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Jeff Tomlinson kehrt zu den Eisbären zurück.
© dpa

Jeff Tomlinson im Interview: „Ich bin doch kein Zirkusclown“

Der neue Eisbären-Trainer Jeff Tomlinson spricht im Tagesspiegel über seine Rolle und über seine Ziele in der am Freitag beginnenden DEL-Saison, die für die Eisbären mit dem Spiel in Ingolstadt beginnt.

Jeff Tomlinson, seit Juli sind Sie Cheftrainer der Eisbären, die sie 2010 als Kotrainer verlassen haben. Wie haben sie Ihre Rückkehr nach Berlin erlebt?
Ich habe die Bäume im Park wiedererkannt, die Straßen und Schleichwege. Das sind Kleinigkeiten, die einem ein gutes Gefühl geben. Ich bin noch dabei, meine Lieblingsrestaurants von damals wiederzufinden und auszuprobieren. Berlin ist wie eine Insel in Deutschland: sehr international, mit einem eigenen Flair. Auf mich wirkt Berlin nicht so riesig, eher wie viele kleine Städte nebeneinander.

Und wie ist es auf der Insel Eisbären?

Ich kenne viele Spieler seit Jahren, auch die Betreuer, das ganze Team. Das ist wirklich wie eine Familie.

Früher waren Sie Spieler, dann Assistent, jetzt sind Sie das Familienoberhaupt. Mussten Sie sich Respekt verschaffen?

Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass die Jungs mich nicht respektieren. Ich hatte damals eine gute Beziehung zu vielen Spielern, muss aber nun auch mal dazwischenhauen. Ich sage ihnen: Du kannst deinen Weg ausprobieren, aber wenn es nicht funktioniert, ist die Grenze erreicht. Wenn sie die überschreiten, bekommen sie meine böse Seite zu sehen. Aber ich versuche auch, mit den Spielern eine Lösung zu finden, statt sie ständig anzuschreien.

Wie weit sind Sie auch Psychologe?

Das wird immer wichtiger. In meiner Zeit als Spieler war das nicht so. Da wurde nur draufgehauen. Wer damit nicht umgehen konnte, hat es halt nicht geschafft. Heutzutage muss man mehr mental arbeiten, das macht 80 Prozent aus. Daher rede ich viel mit den Jungs. Früher haben die Trainer nie mit einzelnen Spielern gesprochen.

Ihr Vorgänger Don Jackson war eher Vertreter der alten Schule. Viel geredet hat er nicht...

Don ist auch menschlich mit den Spielern umgegangen und hat ihnen Spielraum gegeben. Ich bin viel emotionaler als er. Aber ich versuche, das nicht auf der Bank zu zeigen. Ich bin kein Zirkusclown. Ich will nicht, dass die Zuschauer mich beobachten, sie sollen den Spielern zusehen. Meine Bühne ist die Kabine.

Was passiert denn dort?

Das kommt darauf an. Manchmal spielen wir nicht gut, aber ich sehe, dass die Jungs Gas geben und frustriert sind. Dann versuche ich, sie zu beruhigen, denn es bringt gar nichts, dazwischenzuhauen. Wenn die Spieler faul sind, dann scheppert es in der Kabine, das ist klar.

Wie weit muss ein Trainer die Spieler überraschen, um sich nicht abzunutzen?

Manchmal muss man Dinge tun, die sie nicht erwarten. Wenn sie schlecht spielen und damit rechnen, dass Schläger durch die Gegend fliegen und gegen die Mülleimer getreten wird, sagen: Jungs, seid positiv. Und wenn es super läuft, sucht man einen Grund, böse zu werden, damit keine Selbstzufriedenheit einkehrt.

Sie haben angekündigt, auch taktisch etwas zu ändern. Warum?

Die Eisbären haben oft viel zu viele Gegentore bekommen. Es kann nicht sein, dass wir immer fünf Tore schießen müssen, um zu gewinnen. Auch unser Unterzahlspiel müssen wir verbessern.

Ihr Vorgänger ist in sechs Jahren fünfmal Meister geworden. Sie werden sicher nicht ankündigen, das zu wiederholen?

Das kann keiner, egal wie er heißt. Da haben viele Sachen einfach gepasst. Manager Peter John Lee hat die Basis für den Erfolg gelegt, hat junge Leute geholt, die dann gewachsen sind. Und er hat Topimporte verpflichtet.

Zuletzt konnten die Spieler aus dem Nachwuchs weniger überzeugen. Hatte Ihr Vorgänger größere Talente im Team?

Das stimmt. In der Vorbereitung haben wir junge Spieler getestet und festgestellt, dass viele von ihnen uns noch nicht weiterhelfen können. Das war frustrierend. Man kann sagen, auf dem Papier sind wir schlechter geworden, aber das ist schwer zu beurteilen. Wenn wir alle Mann dabei haben, glaube ich: Wir sind gut. Wir müssen gewinnen, wir sind bei den Eisbären.

Mannschaften wie Köln oder Mannheim wirkten bereits in den vergangenen Jahren stärker besetzt als Ihr neues Team, oder?

Ja, aber die waren am Ende zu blöd. Die Eisbären sind mental einfach eine ganz andere Mannschaft, wenn es darauf ankommt. Aber wir dürfen nicht denken: ,Wahnsinn, wir waren siebenmal Meister’, und dann Larifari spielen. Das ist meine größte Herausforderung.

Sie haben einen deutschen Pass. Wie deutsch fühlen Sie sich inzwischen?

Ich bin mittendrin. Am Anfang wollte ich nach Kanada zurück, weil ich mit der deutschen Mentalität nicht klarkam. Der Deutsche ist kritisch und sagt seine Meinung. Früher fand ich die Leute negativ und unhöflich, mittlerweile finde ich das sehr gut. Und ich mag das deutsche Essen. Ich habe Probleme, an einer Bäckerei vorbeizugehen. Den Kulturschock bekomme ich nun, wenn ich nach Nordamerika fahre.

Gehen Sie zur Bundestagswahl?

Ja. Ich sage aber nicht, wen ich wähle.

Jeff Tomlinson, 43, ist seit dieser Saison Trainer der Eisbären. Davor betreute er zwei Jahre die DEG und ein halbes Jahr Nürnberg. Als Spieler war er in Berlin für die Capitals und Eisbären aktiv.

Die Eisbären starten am Freitag beim ERC Ingolstadt in die DEL-Saison (19.30 Uhr, live bei Servus TV).

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