Sport: Hessisches Happy End
Wie Frankfurt noch den Aufstieg in die Bundesliga schaffte
Frankfurt. Petra Roth, die Oberbürgermeisterin, verließ um 16:34 Uhr ihren Ehrenplatz, verabschiedete sich mit traurigem Gesicht und den Worten des Bedauerns. „Schade, dass die Eintracht nicht aufsteigt." Es war die 79. Spielminute im Waldstadion. Es stand 3:3 gegen den SSV Reutlingen, und in Braunschweig führte Mainz 05 mit 4:0. Da war selbst für den Frankfurter Kapitän Jens Keller unten auf dem Platz „die Sache erledigt". Vier Tore musste Eintracht Frankfurt in den verbleibenden elf Minuten aufholen. Unmöglich! Unmöglich?
Auch Ministerpräsident Roland Koch hatte, wie er später eingestand, „schon aufgegeben. Das 3:3 war der Tiefpunkt der Depression." Aber Koch blieb und erlebte eines der dramatischsten Finale in der Geschichte des Fußballs – und ein hessisches Happy End. In der 93. Minute erzielte Alexander Schur das Tor zum 6:3, das eine Tor mehr gegenüber dem rheinhessischen Nachbarn aus Mainz, um bei Punktgleichheit als Dritter der Zweiten Liga nach zwei Jahren in die Bundesliga zurückzukehren.
Schiedsrichter Hartmut Strampe pfiff das Spiel mit dem sechsten Treffer ab. Trainer Willi Reimann stemmte einen gefüllten Bierhumpen wie einen Pokal in die Höhe und lief eine Ehrenrunde. Keller, seine beiden kleinen Söhne Ron und Nick auf dem Arm, stammelte nur: „Unglaublich. Und ist in Braunschweig wirklich schon Schluss?" Torwart Oka Nikolov musste an seinem 29. Geburtstag an das erste Frankfurter Wunder vor Jahren denken. „Das ist heute noch verrückter als das 5:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern." Damals war die Eintracht durch ein Tor in der letzten Minute nicht abgestiegen.
Als Frau Roth gegangen war, kam die Kunde vom Braunschweiger Gegentor. „Und plötzlich kam eine Dynamik in das Geschehen. Die Mannschaft, die das Spiel wenigstens gewinnen wollte, glaubte wieder an sich", sagte Reimann, der zu diesem Zeitpunkt, „auch nicht mehr viel Hoffnung" gehabt hatte. „Doch dann passieren Dinge, die gibt es gar nicht." Das Tor der Eintracht in Braunschweig war die Initialzündung für die Eintracht in Frankfurt. „Wir waren auf der Bank über die Zwischenstände natürlich immer informiert", sagte Reimann. Der eingewechselte Bakary Diakite schoss das 4:3 (83.) und 5:3 (90.). Schiedsrichter Hartmut Strampe signalisierte drei Nachspielminuten. Die letzte Szene das Spiels, Ecke kurz gespielt, Flanke, Kopfball Schur – das „noch größere Wunder als vor vier Jahren" (Roland Koch) war vollbracht.
In Braunschweig spielten sich zur selben Zeit tragische Szenen ab. Der Mainzer Präsident Harald Strutz saß, von Weinkrämpfen geschüttelt, auf dem Rasen, Trainer Jürgen Klopp verschwand wortlos in die Kabine, und die Spieler verharrten fassungslos vor dem Fernseher. Wie im vergangenen Jahr waren sie am letzten Spieltag gescheitert.
Hartmut Scherzer
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