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Technik, die begeistert. Thomas Röhler ist für einen Speerwerfer mit 82 Kilogramm Körpergewicht eher leicht, kommt aber trotzdem auf große Weiten.
© AFP

Leichtathletik-EM in Berlin: Jan Zelezny: "Es passt bei ihnen einfach alles zusammen"

Für die Speerwurf-Legende führt der Titel bei der Leichtathletik-EM in Berlin nur über die Deutschen.

Speere, die es ins Museum schaffen, gehören zumeist in die Zeit von Jägern und Sammlern. Der im tschechischen Ostrava nicht. Er hat Sportgeschichte geschrieben. Es ist ein schlichtes Modell, nicht so knallbunt wie die heute. Jan Zelezny hat mit ihm 98,48 Meter geworfen. Weltrekord 1996 – bis heute. Seither kam keiner auch nur in die Nähe.

Wobei. Die deutschen Speerwerfer versuchen, daran zu rütteln. Seit vergangenem Jahr schon werfen sie immer wieder über die 90 Meter. Thomas Röhler und Johannes Vetter wollen die Weite angreifen. Vielleicht schon bei den Europameisterschaften. Das Finale an diesem Donnerstag haben beide erreicht. Röhlers Bestleistung liegt bei 93,90 Meter, die von Vetter bei 94,40 Meter. Es ist nicht zu viel gesagt, dass die Speerwerfer Deutschlands größte Hoffnung sind bei dieser EM in Berlin. Neben Olympiasieger Röhler und Weltmeister Vetter ist da noch der Deutsche Meister Andreas Hoffmann.

Jan Zelezny ist heute noch schmal wie 2006, als er seine Karriere beendete. Aber der 54-Jährige ist grau geworden. Bei der EM ist er als Trainer akkreditiert. Als Aktiver wurde er dreimal Olympiasieger und Weltmeister. Das hat vor und nach ihm keiner geschafft. Kein Wunder, dass sein Speer es ins Museum schaffte. Auch sein Weltrekord schien für die Ewigkeit. Aber was heißt das schon? Heute ist in der Trainingswissenschaft viel mehr möglich. Jetzt sind da diese Deutschen – und das nicht nur einmal, sondern in Serie. Was macht sie so stark? „Es passt bei ihnen einfach alles zusammen“, sagt Zelezny.

Röhler und Vetter – die beiden Medaillenanwärter könnten kaum verschiedener sein. Wer ist dem Weltrekordhalter Zelezny aber näher? Optisch und auch vom Charakter her wohl eher der schlanke Röhler. Zelezny hat als Junge selbst geschnitzte Spieße in den Wald geworfen, ehe er über den Umweg von Fußball und Handball zum Speerwerfen fand. Auch der Jenaer Röhler hat seine Passion in der Natur entdeckt: beim Kiesel schnippen am Ostseestrand. Noch heute sucht der Student oft die Ruhe, wenn er beim Angeln irgendwo an der Saale hockt.

Jan Zelezny nach seiner dritten Goldmedaille bei Olympia 2000 in Sydney.
Jan Zelezny nach seiner dritten Goldmedaille bei Olympia 2000 in Sydney.
© Imago

Der Sportsoldat Johannes Vetter ist da anders. Als er aus seiner Dresdner Heimat nach Offenburg wechselte, teilte er nach WM-Gold in London 2017 erstmal gegen den alten Verein aus: Die würden sich nun in den Allerwertesten beißen, sagte er da voller Adrenalin. Vetter, das ist der Typ mit dem großen Tattoo des Kriegers auf der Schulter. Röhler, das ist der, der im Training die Drohne benutzt und dann Flugkurvenbilder analysiert.

Auch als Sportler kommt Röhler Zelezny wohl näher. „Thomas ist leichter. Er hat die feinere Technik. Ich denke, er kann noch sehr lange auf sehr hohem Niveau werfen“, sagt Zelezny. Röhler wiegt 82 Kilogramm, in etwa so viel wie Jan Zelezny zu seinen Zeiten als Aktiver. Auch sein Anlauf ähnelt dem des Tschechen: wie er mit weit aufgerissenen Augen und leicht geöffnetem Mund vor dem Stemmschritt tänzelt. Es ist nicht wie bei Vetter dieses brachiale Wuchten des Speers, was im Hechtsprung mit Klatsch auf der Bahn endet. „Johannes ist stärker“, sagt Zelezny. Das Muskelpaket Vetter bringt 105 Kilogramm auf die Waage.

Vetter und Röhler sind beide erst Mitte Zwanzig. Sie können noch lange werfen. Selbst wenn sie früher aufhören als Zelezny, der seinen Speer erst mit 40 abgab. Was ist da noch möglich? „Es ist ein langer Weg. Aber ich bin sicher, es kommt der Tag: Da fallen die 100 Meter.“ Doch bei dieser EM 2018 wird es nicht so weit gehen. Der Wind ist durch das Marathontor unberechenbar, das Olympiastadion für Speerwurf nicht ausgelegt. Und dann ist ja auch noch der Druck, den die Konstellation mitbringt. „Alle werden versuchen, die Deutschen zu schlagen.“ Aber Zelezny macht den Deutschen Mut: „Für mich war Druck immer Motivation. Ich bin daran gewachsen.“

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