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Hula Hoop wird auch auf dem Tempelhofer Feld immer beliebter.
© dpa/Tirl

Alles für den Reifen: Hula Hoop ist wieder da - auch in Berlin

Ein Tanz an der Grenze zwischen Sport und Kunst: Hula Hoop feiert eine Renaissance – auch in Berlin findet das Reifenspiel wieder mehr Anhänger.

Ein Plastikreifen an der Hüfte, der sich so lange dreht, bis er irgendwann zu Boden plumpst, irgendwie simpel, irgendwie belanglos – Hula Hoop, ein Kinderspiel im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn Kristin Hertel einen Reifen in die Hand nimmt, hat das jedoch gar nichts mit Schulhof und Kindergarten zu tun. Der Reifen scheint zu schweben, rollt wie ein großes Rad von einem Arm über den Nacken auf den anderen Arm. Dann wieder liegt er fest in Hertels Hand. In rasender Geschwindigkeit bringt ihn die 33-Jährige irgendwie um ihre Schultern, wo sie ihn kreisen lässt, um ihn dann wieder zu stoppen und in die andere Richtung rotieren zu lassen.

Ein Kinderspiel? „Für mich ist es ein Tanz“, sagt Hertel. Wenn das Wetter gut ist, sieht man sie manchmal reifenspielend in Kreuzberg im Park am Gleisdreieck oder in Neukölln auf den Wiesen der Hasenheide. Und Kristin Hertel ist nicht die Einzige. Auch auf dem Tempelhofer Feld sind bei gutem Wetter zwischen den Longboardfahrern und Kitern oft Hoop-Spieler zu sehen. Der Hype um den Reifensport hat auch neue Namen mit sich gebracht: Manche sprechen von Hooping oder Hoop Dance. Mit dem hawaiianischen Hula-Tanz hatte das Reifenspiel ohnehin nie etwas zu tun.

Woraus sich der moderne Hoop-Tanz entwickelt hat, ist unklar. Schon seit Jahrtausenden spielen die Menschen mit Reifen. Die Ur-Einwohner Nordamerikas haben mit kleinen Reifen rituelle Tänze aufgeführt. In den fünfziger Jahren hatte der Reifen seine große Zeit als Kult-Objekt, als ein amerikanischer Spielzeughersteller begann, Plastikreifen mit dem marketingträchtigen Namen ’Hula Hoop’ zu produzieren – nicht nur für Kinder übrigens. Nach ein paar Jahren des Hypes verschwand Hula Hoop wieder. „Im neuen Jahrtausend hat sich dann eine Fan-Community in den USA herausgebildet“, erzählt Hertel. Langsam schwappte die Welle nach Europa über, seit einigen Jahren finden nun auch in Deutschland Conventions statt – mehrtägige Treffen, um sich auszutauschen und neue Tricks zu lernen.

So ist auch Kristin Hertel 2010 zum Hula Hoop gekommen, damals noch bei einer kleinen Veranstaltung im Westerwald. „Ich dachte erst, das sei so ein typischer Mädchensport. Ein bisschen die Hüften bewegt und das war’s.“ Sie lernte zwei, drei Tricks und konnte den Reifen fortan nicht mehr weglegen. Heute gibt sie selbst einen Kurs und tritt als Kristin Lahoop auf. Ihre Schüler sind meistens weiblich – das Klischee vom Mädchensport hat sich eben noch nicht erledigt, auch wenn es talentierte männliche Hooper wie den US-Amerikaner Malcolm Stuart gibt. Der Sport ist noch zu jung, die weltweite Szene zu klein und quasi ohne Organisation. Hula Hoop – ein Vereinssport wie Modern Dance oder Rhythmische Sportgymnastik? Auf Nachfrage ist man beim Deutschen Tanzsportverband und beim Deutschen Turner-Bund etwas ratlos.

Ohne Koordination geht beim Hula Hoop gar nichts

Könnte das Vereinswesen nicht helfen, den Sport bekannter zu machen? Kristin Hertel zuckt mit den Schultern. „Dafür gibt es doch das Internet.“ Sucht man nach Hula-Hoop-Videos, findet Google rund 713 000 Ergebnisse, bei Hooping-Videos sind es noch mal fast neunzigtausend mehr. Die meisten beschreiben, wie ein Classic Escalator funktioniert, wie man den Reifen am Ellenbogen oder auf Brusthöhe spielt. Ständig werden neue Tricks präsentiert, denn die Möglichkeiten sind quasi grenzenlos – es gibt keine Regeln. Hula Hoop bewegt sich irgendwo an der Grenze zwischen Sport und Kunst. Man kann den Reifen so spielen, dass man kaum ins Schwitzen kommt. Man kann aber auch mehrere Reifen auf einmal nehmen und nach zehn Minuten Hooping fix und fertig sein.

Was es aber vor allem braucht: Koordination. Wie bei der Jonglage müssen beide Gehirnhälften zusammenarbeiten. Der Reifen fällt gerade zu Beginn häufig herunter, weil der eine Arm noch nicht weiß, was der andere gerade tut. „Man bekommt beim Hula Hoop ein neues Körpergefühl, für viele Tricks muss man völlig ungewohnte Bewegungen ausführen“, erklärt Kristin Hertel. Das erfordert Durchhaltevermögen, manche Tricks müssen selbst von fortgeschrittenen Hoopern tagelang geübt werden. Wichtig ist dabei das richtige Gerät: Mit einem alten Reifen aus dem Spielzeugladen wird man nicht weit kommen. Die Reifen für Hoopdance sind größer und vor allem schwerer. Mittlerweile verkaufen viele Artistikgeschäfte die passenden Reifen, auch in Deutschland gibt es schon Online-Händler. Mehr als 40 Euro muss man nicht zahlen, um einen guten Hoop zu bekommen. „Oder man geht in den Baumarkt, holt sich ein PE-HD-Rohr für Kaltwasser, etwas Grip-Band und baut sich selbst einen“, sagt Kristin Hertel und lacht. Ob Hula Hoop mehr als ein Trendsport ist, muss sich erst noch zeigen – günstiger als Stand-up-Paddling oder Kite-Surfing ist es allemal.

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