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Das Herz der Hertha-Fans schlägt in der Ostkurve.
© Soeren Stache/dpa

Hertha BSC wird 125: Hertha muss eine starke Marke für die Zukunft entwickeln

Hertha BSC hat ein Wahrnehmungsproblem und wirkt wie ein Start-Up mit nicht endendem Relaunch. Augsburg oder Mainz tätigen mehr Umsatz. Das sollte zu denken geben. Eine Position.

Digitalisierung und Innovation nehmen immer mehr Geschwindigkeit auf, auch im Sport. Das, was schon die nahe Zukunft bringen wird, können oder wollen sich viele heute wahrscheinlich noch gar nicht vorstellen. In zehn bis fünfzehn Jahren werden wahrscheinlich die Eventzuschauer, die keine ausgemachte Hertha-Identität besitzen und schon heute 30 bis 40 Prozent der Stadionbesucher ausmachen, mit einer digitalen Brille auf der Nase während des Spiels Zeitlupen oder Spielerdaten abrufen, Spielgeschwindigkeit durch die Spielerkamera verfolgen, weltweit mit anderen Usern kommunizieren, Wetten abschließen oder auch Eis oder Bier bestellen.

Muss man das mögen? Nein. Zuschauer und Fans, die so wie ich wegen des Fußballs, der Vereinsidentität und der Dramaturgie ins Stadion gehen, werden solche Veränderungen immer ein Stück weit ablehnen, aber Vereine und Fans werden sich dem dauerhaft nicht verschließen können. Fußball ist und bleibt Volkstheater, Fußball verbindet, und Fußball ist Drama und Emotion.

Vielleicht gibt es in der Zukunft auch unterschiedliche Szenarien. Vielleicht schafft es Tradition, den Fußball vor Überkommerzialisierung zu schützen. Vielleicht werden digitale Fußballinszenierungen außerhalb des Stadions Standard werden, entwickeln sich dadurch neue Fanmärkte. Und trotzdem wird es bei allen Zukunftsvisionen wichtig bleiben, dass die Tradition des Vereins und des Fußballs nicht verloren gehen.

Klaus Brüggemann, seit 1995 Hertha-Mitglied, gehörte lange Zeit dem Präsidium und Aufsichtsrat des Klubs an. Er ist Sport- und Wellnessunternehmer und als Dozent für Sport- und Sportstättenmanagement an der Deutschen Hochschule DHfPG tätig.
Klaus Brüggemann, seit 1995 Hertha-Mitglied, gehörte lange Zeit dem Präsidium und Aufsichtsrat des Klubs an. Er ist Sport- und Wellnessunternehmer und als Dozent für Sport- und Sportstättenmanagement an der Deutschen Hochschule DHfPG tätig.
© Thilo Rückeis

Fakt ist aber auch: Tradition alleine kann nicht die Zukunft bestimmen.

Hertha BSC hat ein Wahrnehmungsproblem und ist gefühlt seit dem Aufstieg 1997 ein Start-up mit nicht endendem Relaunch. Seit 20 Jahren gab es immer wieder neue Claims. „Aus Berlin für Berlin“ hatte zumindest noch eine klare und passende Identifikationsaussage. Es ist wie im richtigen Leben: Eine alte Dame, die sich wie Hertha in der vergangenen Saison in Pink kleidet und „I am hip und cool“ ruft, wird sicher nicht von allen ernst genommen. Dass die Hipster und Neuberliner mit „We try, we fail, we win“ ins Stadion geholt werden sollten, kann wohl nur als Hilfsargument gelten. Hertha hat rund 35.000 echte Fans als Ankerzuschauer, aber Berlin ist keine wirkliche Fußballstadt mit all den Eventhoppern, Schönwetterzuschauern und Zugereisten. Das ist bitter, aber schlicht die Wahrheit.

