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DDR-Zehnkämpfer Christian Schenk bei den Olympischen Spielen vor 30 Jahren. Der 53-Jährige leidet an einer bipolaren Störung und schweren Depressionen.
© picture alliance/dpa

Kritik an Doping-Opfer-Hilfeverein: Ist Christian Schenk Profiteur oder Geschädigter?

Die Dopingopfer-Hilfe wird immer stärker kritisiert. Jüngster Anlass ist Olympiasieger Christian Schenk, der mit einer Entschädigung liebäugelt.

Vermutlich hat Ines Geipel das Unheil schon kommen sehen. Der frühere DDR-Zehnkämpfer Christian Schenk äußerte jüngst seine Absicht, die Erfolgschancen einer möglichen Entschädigung aus dem Fonds des Dopingopfer-Hilfegesetzes zu prüfen. Dieses wurde auch unter großem Einsatz der aktuellen Vorsitzenden des Doping-Opfer-Hilfevereins – Geipel – beschlossen, um jenen DDR-Sportlern eine finanzielle Entschädigung zu ermöglichen, die unter dem Doping-System Schäden davongetragen haben.

Im Falle von Schenk stellen sich nun aber renommierte deutsche Anti-Doping-Experten die Frage, ob der Mann nicht vielmehr Profiteur denn Geschädigter des DDR-Dopings war. Schenk hatte erst vor wenigen Monaten selbst zugegeben, wissentlich gedopt zu haben. Der 53-Jährige brachte es auch dank seines Betrugs zu großem Ruhm, 1988 wurde er Olympiasieger. Schenk leidet heute an einer schweren Depression und einer bipolaren Störung. Er sei genetisch durch seine Eltern vorbelastet, sagte Schenk in einem Interview. Es sei aber wahrscheinlich, dass Doping seine depressive Erkrankung ausgelöst habe.

Für die sich nun zu Wort meldenden Anti-Doping-Experten – namentlich handelt es sich um den Molekularbiologen Werner Franke, Gerhard Treutlein, Co-Autor des Buchs „Doping im Spitzensport“, die Anti-Doping-Kämpferin Claudia Lepping sowie den früheren Skilanglauftrainer Henner Misersky – steht Schenk stellvertretend für ein grundlegendes Problem. Sie glauben, dass das Gesetz „immer schon eine Einladung zum fortwährenden Betrug durch damals dopende Sportler, die heute behaupten, nichts gewusst zu haben“, gewesen sei. Deswegen fordern sie jetzt in einem Brief an die Mitglieder des Sportausschusses des Deutschen Bundestags eine grundlegende Reform des Dopingopfer-Hilfegesetzes.

Der verknappte Vorwurf lautet: Geipel blase die Opferhilfe künstlich auf

Schon seit Wochen und Monaten gibt es Streit um die Opferhilfe. Viele ehemalige Mitstreiter haben sich von Geipel abgewendet. Der verknappte Vorwurf lautet: Geipel übertreibe, sie blase die Opferhilfe künstlich auf, weshalb auch jene entschädigt werden wollten, denen dies nicht zustehe. Besonders umstritten ist, dass die zweite Generation der Dopingopfer entschädigt werden sollte. Der Fall Schenk war für die Anti-Doping-Experten um Franke ein weiterer Beleg für die vermeintlichen Defizite in der Opferhilfe.

„Dass die Autoren nun Christian Schenk als Auslöser für eine ganze Reform heranziehen, empfinde ich gegenüber einem schwer kranken Mann als inhuman“, sagte Ines Geipel am Freitag dem Tagesspiegel. Auch sei es aus ihrer Sicht schwer bedenklich, dass Gründungsmitglieder wie Franke nun so weit gehen würden, sogar die Fristverlängerung und die Aufstockung des Fonds stoppen zu wollen. „Das heißt, dass ihnen die Opfer letztlich egal sind.“

Den Vorwurf will sich Claudia Lepping nicht gefallen lassen. „Uns sind die Opfer ganz bestimmt nicht egal. Aber man wird ja wohl noch fragen dürfen, ob ein Verfahren richtig oder falsch ist“, sagt sie. „Es geht hier um Steuergelder. Und wir müssen gucken, dass das die richtigen bekommen.“ Hauptanliegen der Gruppe um Lepping und Franke ist dabei, dass die Vergabe von Entschädingungszahlungen an eindeutige fachärztliche Gutachten geknüpft sind. Das sehen die Experten im Moment noch nicht erfüllt.

Erst am 18. Oktober hatte der Bundesrat beschlossen, die Antragsfrist potenzieller Dopingopfer zu verlängern und den Fonds auf 13,65 Millionen Euro aufzustocken. Durch den Vorstoß der Experten-Gruppe kommt das Thema wieder vor den Sportausschuss. „Es geht um Gerechtigkeit“, sagt Lepping. Aber auf diesen Nenner können sich wohl alle einigen – auch Ines Geipel.

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