zum Hauptinhalt
Schritt voraus. Andrea Pirlo ist langsam, aber in Italien immer noch gesetzt.
© Imago

Gesucht: Der neue Pirlo: Italiens Abhängigkeit vom Altstar

Der Spielmacher der italienischen Nationalmannschaft ist seit 2006 ein deutscher Albtraum. Doch auch Italien kommt schwer vom 34-jährigen Andrea Pirlo los.

Juventus Turin hatte neulich einen Wunsch. Andrea Pirlo könne doch einmal eine Pause erhalten in der Nationalmannschaft, nun, da die Qualifikation für die Weltmeisterschaft geschafft sei. Doch zum Zorn des Italienischen Meisters berief Nationaltrainer Cesare Prandelli den 34-Jährigen zu den letzten unbedeutenden Qualifikationsspielen. Auch gegen Deutschland steht Pirlo im Kader.

Es gilt immer noch der Satz, den Prandelli nach der EM 2012 gesagt hat: „Pirlo bleibt unser Maßstab.“ Bis zur WM in Brasilien bleibt der Spielmacher unverzichtbar, auch wenn er dann 35 ist. Geschont wird Pirlo höchstens in Freundschaftsspielen, aber in diese Kategorie fällt das Prestigeduell am Freitag in Mailand (20.45 Uhr, live im ZDF) eher nicht.

Pirlo ist so etwas wie das bärtige Gesicht der deutschen Italien-Ängste, als einer von fünf Spielern im aktuellen Kader half er schon 2006 mit, das Sommermärchen der Deutschen zu beenden. Bei der EM 2012 änderte Joachim Löw aus Angst vor Pirlo sein System und scheiterte. Die Deutschen kommen einfach nicht los von Pirlo und die Italiener auch nicht.

Nicht, dass Prandelli nicht versucht hätte, die Abhängigkeit vom Altstar zu reduzieren. Doch ein 4-3-3-System mit mehr Flügelspiel brachte nicht den gewünschten Effekt. „Mit vier Mittelfeldspielern haben wir mehr Ballkontrolle“, sagte Prandelli. Sprich: mehr Pirlo. Und so wird der immer langsamer werdende Lenker der Italiener von Läufern wie de Rossi, Marchisio, Motta oder Montolivo unterstützt, die ihn jedoch kreativ kaum entlasten. Prandelli setzt meist auf disziplinierte Serie-A-Profis im Alter zwischen 25 und 30 Jahren, um das Niveau zu halten, was zur schnellen und souveränen WM-Qualifikation führte. Doch obwohl er nach der WM 2014 in den Klubfußball zurückkehren will, macht Prandelli sich Gedanken für die Zeit nach ihm und Pirlo.

Zuletzt erreichten die italienischen U-21-Junioren das EM-Finale, wo sie jedoch wie die A-Mannschaft im Jahr zuvor an Spanien scheiterten. Einige der vielversprechenden Mittelfeldtalente haben es auch schon in den Kader gegen Deutschland geschafft. Alessandro Florenzi zum Beispiel. Der 22-Jährige vom Spitzenreiter AS Rom hat zuletzt gegen Armenien sein Debüttor erzielt. Von der Körperstatur ist Florenzi ein Leichtgewicht. Damit passt er, zusammen mit seinen spielerischen Qualitäten, in das Bild der modernen Fußballergeneration: technisch versiert und flexibel auf verschiedenen Positionen einsetzbar. Ein anderes Talent lernte Borussia Dortmund beim Champions-League-Spiel in Neapel kennen. Der ebenfalls 22-jährige Lorenzo Insigne präsentierte seine Quirligkeit und Spielübersicht und krönte dort seine Leistung mit einem Freistoßtor zum Sieg. Wie Florenzi muss sich Insigne in der Nationalmannschaft meist noch an der Außenbahn austoben. Zentral gilt Marco Verratti als das größte Spielmachertalent, doch der 21-Jährige von Paris St. Germain fehlt gegen Deutschland verletzt. Mit dabei ist Andrea Poli – der 24-Jährige wird nicht nur wegen der Namensähnlichkeit beim AC Mailand bereits mit Pirlo verglichen.

Noch ist unklar, ob einer von ihnen je Pirlos Niveau erreicht – oder ihn zumindest gegen Deutschland entlasten darf. Ihre Stunde schlägt vielleicht erst am Dienstag beim Test gegen Nigeria.

Prandelli sieht noch viel Nachholbedarf in der Jugendarbeit. „Wir sollten uns Deutschland als Vorbild nehmen, dort gibt es 18 Förderzentren“, sagte er zuletzt. „Vielleicht ist für uns der Moment gekommen, etwas ändern zu müssen.“ Aber noch nicht am Freitag, da bleibt alles beim Alten, sprich: beim Pirlo.

Dominik Bardow

Zur Startseite