Einer der Gründe, warum sich Hertha für einen internationalen Claim entschieden hatte, war sicherlich, den Klub bei Investoren populärer und attraktiver zu machen. Generierung von Kapital ist wichtig und notwendig, damit der Klub sich mittelfristig in der oberen Tabellenregion festsetzen kann. Das hat der Top-Deal der Hertha-Verantwortlichen mit dem Finanzinvestor KKR bereits gezeigt. Die Entscheidung für Hertha war aber sicherlich vorrangig der Weltstadt Berlin geschuldet.

Hertha BSC ist Berlin mit all seinen Stärken und Schwächen! Insofern war auch die öffentliche Stadiondiskussion mit dem Standort Brandenburg völlig irrwitzig, es sei denn als Druckmittel gegen den Senat. Nun gibt es zum 125-jährigen Jubiläum eine neue Markenbotschaft, „Die Zukunft gehört Berlin“, passend für die Stadt und auch für Hertha, besonders wenn damit schon die Standortfrage für das neue Stadion endgültig geklärt sein soll.

Herthas Sympathiewerte haben sich positiv verändert

Hertha hat es in den vergangenen 20 Jahren leider klar versäumt, eine klare Markenpositionierung zu schaffen und diese auch als Markenwert konsequent zu leben, vor allem von innen nach außen. Berlin ist allerdings als Sportvermarktungsstandort schwierig. Auch bei der Berliner Wirtschaft und beim Senat ist noch viel Luft nach oben. Trotzdem ist Hertha bei allen Schwächen der Marke, eine der Berliner Marken mit den höchsten Kommunikationswerten weltweit. Dass Klubs aus der Provinz wie Mainz oder Augsburg mehr Umsatz tätigen als Hertha, sollte daher allen zu denken geben.

Allerdings leben andere Vereine wie St. Pauli, der 1. FC Union, Bayern München, Borussia Dortmund, selbst der SC Freiburg eine starke Markenidentität. „Echte Liebe“, der Leitsatz des BVB, ist nicht nur ein Claim, sondern ein Markenversprechen, das nicht käuflich ist. Fußball lebt von der Emotionalität der Marke, von der Zugehörigkeit in einer Markensubstitution, mit multiplen Zielgruppen. Genau das aber macht es einer Vereinsführung natürlich nicht leicht, eine starke Marke zu entwickeln und einzuführen. Der Weg, der stetige Wandel in einer schnelllebigen Zeit, unter der notwendigen Berücksichtigung von Tradition und Herkunft, ist mehr als schwierig.

Klubs wie RB Leipzig haben es da natürlich viel einfacher: Mit einer klaren Spielidee, kurzen Entscheidungswegen, ohne Belastungen durch Tradition und Reglementierungen durch die Mitglieder ist den Leipzigern ein unglaublicher Durchmarsch gelungen. RB wird sich nachhaltig oben in der Tabelle festsetzen. Man kann das ablehnen, muss es auch nicht mögen, aber der Weg war konsequent. Und die Fans und Zuschauer kommen trotzdem ins Stadion.

Hertha ist Berlin, Hertha hat eine überragende Nachwuchsarbeit, tolle Fans und in den vergangenen Jahren auch wieder sportliche Erfolge. Die Sympathiewerte haben sich, zumindest in Fußballdeutschland, sehr positiv verändert. Dafür stehen vorrangig der erfolgreiche Fußball und Trainer Pal Dardai mit seiner Bodenständigkeit, Ehrlichkeit und Bescheidenheit. Eines ist klar: Die Menschen können sich damit identifizieren, wenn Dardai sagt: „Ich stehe für ehrliche Arbeit, aber auch mit unserer Nachwuchsarbeit für die Zukunft von Berlin.“ Wenn er sagen würde „We try, we fail, we win“ würde sich das hingegen ziemlich bescheuert anhören.

Klaus Brüggemann, seit 1995 Hertha-Mitglied, gehörte lange Zeit dem Präsidium und Aufsichtsrat des Klubs an. Er ist Sport- und Wellnessunternehmer und als Dozent für Sport- und Sportstättenmanagement an der Deutschen Hochschule DHfPG tätig.

Klaus Brüggemann

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