Marco Koch wird nur Siebter: "Ich dachte, ich wäre schneller"
Auch die wohl letzte Medaillenhoffnung des deutschen Schwimmteams geht leer aus. Eine Erklärung für das schlechte Abschneiden gibt es nicht - nur ein paar Theorien.
Als das Ergebnis auf der Anzeigetafel aufleuchtete, schlugen einige deutsche Schwimmer auf den Zuschauerplätzen entsetzt die Hände vor das Gesicht. Das Team von Chef-Bundestrainer Henning Lambertz hatte sich am Mittwochabend fast ganz oben unter dem Hallendach des Olympic Aquatic Stadions versammelt, um Marco Koch über 200 Meter Brust bei der Jagd auf die ersehnte erste deutsche Schwimm-Medaille anzufeuern. Aus der Vogelperspektive mussten Kochs Mannschaftskameraden allerdings mitansehen, wie der Weltmeister erst als Siebter anschlug. Damit hatte sich auch die größte deutsche Medaillenhoffnung im Wasser von Rio de Janeiro aufgelöst. Höchstwahrscheinlich werden die deutschen Schwimmer also wie schon 2012 in London auch 2016 in Rio de Janeiro ohne Medaille bleiben.
Die versammelte Weltspitze im Blick
Am Donnerstag, Freitag und Samstag stehen zwar noch Wettbewerbe an, ganz vorne wird aber wohl kein deutscher Starter mehr landen. Der Potsdamer Christian Diener über 200 Meter Rücken und der Mannheimer Philip Heintz über 200 Meter Lagen erreichten mit der jeweils achtbesten Zeit ihr Endläufe in der Nacht zu Freitag. Heintz hatte im Vorlauf einen neuen Deutschen Rekord aufgestellt, mit dem er sogar vor Michael Phelps lag. Im Finale dürfte das aber nicht noch einmal vorkommen.
Bevor er auf den Startblock stieg, konnte sich Marco Koch seine gesamte Konkurrenz noch einmal mit einem einzigen Blick anschauen. Der 26-Jährige ging im Finale auf Bahn 1 ins Rennen, die versammelte Weltspitze befand sich zu seiner Linken. Als sich die acht Schwimmer auf der letzten Bahn befanden, konnte Koch in seinem rechten Augenwinkel beobachten, wie eng das Feld beieinander lag. Am Ende trennten Platz eins und Platz sieben nur 54 Hundertstelsekunden. Ganz vorn landete überraschend der junge Kasache Dimitri Balandin vor Josh Prenot aus den USA und dem Russen Anton Schupkow. Und Marco Koch, der unbedingt eine Medaille gewinnen wollte, war in der Zeit von 2:08,00 Minuten nur Siebter geworden.
"Ich dachte, ich wäre schneller"
Koch hatte immer wieder prognostiziert, man müsse in Rio Weltrekord schwimmen, um Gold zu holen. Zur Überraschung des Publikums war das Rennen dann aber sogar relativ langsam, umso rätselhafter war die enttäuschende Platzierung des 26-Jährigen. „An sich habe ich mich ganz okay gefühlt. Ich bin fast zufrieden mit dem Rennen“, sagte Koch. „Heute war einfach nicht mehr drin, das ist natürlich ärgerlich. Ich dachte, ich wäre schneller“, sagte Koch und bediente sich dabei mehrerer Formulierungen, die bereits einige deutsche Schwimmer in den vergangenen Tagen gebraucht hatten.
Während der Darmstädter keine Erklärung für seinen letztlich enttäuschenden Auftritt liefern konnte, hatte sein Trainer Alexander Kreisel doch eine Idee. Kochs Form sei „super, echt super“ gewesen, sagte Kreisel zwar. Sein Schwimmer sei aber vor allen Dingen auf der zweiten der vier Bahnen zu langsam gewesen, anstatt druckvoller zu schwimmen. „Es war die ganze Zeit das gleiche Problem: Der zweite 50er war zu langsam, das hat er auch jetzt nicht in den Griff gekriegt“, sagte Kreisel. Koch habe auf der zweiten Bahn 13 Züge gemacht, abgesprochen seien aber 14 gewesen, auf den ersten 100 Metern müsse Koch rund eine halbe Sekunde schneller angehen. „Wahrscheinlich ist es ein mentales Ding“, sagte Kreisel. „Dass man ihm sagen muss: Geh in die Frequenz rein! Hab den Mut! Hab nicht zu viel Respekt vor den zweiten 100!“
Sind die späten Startzeiten schuld?
Ähnlich mutlos wie Koch hatten sich schon einige deutsche Schwimmer in Rio gezeigt, von einer allgemeinen Misere wollten weder Koch noch Kreisel etwas wissen. „Es kommt ja keiner hierher zu den Olympischen Spielen und denkt: Och, ich hab jetzt vier Jahre trainiert, jetzt schaukle ich mir die Eier und gebe nicht mein Bestes“, sagte Koch angefressen. Kreisel gab zu bedenken, dass sich nicht nur die Deutschen schwer tun würden, sondern auch andere Nationen wie beispielsweise die Niederlande. Einerseits habe das möglicherweise mit den Wettkampfzeiten am späten Abend zu tun, mit denen nur „eine Handvoll Leute“ gut klar kämen. Ein anderer Faktor sei der Druck, den Olympische Spiele nun einmal erzeugten. Diese Situation könne man nicht simulieren, allen Schwimmern sei klar: Olympia gibt es nur alle vier Jahre. „Und dann auf die Startblöcke zu gehen und das abzurufen, was man die ganze Zeit geübt hat …“, sagte Kreisel und machte eine kurze Denkpause. „Wer das kann, der ist dann halt der Champ.“
Und wer es nicht kann, das war die bittere Erkenntnis für Marco Koch und seinen Trainer, wird im wichtigsten Rennen seit vier Jahren nur Siebter.