Sportvereine für Behinderte und Nichtbehinderte: Inklusive Probleme
Sportvereine in Berlin versuchen, Behinderte und Nichtbehinderte zusammenzubringen – doch die Bürokratie steht dem oft im Weg.
Daniela Schulte hat einen Traum. „Es wäre schön, wenn Behinderte und Nichtbehinderte bei Deutschen Schwimmmeisterschaften künftig gemeinsam an den Start gehen könnten“, sagt die mehrfache Paralympics-Goldmedaillengewinnerin. In diesem Jahr sah das noch anders aus. Sportler mit Handicap starteten vom 24. bis 27. April in der Schwimm- und Sprunghalle im Berliner Europasportpark (SSE), eine Woche später fanden an gleicher Stelle die Titelkämpfe in den olympischen Disziplinen statt. Inklusion ist ein hehres Ziel, oft ist es aber nur ein schönes Wort. Doch auch wenn die blinde Athletin Schulte aus eigener Erfahrung weiß, dass „Deutschland in Sachen Inklusion im Sport leider noch nicht so weit ist wie andere Länder“, so tut sich in der Heimat der 31-jährigen Berlinerin immerhin etwas.
Viele dieser Initiativen insbesondere im Breitensport gehen allerdings auf das Engagement Einzelner zurück. Monika Tamke ist dafür ein typisches Beispiel. Die 64 Jahre alte Mutter einer geistig behinderten Tochter ist begeisterte Ruderin. Die Liebe zum Rudern vererbte sie ihrem Kind und das gab schließlich den Ausschlag für die Gründung einer eigenen Abteilung Reha- und Behindertensport in ihrem Spandauer Verein BRC Hevella. „Anfangs gab es durchaus Widerstände“, erzählt Tamke. Doch die seien längst überwunden, die behinderten Sportler würden inzwischen als „Bereicherung“ anerkannt. Wie man Ruderern mit geistigem Handicap das Wissen vermittelt, musste sie selbst herausfinden. Qualifizierte Trainer zu finden, die keine Scheu vor Behinderten haben, ist schwierig. Das Geld ist knapp, der Aufwand hoch. Schließlich müssen in Vereinen oftmals erst behindertengerechte Strukturen geschaffen werden. All das ist für manche Klubs zu viel verlangt, zumal auch die bürokratischen Hürden hoch sind.
Davon kann Hamdy Mohamed ein Lied singen. Der in Ägypten geborene Judo-Meister führt Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung in die Feinheiten des Kampfsports ein. Im Reinickendorfer Budo Club Ken Shiki wird Inklusion tatsächlich gelebt. Mädchen und Jungen, behindert und nicht behindert, trainieren gemeinsam – und das mit Erfolg. Der Verein hat mehrere Deutsche Jugendmeister in seinen Reihen. Doch gekämpft wird nicht nur auf der Matte, sondern auch mit der Bürokratie. Inklusion ist teuer. In Mohameds Verein gibt es körperlich und geistig Behinderte, Beiträge sind deshalb nicht nur an den Judoverband, sondern auch an den Behindertensportverband und den Special-Olympics- Verband zu entrichten – inklusive Papierkram. „Unter diesen Umständen ist es sehr schwierig, die Arbeit fortzuführen“, klagt Mohamed.
Ralf Otto, Präsident des Paralympischen Sport-Clubs Berlin, kennt solche Probleme auch aus anderen Bereichen. „Was im Spitzensport funktioniert, ist im Alltag oft schwieriger.“ Das fange schon bei der Sportstättennutzung an. Rollstuhl-Basketballer hinterlassen auf dem Hallenboden schon mal Reifenspuren nach ihren Trainingsstunden. Nicht schön, aber kaum zu ändern. In Sachen Sportstätten für Behinderte könnte sich in Berlin aber schon bald etwas tun. So soll der Friedrich-Ludwig-Jahnsportpark in Prenzlauer Berg in den nächsten Jahren zu einem Zentrum des inklusiven Sports ausgebaut werden. Ein zweistelliger Millionenbetrag ist dafür veranschlagt, im Ergebnis hätte der Berliner Behindertensportverband damit nicht nur ein Vorzeigeobjekt, sondern auch ein neues Zuhause für die eigene Verwaltung.
Während Politik und Sportverbände über Details noch entscheiden müssen, wird an der Basis die Inklusion vorangetrieben. So auch beim Pankower Sporttreff Karower Dachse. Hier können sehbehinderte Menschen an der Seite von sogenannten „Guides“ das Hochgefühl des Laufens selbst erleben. Wie Constanze Thoms, die gerade an der Seite ihrer Partnerin Kirsten Ulrich den Berliner Halbmarathon absolviert hat.
Wie so oft half dabei der Zufall. Die sehbehinderte Thoms ist Physiotherapeutin und behandelte vor drei Jahren ihre jetzige Tandem-Partnerin, die im Vorstand des Sporttreffs der Karower Dachse sitzt. Eines kam zum anderen, heute bildet der Verein deutschlandweit einzigartig ehrenamtliche Begleitläufer aus. „Natürlich braucht es viel Vertrauen“, sagt Thoms. „Aber das ging schnell. Und schließlich wollte ich so gern laufen.“ Ihr nächstes Ziel sei nun ein Marathon – wenn die Bürokratie mitspielt. Denn – und auch das ist Inklusion in Deutschland heute noch – manche Veranstalter kassieren bei Sehbehinderten doppelt ab. Für den Läufer – und dessen Guide.
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