FC Energie Cottbus: Im Klammergriff der Rechten
Energie Cottbus hat Mitgliedern der Ultra-Gruppierung "Inferno Cottbus" Stadionverbote erteilt, weil unter ihnen Rechtsextremisten sein sollen. Zu zaghaft und zu spät sei der Verein dagegen vorgegangen, sagen Kritiker.
Die Briefe gingen vor wenigen Tagen raus. Zwanzig bundesweite Stadionverbote. Ob sie juristisch haltbar sein werden? Zweifelhaft. Schließlich haben diejenigen, die der FC Energie Cottbus in den nächsten drei Jahren nicht mehr bei seinen Spielen sehen will, nicht einmal Pyrotechnik verwendet bei dem skurrilen Auftritt unlängst im österreichischen Angerberg. Dort nahmen sie sechs Minuten vor Anpfiff des Testspiels ihres Vereins gegen FK Pribram auf einem Dorf-Sportplatz einen Hügel in Beschlag, entrollten ihr Banner mit „Inferno Cottbus“, warfen Luftschlangen, Konfetti – und sangen.
Klingt harmlos, brachte aber den Cottbuser Vereinspräsidenten Ulrich Lepsch derart in Rage, dass er das Streitgespräch mit den Provokateuren suchte. Der Vorgang taugt als Beispiel, wie ein Verein in den Klammergriff einer umstrittenen Ultra-Gruppierung gerät und vor allem mit der politischen Komponente des Falls überfordert wirkt. Handelt es sich in diesem Fall doch um eine Gruppe, die laut Polizei und Verfassungsschutz in Brandenburg auch Mitglieder aus dem rechtsextremen Spektrum beheimatet.
Nachdem Ende Juni in einem offenen Brief bereits Auftritts- und Erscheinungsverbote für Mitglieder von „Inferno Cottbus“ ausgesprochen wurden, folgten nun die Stadienverbote. Doch gibt es auch Kritik daran, viel zu spät sei das geschehen. Der Verein wehrt sich: „Fakt ist doch, es gab und gibt bis heute keine Urteile gegen diese Leute, kaum etwas Verwertbares, was uns die Behörden schwarz auf weiß geliefert hätten – wir hatten keine juristische Handlungsgrundlage“, sagt Lars Töffling, der Vereinssprecher. „Auf uns wirkt das so: Was Politik und Justiz nur schwer bekämpfen können, das sollen wir als Fußballverein in den Griff kriegen.“
Nach Österreich hatten die Lausitzer sogar ihren eigenen Ordnungsdienst angekarrt. Zuvor hatte Energie erfahren, dass „Inferno Cottbus“ per Bus anreisen will – und die Polizei informiert. Diese Pflichtschuldigkeit drang bis ins österreichische Innenministerium vor, das ein Spielverbot für die geplante Partie gegen Maccabi Tel Aviv verhängte und Energie gar nicht mehr spielen lassen wollte. Seitdem wird Cottbus wieder in einem Atemzug genannt mit Neonazis und damit ein Bild wiederbelebt, das längst korrigiert schien.
Der Klub und die Stadt hatten um die Jahrtausendwende in dieser Hinsicht große Probleme. Erinnert sei nur daran, dass Gerald Asamoah einst mit Bananen und Affenlauten empfangen wurde. 2005 entrollten Cottbuser Chaoten bei einem Spiel in Dresden ein Banner mit „Juden“, um Dresdner Fans zu beleidigen. Diese Entgleisung geht auf das Konto von „Inferno Cottbus“, gegründet 1999 – nur ein Beispiel unter ähnlichen Aktionen, deren Urheber aber nur selten zweifelsfrei ermittelt werden konnten. Inzwischen aber galt das Stadion der Freundschaft als friedfertiger Ort, an dem Randale und Rassismus tabu sind. Die Probleme rund um „Inferno Cottbus“ habe man zunächst intern regeln wollen. Vielleicht, ahnt man heute bei Energie, ein Fehler.
Denn Aussagen von Polizei und Verfassungsschutz und auch ein Fernsehbeitrag ließen den Klub im Januar untätig erscheinen. Das Thema landete sogar im Landtag. Der offene Brief im Juni wirkte auf manchen Kritiker nun als später Versuch der Rechtfertigung. „Wir haben schon früh alles getan, was für uns möglich war. Uns Inkonsequenz vorzuwerfen, ist unfair“, sagt Vereinssprecher Töffling. Dennoch wirkt der ganze Verein wie getrieben – im Bemühen, nicht noch einen größeren Imageschaden zu erleiden.
Nach und nach, so lässt sich die Taktik von Energie beschreiben, soll ein Feind nach dem anderen im eigenen Haus ausgeschaltet werden – immer in Sorge, juristisch auf zu dünnem Eis zu stehen. Aber der Klub wirkt nicht tatenlos, eher ein wenig hilflos und überfordert. Der Verein hat nun auch alle Gegner in der Zweiten Liga angeschrieben – und gebeten, beim Durchsetzen des Erscheinungsverbots mitzuhelfen. In Düsseldorf funktionierte das bereits: „Inferno Cottbus“ wollte ein Plakat anbringen. Dies wurde vom dortigen Ordnungsdienst nicht gestattet. Ein erster, kleiner Erfolg für den FC Energie. Auch und vor allem im Kampf um das eigene Image.
Matthias Wolf