Ärger um Star aus Brasilien: Hertha verliert - Marcelinho tanzt bis 4.34 Uhr
Marcelinho vergnügt sich nach Herthas Niederlage in Hamburg bis in den frühen Morgen – Manager Hoeneß: Er ist fremdgesteuert
Montagmorgen in Mitte, 4.34 Uhr: Im „Taba“ geht nichts mehr, der Wirt hat die Stühle hochgestellt und das Licht ausgeschaltet. Dann öffnet sich die Kneipentür, und Marcelinho kommt heraus. Als er in ein Taxi steigt, ist es exakt 4.36 Uhr. Berlin schläft. Und Marcelinho macht Feierabend.
Dieser Montagmorgen ist das Ende einer merkwürdigen Woche bei Hertha BSC. Der Klub ist seit drei Spielen ohne Sieg, er ist am Donnerstag in Porto aus dem Uefa-Cup ausgeschieden und hat am Sonntagabend ein wichtiges Spiel verloren, das entscheidend sein könnte, ob der Verein in der kommenden Saison im Europapokal spielt. Bei Hertha läuft in diesen Tagen vieles, ja wenn nicht sogar alles schief. Und mittendrin steckt Marcelinho, Herthas Spielmacher.
Die 0:1-Niederlage in Hamburg liegt nur wenige Stunden zurück, als der Berliner Mannschaftsbus um 23 Uhr an der Geschäftsstelle eintrifft. Das ist ein guter Zeitpunkt, um ins Bett zu gehen. Zum einen braucht der von zahlreichen Spielen strapazierte Körper eines Fußballprofis Ruhe. Zum anderen wirkt es ein wenig deplatziert, wenn die wichtigsten Arbeitnehmer feiern, obwohl der Arbeitgeber drauf und dran ist, alle seine Saisonziele zu verfehlen.
Marcelinho sieht das an diesem Abend anders. Kurz nach Mitternacht betritt er das „Taba“, ein brasilianisches Restaurant in Mitte. Die Luft ist stickig, das Bier kostet 3,60 Euro. Die Menschen feiern Karneval, sie tanzen und wippen, und Marcelinho tanzt mit. Als zwei Fotografen auftauchen, wird ihnen der Eintritt verwehrt. „Keine Presse!“ heißt es. Die Reporter sind längst drin, Eintritt: fünf Euro.
Es ist 1.10 Uhr, als der Abend zu eskalieren droht. Ein Mann betritt das Restaurant, ignoriert die Türsteher und fragt: „Wo isser?“ Dieser Mann heißt Hans-Georg Felder, er ist Herthas Pressesprecher. Er kommt im Trainingsanzug, „direkt aus dem Bett“. Dann geht er zu Marcelinho, quer über die Tanzfläche. „Anweisung von Dieter Hoeneß, du solltest jetzt bitte nach Hause gehen.“ Marcelinho interessiert die Anweisung von Herthas Manager nicht. Felder redet und redet, dann verlässt er das „Taba“. Noch denkt er, dass Marcelinho bald gehen wird.
Herthas Manager Dieter Hoeneß wird am Montagmittag auf einer Pressekonferenz sagen: „Wenn ich um fünf Uhr morgens in meinem Bett liege und höre, dass da ein Spieler die Puppen tanzen lässt, dann widert mich das an.“ Hoeneß ist gereizt, denn diese Karnevalsparty am Montagmorgen ist nur die Fortsetzung von Marcelinhos Eskapaden der letzten Tage. Am Freitagabend, zwischen der Niederlage in Porto und dem Abschlusstraining für das Auswärtsspiel in Hamburg, wurde der Brasilianer auf einer Karnevalsparty im alten Westend-Rokoko-Ballsaal „Queen’s 45“ gesehen. „Er hat gesagt, dass er nichts getrunken habe und bis um halb eins da war“, sagt Hoeneß. „Aber wir haben auch eine andere Version gehört.“ Von drei Uhr ist die Rede. „Wenn das stimmt, dann rauscht es richtig.“ Es geht nicht darum, dass er feiert, sondern wann er feiert.
Hoeneß wird immer ernster. Marcelinho sei „nicht mehr der Alte. Irgendjemand nimmt Einfluss, wir wissen nicht wer, aber der Einfluss ist schlecht“. Der Brasilianer sei immer der „Prototyp eines Mannschaftsspielers gewesen, jetzt aber müssen wir dem Jungen helfen. Wir werden Nachforschungen anstellen, wer Einfluss auf ihn hat. Das wird dauern, aber wir werden es herausfinden“. Marcelinhos Berater sei kontaktiert, er werde in den kommenden Tagen zu Gesprächen nach Berlin kommen. „Marcelinho kriegt einfach nicht mit, dass er sich verändert. Er schadet sich in einem Maße – das ist verrückt.“ Und: „Marcelinho ist fehlgeleitet, ja ich würde fast sagen: Marcelinho ist fremdgesteuert. Er hat die falschen Freunde. Das Wesen Marcelinhos hat sich verändert. “
So deutlich ist Hoeneß noch nie geworden. Nach dem Fehleinkauf Alex Alves galt Marcelinho seit seiner Verpflichtung im Sommer 2001 als Herthas brasilianischer Glücksfall: mannschaftsdienlich, beliebt beim Publikum und gefürchtet bei den Gegnern, vor allem wegen seiner raffinierten Freistöße. 21 Tore hat er in 55 Bundesligaspielen geschossen. Probleme? Davon erfuhr die Öffentlichkeit nichts. Dass der Brasilianer verheiratet ist und zwei Kinder hat, in den Berliner Bars aber trotzdem mit vielen Frauen gesehen wird, ist in Szenekreisen bekannt. Bei jedem Training erscheinen drei, vier Brasilianer, sie fahren Marcelinhos Wagen, sie gehen mit ihm in Diskotheken. Mit seinen Kollegen unternimmt Marcelinho nichts. Die Mannschaft hat mit Marcelinho schon länger Probleme. „Dumm“, sagen die einen, „Egoist“ die anderen. Nach der Niederlage in Hamburg erzählen Spieler, Trainer Huub Stevens habe ihnen noch am Tag zuvor versichert, er werde Marcelinho nicht aufstellen. Dass dieser dann doch 90 Minuten lang uninspiriert über den Rasen der AOL-Arena schleichen durfte, hat dem Klima in der Mannschaft nicht gut getan.
Brasilien gegen Hertha – die Mannschaft ist gespalten. Auch in der Personalie Alex Alves. Der Brasilianer hatte in drei Spielen fünf Tore erzielt und zwei weitere vorbereitet. „Was er aber in den letzten drei Spielen gezeigt hat, damit sind wir nicht zufrieden“, sagt Hoeneß. „Wenn jemand in Porto nur 60 Prozent gibt, habe ich dafür kein Verständnis.“ Und dann: „Wenn das jemand nicht begreift, werden wir ihn dazu zwingen – oder uns von ihm trennen. Vielleicht wird der Einschnitt im Sommer doch größer sein, als wir dachten. Wenn die Einstellung nicht stimmt, sollte man sich einen anderen Job suchen.“ Nie waren die Zeichen deutlicher, dass Alves im Sommer gehen soll. Und Marcelinho?
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