Nach Skandal-Video: Hertha suspendiert Salomon Kalou
Stürmer Salomon Kalou platzt in den Coronavirustest eines Mitspielers und filmt das Händeschütteln in der Kabine – Verein und DFL reagieren knallhart.
Hätte Salomon Kalou doch nur auf den Arzt gehört. „Sala, bitte. Sala, bitte!”, ermahnt der Fachmann den Profi. Die Stimme des Mediziners klingt besorgt, fast panisch: „Sala, bitte. Sala, lösch das bitte.” Was er nicht weiß: Herthas Stürmer überträgt in diesem Moment den CoronavirusTest seines Teamkollegen Jordan Torunarigha live im Internet. Bei Facebook. Auch wenn die Aufnahmen später aus dem Netz genommen wurden, sie hatten sich längst verbreitet. Sie dürften die Diskussionen, wie sicher die Bundesliga im Augenblick des grassierenden Virus ist, neu entfachen. Weil zumindest manche Spieler, wie Kalous Bilder belegen, kaum Sensibilität für die Gefahr aufbringen. Für Kalou selbst, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, bedeutet es wohl das vorzeitige Ende bei seinem Klub Hertha BSC.
Nachdem zuerst die Deutsche Fußball Liga (DFL) reagiert und das Video umgehend aufs Schärfste verurteilt hatte, folgte der Verein mit der Suspendierung des 34-jährigen Kalous vom Trainings- und Spielbetrieb. „Salomon Kalou hat mit seinem Video nicht nur Hertha BSC einen großen Schaden zugefügt, sondern vor allem in der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion über die Wiederaufnahme des Spielbetriebs und die Rolle des Profifußballs den Eindruck erweckt, dass einzelne Spieler das Thema Corona nicht ernst nehmen“, wurde Herthas Manager Michael Preetz in einer Vereinsmitteilung vom Montagabend zitiert: „Hertha BSC bedauert das Verhalten von Salomon Kalou zutiefst. Zumal es sich um einen gleichermaßen verdienten wie erfahrenen Spieler handelt. Das Ausmaß des Fehlverhaltens erfordert jedoch konsequentes Handeln.“ Kalou entschuldigt sich für sein Verhalten. „Es tut mir leid, wenn ich mit meinem Verhalten den Eindruck erweckt habe, dass ich Corona nicht ernst nehme“, wurde der Offensivspieler zitiert: „Ich habe nicht wirklich nachgedacht und mich darüber gefreut, dass unsere Tests alle negativ waren.“
Zuvor hatte die DFL mit harschen Worten reagiert und so wohl dem späteren Vorgehen des Vereins eine Richtung gezeigt: „Die Bilder von Salomon #Kalou aus der Kabine von Hertha BSC sind absolut inakzeptabel. Hierfür kann es keine Toleranz geben - auch mit Blick auf Spieler und Clubs, die sich an die Vorgaben halten, weil sie die Ernsthaftigkeit der Situation erfasst haben“, schrieb die DFL am Montagnachmittag auf Twitter.
Einfachste Regeln werden nicht eingehalten
Das Video, das Salomon Kalou am Montagmittag gegen 12 Uhr streamt, beginnt harmlos. Langweilig sogar, denn in den ersten 15 Minuten sitzt der Mann von der Elfenbeinküste als Beifahrer in einem Auto und fährt zum Trainingsplatz der Hertha am Berliner Olympiagelände.
Doch dann wird es sehr schnell brisant. Dort, wo sich der Bundesligist aktuell und unter vermeintlich hohen Auflagen zum Schutz vor dem Coronavirus aufhält, beachten der Stürmer und seine Teamkollegen die einfachsten Verhaltensregeln nicht. Kalou geht in das Büro von Athletiktrainer Henrik Kuchno. Beide geben sich sofort die Hand, lachen nebeneinander stehend über Kalous Frisur. In der Kabine geht es weiter: Kalou begrüßt Per Skjelbred, Torwart Rune Jarstein, Veteran Petar Pekarik und Vedad Ibisevic mit Fäusten und normalen Handschlägen. Alle Spieler sitzen zudem dicht aufeinander in der Umkleidekabine – effektiver Schutz vor einem hochansteckenden Virus sieht anders aus. Im DFL-Konzept ist von zwei Metern Abstand die Rede.
Aber es geht weiter. Und es wird noch viel bizarrer: Nachdem sich Kalou umgezogen hat, das Handy nimmt die Szenen weiter live auf, geht er zum Coronatest. Dort angekommen, bittet ihn ein Arzt zu warten, denn im Behandlungszimmer wird bei Verteidiger Jordan Torunarigha gerade ein Abstrich genommen. Doch Kalou pfeift auf die Anweisung. Und kommt stattdessen dem Geschehen ganz nah.
[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen:leute.tagesspiegel.de]
„Sala, bitte. Sala, lösch das bitte”, ruft der Arzt, bei dem es sich möglicherweise um Physiotherapeut David del Mel handelt. Er scheint als einziger zu verstehen, was droht, wenn diese Bilder an die Öffentlichkeit geraten. Auffällig ist, dass er weder den vom Robert-Koch-Institut empfohlenen Schutzkittel noch eine Schutzbrille sowie keine FFP2-Maske, sondern nur einen einfachen Mund-Nasen-Schutz trägt. Kalou lacht: „I’m joking.”
„Verarscht ihr uns?“
Wesentlich ernster ist die Stimmung eine Szene zuvor. Dort unterhalten sich die Spieler des Bundesligisten über die Gehaltszahlungen, die offenbar geringer ausgefallen sind als wegen der Coronavirus-Krise mit dem Verein vereinbart. Und die Spieler hatten recht. „Die Diskussion zum Thema Teilgehaltsverzichts der Lizenzspieler bei Hertha BSC ist durch fehlerhafte Abrechnungen entstanden. Diese wurden mittlerweile korrigiert“, hieß es von Hertha.
Das Gespräch mit Teammanager Arne Friedrich, das Ibisevic im Video ankündigt, sollte der Kapitän vielleicht trotzdem wahrnehmen. Zu besprechen gibt es ja gerade wirklich genug. (mit dpa)
Teile dieses Textes erschienen zuerst bei unserem Kooperationspartner 11Freunde.
Tobias Ahrens