zum Hauptinhalt
Horst Milde, 74, war Deutscher Meister mit der 3x1000-Meter-Staffel. 1964 initiierte er am Teufelsberg den ersten Volkslauf Berlins. Zehn Jahre später organisierte er im Grunewald den ersten Marathon. Neben der SCC-Running GmbH führte der gelernte Konditor und Diplom-Kaufmann die Bäckerei seiner Eltern in Tempelhof weiter.
© IMAGO

Der Gründer des Berlin-Marathons: Horst Milde: "Alle haben geheult"

Horst Milde, Gründer des Berlin-Marathons, spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über Höhepunkte in 40 Jahren Berlin-Marathon, Tränen unterm Brandenburger Tor, Genussläufer und 55 Millionen Japaner.

Herr Milde, am Sonntag startet der Berlin-Marathon zum 40. Mal, Sie haben ihn gegründet. Ist er immer noch Ihr Berlin-Marathon?

Natürlich, er ist und bleibt mein Kind. Inzwischen ist er zum Selbstläufer geworden. Am schönsten finde ich, dass er eigentlich der Bevölkerung gehört. Die Berliner haben aus dem Marathon ein Fest gemacht.

Was zeichnet ihn am meisten aus?
Die Atmosphäre. Und das ganze Drumherum. Der Literaturmarathon hat in diesem Jahr zum 25. Mal stattgefunden, es gibt eine Predigt in der Gedächtniskirche, einen Bambinilauf. Davon habe ich vieles kopiert und geklaut. So wie andere uns kopiert haben. Wir sind Vorbild dafür geworden, wie man die Laufbewegung öffentlich darstellt, vom Anfänger bis zum Top-Athleten.

Haben Sie die Strecke bewusst so konzipiert, dass sie immer schneller wurde?
Daran habe ich am Anfang gar nicht gedacht. Ich war ja selbst kein Marathonläufer, ich war Mittelstreckler. Aber ich hatte Marathonläufer in meinem Verein, die überall gestartet sind. Von denen habe ich mein Wissen bezogen. Mit jeder Kursänderung wurde die Strecke flacher und schneller. Und jeder wollte Bestzeit rennen. In den Achtzigern hatten wir noch 2000 Läufer, die unter drei Stunden gelaufen sind, heute sind es bei viel mehr Teilnehmern deutlich weniger. Die Bestzeiten der Spitzensportler werden schneller, die der Breitensportler langsamer.

Woran liegt das?
Es gibt nicht mehr so viele Hardcoreläufer, die das ganze Jahr trainieren, um Bestzeiten zu laufen. Heute gibt es dafür jede Menge Genussläufer.

Bildet der Marathon also gesellschaftliche Veränderungen ab?
Das kann man so sagen. In Managerzeitschriften geben die Spitzenmanager heute gerne an, dass sie Läufer sind, das macht einen guten Eindruck. Das Allerwichtigste ist das Training, um sich darauf vorzubereiten. In der Prävention, in der Gesunderhaltung ist der Laufsport die Nummer eins. Der Seniorensport wird auch immer wichtiger. Ich denke aber, dass wir die Jugend mehr an den Laufsport rankriegen müssen. Auch dafür habe ich den Bambinilauf aus Kopenhagen kopiert. Ich selbst bin fünffacher Opa, vier meiner Enkel laufen, der jüngste ist noch zu klein.

Gab es mal einen kritischen Punkt für den Berlin-Marathon?
Finanzielle Schwierigkeiten hatten wir in den Achtzigerjahren immer. Wenn die Stadt da nicht mit Ausfallbürgschaften eingesprungen wäre, hätten wir nicht überlebt. Einmal hatten wir so viele schnelle Zeiten, dass wir knapp 200.000 Mark an Prämien zahlen mussten. Da waren wir im Überlebenskampf.

"Der Vereinigungsmarathon 1990 wurde zur Legende"

Wodurch hat sich der Marathon am meisten verändert?
Durch den Vereinigungsmarathon 1990. Das war ein Weltereignis. Er ist zur Legende geworden. Und als Naoko Takahashi 2001 einen Weltrekord plante. Da hat das japanische Fernsehen live übertragen und 55 Millionen Japaner haben zugesehen – die Hälfte der Bevölkerung. Ich werde inzwischen auf der ganzen Welt auf den Berlin-Marathon angesprochen. Da kommen eben mal 500 Brasilianer zum Laufen nach Berlin. In Deutschland hat kein Sportereignis solch eine Anziehungskraft, höchstens Bayern München.

Ihr schönster Marathon?
1990. Das war der emotionale Höhepunkt. Mir haben so viele danach gesagt: Wir haben alle geheult, als wir durchs Brandenburger Tor gelaufen sind.

2004 haben Sie die Verantwortung abgegeben. Zu einer Veranstaltung des Frauenlaufs sind Sie in diesem Jahr von den Marathon-Veranstaltern gar nicht mehr eingeladen worden. Dabei haben Sie den Frauenlauf doch in Berlin mitbegründet.
Das stimmt leider. Das Verhältnis zum Veranstalter ist gestört, was aber nicht an mir liegt. Wenn ich mal leise Kritik übe, wird das sofort als Majestätsbeleidigung aufgefasst.

Wie erklären Sie sich das?
Vielleicht mit Neid. Vielleicht glauben einige, dass vom Glanz des Marathons nicht mehr genug für sie übrig bleibt, wenn sie mich noch erwähnen.

Würden Sie am Marathon etwas ändern?
Nein, eigentlich gar nichts. Er ist doch ein Riesenerfolg. Ich würde mir nur etwas mehr Anerkennung für meinen Sohn wünschen...

... Ihrem Nachfolger als Renndirektor.
Ich bin früher in Berlin vier Mal zum Sportmanager des Jahres gewählt worden. Mein Sohn ist bislang nicht einmal unter die ersten drei gekommen. Dabei hat er mit seiner Rennplanung und der Verpflichtung von bestimmten Athleten fünf Weltrekorde nach Berlin geholt. Er ist der erfolgreichste Renndirektor der Welt.

Das Gespräch führte Friedhard Teuffel.

Zur Startseite