Hertha BSC steht unter Druck: In Mainz gibt es keine Ausreden mehr
Herthas Abwehrchef Niklas Stark nimmt sein Team in die Pflicht – und fordert für das Spiel in Mainz mehr Zusammenhalt und Einsatzbereitschaft.
Fußball-Profis leben im 21. Jahrhundert längst unter der Lupe. Jeder Schritt und jeder Tritt von ihnen wird genauestens verfolgt und analysiert, das gilt ganz besonders für Nationalspieler. Diese Erfahrung hat auch Niklas Stark kürzlich wieder gemacht, der aktuell einzige Abgesandte von Hertha BSC in der Fußball-Nationalmannschaft.
Nach dem 0:3 seiner Berliner beim FC Schalke 04 habe er „viele sehr nette Nachrichten bekommen“, erzählt Stark und grinst ein bisschen gequält – und meint das natürlich ironisch. Schließlich hatte er eines von zwei Berliner Eigentoren erzielt. „Ich wurde von Freunden und Kollegen schon häufiger daran erinnert“, sagt Stark, „aber ich weiß, dass ich das nicht zu ernst nehmen darf und mit breiter Brust weitermachen muss.“ Wer den Schaden hat, braucht für den Spott bekanntlich nicht zu sorgen.
Und überhaupt: Was mussten sich die Berliner zuletzt nicht alles anhören? Herthas Darbietung bei Schalke darf durchaus als Sinnbild für die bisherige Saisonleistung herhalten. Innerhalb von zehn Minuten fabrizierten die Berliner zwei von insgesamt vier in dieser Bundesliga-Saison erzielten Eigentoren. Nach drei Ligaspielen ohne Sieg und einem Pünktchen auf dem Konto steht das Team von Cheftrainer Ante Covic an diesem Samstag beim FSV Mainz 05 (15.30 Uhr, live bei Sky) schon gehörig unter Druck.
Im Falle einer Niederlage beim Tabellennachbarn wartet bis auf Weiteres der letzte Platz auf den Verein, der mit so großen Ambitionen und Plänen in die Saison gestartet ist. Und es gehört nicht viel Fantasie zu der Prognose, dass die Debatten über den neuen, offensiveren Spielstil unter Covic im Fall der Fälle weitergeführt werden.
Für den Großteil im Berliner Kader ist die Situation komplett neu. Abgesehen von einigen Arrivierten wie Peter Pekarik, Marvin Plattenhardt, Per Skjelbred, Salomon Kalou oder Thomas Kraft hat kaum ein Profi Erfahrungen mit Hertha im Abstiegskampf gesammelt.
Trainer Ante Covic wird laut
Unter Covics Vorgänger Pal Dardai mag die Rückrunde oft enttäuschend verlaufen sein, ein Szenario wusste der Ungar in seinen knapp fünf Jahren als Verantwortlicher der Profis aber stets zu verhindern: dass sein Team in die gefährliche Zone abrutscht. Abgesehen von seinem ersten Halbjahr, als Dardai in höchster Not übernahm, bewegten sich die Berliner in dieser Zeit nicht mal am Rand besagter Zone.
Im Herbst 2019 sieht das anders aus: Wenn es nicht bald mit dem ersten Sieg klappt, ob nun an diesem Samstag oder am kommenden daheim gegen Aufsteiger Paderborn, könnte es sehr schnell sehr ungemütlich werden.
Das hat auch Covic registriert. Unter der Woche grüßte der Trainer im Vorbeigehen gewohnt freundlich, auf dem Feld allerdings war ihm eine gewisse Anspannung anzumerken. Gerade in den öffentlichen Einheiten am Dienstag und Mittwoch pfiff der 43-Jährige seine Spieler ein ums andere Mal zusammen, weil er mit dem Dargebotenen ganz offensichtlich unzufrieden war.
Schlechte Bilanz in Mainz
„Wir haben die Länderspielpause genutzt, um weiter hart zu arbeiten“, sagt unterdessen Michael Preetz. In der Vorbereitungszeit sei „viel neuer Input auf die Spieler eingeprasselt“, jetzt sollte noch mal nachgeschult werden. Die Ausgangssituation sei vor dem Spiel für beide Teams ähnlich, „beide warten auf das erste Erfolgserlebnis“, sagt Herthas Manager „In Mainz wollen wir ein anderes Gesicht zeigen.“ Bei Niklas Stark, unumstrittener Führungsspieler und stellvertretender Kapitän hinter Vedad Ibisevic, klingt das ganz ähnlich.
„Wir müssen jetzt wieder das zeigen, was uns letzte Saison ausgezeichnet hat“, sagt der Abwehrspezialist. „Wir müssen kompakter stehen, die Zweikämpfe annehmen – und damit meine ich nicht nur Eins-gegen-Eins-Situationen, sondern auch die Absicherungen mit allem drum und dran.“ Zuletzt sind sich Stark und sein Nebenmann Karim Rekik bisweilen ziemlich einsam in der letzten Linie vor Torhüter Rune Jarstein vorgekommen. „Es wäre schön, wenn wir Innenverteidiger nicht ständig von vier, fünf Leuten angerannt werden“, sagt Stark.
Ein Blick in die Statistiken lässt nämlich die These zu, dass sich Hertha in Mainz nicht viele Gegentore wird erlauben dürfen, wenn es tatsächlich für Punkte reichen soll. Das letzte Tor der Berliner in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt datiert auf den 7. Februar 2015: Bei Pal Dardais erstem Pflichtspiel als Profi-Trainer setzte sich Hertha seinerzeit mit 2:0 durch – es war der Startschuss für eine Aufholjagd, die ihren Höhepunkt mit dem Klassenerhalt in der Saison 2015/16 erlebte. In den vier Spielen seither hat Hertha bei einem Torverhältnis von 0:2 zwei von zwölf möglichen Punkten beim selbsternannten Karnevalsverein geholt.