Fall Jaron Siewert hilft ein Blick auf sein Profilfoto beim Kurznachrichtendienst Whatsapp. Es zeigt ihn mitten in Aktion: Siewert, umringt von jungen Männern mit breiten Schultern und zackigen Undercut-Frisuren, schiebt gelbe und rote Magnete auf einer Taktiktafel umher.
Offenbar hat der Trainer des Zweitligisten TuSEM Essen seinen Handballern gerade den nächsten Spielzug erklärt – so weit nichts Ungewöhnliches. Was allerdings sofort auffällt und in Erinnerung bleibt, ist Siewerts Geste: dieser einprägsame, strenge, fordernde Blick, den Trainer drauf haben sollten. Die Augenbrauen nach oben gezogen, nach dem Motto: Ist das klar!?
In gar nicht so ferner Zukunft wird es diesen Gesichtsausdruck auch wieder in Siewerts Heimatstadt zu sehen geben: in Berlin. Am Dienstag machte der führende Handballverein der Stadt, die Füchse Berlin, öffentlich, was sich bereits seit längerer Zeit als hartnäckiges Gerücht gehalten hatte: dass Jaron Siewert, 25 Jahre jung und ehemaliger Nachwuchsspieler der Berliner, im Sommer 2020 den scheidenden Trainer Velimir Petkovic beerben wird.
Der jüngste A-Lizenz-Inhaber Handball-Deutschlands, der seit Sommer 2017 den TuSEM Essen verantwortet, erhält bei seinem Heimat- und Ausbildungsverein einen Zwei-Jahres-Vertrag.
„Ich kenne Jaron sehr gut, weil ich ihn viele Jahre selbst im Nachwuchsbereich trainiert habe“, sagte Füchse-Manager Bob Hanning bei der offiziellen Präsentation, die am Dienstagmorgen allerdings ohne den neuen Cheftrainer über die Bühne gehen musste.
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Siewert war parallel schwer beschäftigt; er hielt in Essen einen Vortrag vor etwa 40 Trainer-Kollegen. „Er ist ein kluger, ehrgeiziger, junger Mann, der sich als Cheftrainer eines traditionsreichen Zweitligisten sehr gut entwickelt hat“, ergänzte Hanning. „In seiner Zeit in Essen hat er aus einem Abstiegskandidaten einen Aufstiegskandidaten gemacht.“ Das beweist auch ein Blick ins Zahlenwerk: Nach neun Spieltagen in Liga zwei führen die Essener die Tabelle mit 14:4 Punkten an.
„Ich hätte gern mit dieser Mannschaft weitergearbeitet, aber das ist das Leben eines Trainers“, sagte ein sichtlich enttäuschter Velimir Petkovic bei der Pressekonferenz zur Vorstellung seines Nachfolgers.
„Ich hatte eine schöne Zeit hier und hoffe, dass wir uns noch mit einem Titel voneinander verabschieden können“, ergänzte der 63-jährige Petkovic, dem Manager Hanning eine Weiterbeschäftigung im Verein in Aussicht stellte „Wir wissen Petkos Arbeit sehr zu schätzen und werden zu einem gegebenen Zeitpunkt darüber sprechen, ob und wie er uns in Zukunft weiterhelfen kann“, sagte Hanning.
So oder so bleibt Schöneberg der Lebensmittelpunkt für den scheidenden Coach und seine Familie. Die Petkovics haben sich in drei Jahren so gut in Berlin eingelebt und eingerichtet, dass sie die Stadt nicht verlassen wollen. „Das ist verbindlich, daran ändert sich nichts“, sagte Petkovic. „Meine Nachfolge ist seit einiger Zeit vorbereitet worden, das war ja schon vor zwei Jahren zu lesen – jetzt ist es soweit.“
Bei seinem Nachfolger, bei Jaron Siewert, sei bereits sehr früh erkennbar gewesen, dass eine Trainerlaufbahn für ihn in Betracht kommen könnte, berichtete Hanning weiter. „Bob ist mein Mentor und hat mir den Einstieg in den Profi-Handball erst ermöglicht“, hat Siewert einmal im Gespräch mit dem Tagesspiegel erzählt.
Jaron Siewert zu holen, ist eine mutige Entscheidung
Und diese Geschichte geht so: Als Siewert vor ein paar Jahren, quasi auf dem Sprung zum Profitum, seinen weiteren Karriereweg mit Hanning besprach, habe ihm dieser einen Rat gegeben: „Ich habe gesagt: Hör‘ auf Handball zu spielen – und werde Trainer“, erinnert sich der Manager.
Siewert, der an der Seite der heutigen Profis Fabian Wiede und Paul Drux vier Jugend-Meisterschaften mit den Füchsen gewann, sei immer ein besonderer Typ im Team gewesen, heißt es – einer, der als Spielgestalter auf der Position Rückraum-Mitte immer wieder kreative Ansätze, Lösungen und Ideen eingebracht habe. „Er hat ein Verständnis für unsere Sportart, wie ich es selten zuvor erlebt habe bei einem Menschen in diesem Alter“, sagt Hanning.
Mit dem neuen Cheftrainer wird aller Voraussicht nach auch eine personelle Neuausrichtung auf dem Feld einhergehen. „Wir haben viele Nationalspieler, zahlen Spitzengehälter und sind davon ausgegangen, dass wir damit auch Spitze sein werden“, sagte Hanning mit Blick auf den durchwachsenen Bundesliga-Start. „Das ist leider nicht der Fall.“
Folglich sollen bis zur Saison 2020/21 noch zwei bis drei neue Spieler dazukommen, vielleicht sogar mehr. Klar ist: Jaron Siewert wird bei den potenziellen Namen sicher ein Mitspracherecht haben.