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68er aus Überzeugung. Jaromir Jagrs Trikotnummer erinnert an den Prager Frühling, bei dem sein Großvater starb.
© AFP/Carr

Mit 44 Jahren immer noch Weltspitze im Eishockey: Jaromir Jagr: Tschechiens lebende Legende

Jaromir Jagr ist mit 44 in der NHL immer noch einer der Stars. Und Eisbären-Stürmer Petr Pohl weiß, dass Jagr in Tschechien längst mehr als nur ein Eishockey-Spieler ist.

Wenn Petr Pohl über Jaromir Jagr spricht, wählt er seine Worte sehr bewusst. Ganz so, als würde er über eine heilige Ikone sprechen. Und irgendwie trifft das auf Jaromir Jagr ja auch zu. „Für uns Tschechen ist er eine Art lebende Legende – und das nicht nur wegen seiner Erfolge als Eishockeyspieler“, sagt Pohl. Der Stürmer der Eisbären hat sogar einmal selbst gegen Jagr gespielt, „mit einer Nachwuchsauswahl in der Sommervorbereitung, aber das ist lange her“. Heute ist Pohl selbst fast 30 und Jagr spielt immer noch.

Mit 44 Jahren ist er der älteste aktive Spieler in der National Hockey League (NHL). Dort, in der besten Liga der Welt, hat sich Jagr gerade auf Platz drei der ewigen Torschützenliste geschossen. In seinem Team, den Florida Panters, ist er trotz seines Alters der beste Punktesammler, gerade hat er zum 19. Mal in seiner Karriere die 20-Tore-Marke für eine Saison geknackt. Bei den Panthers schätzen sie ihn, er passt perfekt in die junge Mannschaft und hat sie an die Spitze der Atlantic Division geführt.

„Unsere jungen Spieler dachten, sie würden hart arbeiten – bis sie Jaromir Jagr kennen lernten“, sagt Dave Tallon. Der General Manager der Florida Panthers würde gern Jagrs Vertrag verlängern, doch der hält sich in Sachen Zukunftspläne bedeckt. Dabei hat er gerade erst wieder gesagt, dass er sich wie 24 und nicht wie 44 fühlt und dass er noch nicht ans Aufhören denkt. „Ich liebe dieses Spiel. Es gibt bestimmt eine Million Menschen, die gern in meiner Position wären“, sagt Jagr. „Und wenn ich auch künftig in der NHL spielen kann, warum soll ich da nicht weitermachen?“

Bei den Florida Panthers ist er der Topscorer im Team

Dabei schien es vor ein paar Jahren so, als würde sich Jagrs Eishockey-Karriere auf höchstem Niveau dem Ende zuneigen. 2008 wechselte er in die Kontinental Hockey League (KHL) nach Russland und spielte drei Spielzeiten lang für Awangard Omsk – nur um danach doch wieder in die NHL zurückzukehren. Und dort ist er inzwischen wieder so gut, dass er 2016 sogar ins Allstar-Team der besten Profis gewählt wurde. Am Wochenende der Stars kürzlich in Nashville spielten sogar zwei Eiskönige. PK Subban machte sich nämlich den Spaß, mit einer Jagr-Perücke aufzulaufen. „Es war für mich eine große Ehre, für fünf Minuten Jaromir Jagr sein zu dürfen“, begründete der Verteidiger der Montreal Canadiens seine Aktion.

Dabei ist Jagrs Frisur inzwischen fast schon normal. Früher trug er seine Haare in bester Vokuhila-Manier, im reiferen Alter gibt sich Jagr zivilisierter. Gleich geblieben ist hingegen stets seine Trikotnummer. Die 68 trägt er in Erinnerung an den Prager Frühling im Jahr 1968. Bei dem Aufstand gegen die stalinistischen Machthaber in Tschechien kam sein Großvater ums Leben. Auch das trägt zum hohen Ansehen von Jagr in seiner Heimat bei, zumal er sich dort in jedem Sommer aufhält. „Es mag komisch klingen, aber er ist tatsächlich so eine Art Staatsoberhaupt bei uns. Wenn er etwas sagt, egal wie absurd es auch ist, hören alle in Tschechien ganz genau hin“, erzählt Petr Pohl.

Und die jungen Eishockeyspieler träumen von einer Karriere, wie sie Jagr hingelegt hat. Weltmeister, Olympiasieger, Stanley-Cup-Champion ist der Stürmer gewesen, er hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten und Rekorde aufgestellt. Natürlich ist Jagrs Spiel heute nicht mehr so dynamisch wie früher. Vor einem Jahr bei der Eishockey-WM in seiner Heimat sagte er: „Ich bin inzwischen langsamer geworden, aber die Ecken sind immer noch mein Revier.“ Besonders gefährlich ist er auf der rechten Angriffsseite, wenn er als Linksschütze zum Handgelenkschuss ansetzt. „Ich weiß nicht, ob irgendjemand das vielleicht noch besser kann, aber ich bin mir sicher, dass keiner so ein Timing bei diesem Schuss hat wie er“, sagt Pohl voller Überzeugung. Das klingt ziemlich ehrfürchtig. Eben so, wie man über eine lebende Legende spricht.

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