Lesergeschichten: Hertha-Fans: "Da ist ein besonderes Kribbeln“
Hertha an der Spitze: Sechs Berliner Fans beschreiben, was die Tabellenführung mit ihnen gemacht hat. Schreiben auch Sie Ihre ganz persönliche Hertha-Geschichte - als Leserkommentar unter diesen Text.
Der Veteran
1984 habe ich den „Anhängerclub Oberring Hertha BSC“ mitbegründet. Seit 1979 habe ich eine Dauerkarte und war schon bei mehr als 450 Auswärtsspielen dabei. Meine Erwartungen sind jetzt schon übertroffen. Mindestens die nächsten 14 Tage werden wir Tabellenführer sein, das kann uns niemand nehmen. Das fühlt sich unheimlich gut an. Schließlich sind wir ja nicht beim FC Bayern, der schon mehr als 500 Mal Erster war.
Auch wenn Hertha nicht Meister wird, war es eine klasse Saison. Die letzten Jahre habe ich oft gehofft, dass Hertha BSC so schnell wie möglich 40 Punkte kriegt, damit wir nicht absteigen. Und jetzt an der Tabellenspitze – das ist doch Wahnsinn.
Ältere Hertha-Fans fahren jetzt noch häufiger zu Auswärtsspielen mit. Ich gehe derzeit mit stolzgeschwellter Brust durch die Stadt und genieße die positive Stimmung. Die Atmosphäre in Berlin erinnert mich an die Weltmeisterschaft 2006, egal ob auf der Straße, beim Metzger oder Bäcker. Oft sprechen mich die Leute auf Hertha an, da ich immer etwas trage, das mich als Hertha-Fan kenntlich macht, ein T-Shirt oder eine Mütze.
Helmut Friberg, 53
Der Polizist
Als Polizeibeamter bin ich in der glücklichen Lage, meinen Beruf mit meinem Hobby zu verknüpfen. Oft sorge ich mit meinen Kollegen im Olympiastadion für Ordnung. So sehe ich um die 70 Prozent aller Hertha-Heimspiele, die Hälfte dienstlich. Gleichzeitig bin ich der Vorsitzende der „Herthacops“, eines Hertha-Fanklubs, dessen Mitglieder zum großen Teil Polizisten sind.
Dienstlich ist mir in letzter Zeit im Stadion aufgefallen, dass es viel weniger gewaltbereite Anhänger gibt. Der Erfolg der Hertha scheint mehr friedliche, echte Fans anzulocken. Natürlich hoffe ich auf die Meisterschaft, glaube aber, dass gegen schwächere Mannschaften Punkte verloren gehen können.
Lars Bernau, 43
Die Blinde
Der Platz unseres Fanklubs „Sehbären“, in dem sich blinde, sehbehinderte und sehende Herthaner treffen, ist direkt neben dem Fanblock in der Ostkurve. Da bekommen wir die Atmosphäre richtig gut mit. Die Stimmung bei den letzten Heimspielen war irre, alles feiert! Auch als Blinde spüre ich sehr gut, dass im Moment mehr Leute im Stadion sind. Das merke ich sofort, da ist ein besonderes Kribbeln.
Unsere Spielkommentatoren, die uns per Kopfhörer über das Geschehen informieren, sind ziemlich neutral. Aber bei Toren für Hertha gehen sie durch die Decke. Aber da höre ich meist schon gar nicht mehr hin. Ich merke an der Reaktion der Zuschauer, wenn sich eine Chance für Hertha anbahnt. Dann springe ich von meinem Sitz auf – selbst wenn ich dadurch auch nichts sehe. Wenn der Jubel dann losbricht, kann ich den Kommentar im Kopfhörer sowieso nicht mehr verstehen.
Nach dem Sieg gegen Leverkusen bin ich noch eine halbe Stunde im Stadion geblieben und habe verfolgt, wie die Spieler vor der Kurve mit den Fans feiern. Was da abgeht, muss man gar nicht sehen. Das spürt man.
Susanne Klausing, 40
Der Exil-Herthaner
Es gibt hier in Süddeutschland viel mehr Hertha-Fans, als man denkt. Bis runter ins Allgäu, rüber in den Bayerischen Wald und in die Schweiz hinein. Diese Herthaner bringen wir seit ein paar Jahren in der „Fangemeinschaft Süddeutschland“ zusammen. Jetzt, da die Mannschaft so gut spielt, fahren viel mehr Leute von hier aus zu den Heim- und Auswärtsspielen, die Euphorie ist groß.
Auch mein Weg ist ziemlich weit: Ich wohne in Göppingen, zwischen Stuttgart und Ulm. Herthas Auswärtsspiele beim VfB, in Hoffenheim und am letzten Spieltag in Karlsruhe habe ich schon fest eingeplant.
Roger Härig, 44
Der Simunic-Fan
Als Josip Simunic noch gar nicht Stammspieler bei Hertha war, ist er mir und ein paar Freunden im Stadion aufgefallen. Beim Aufwärmen hat er immer Mätzchen mit dem Ball gemacht, für einen Innenverteidiger hat er technisch ja eine Menge drauf. Das hat uns so gut gefallen, dass wir 2001 ihm zu Ehren den Fanklub „In Joe we trust“ gegründet haben. Er hat unser Vertrauen nicht enttäuscht, wie man jetzt sieht.
Ich finde es auch gut, dass Joe so offensiv von der Meisterschaft als Ziel gesprochen hat – bei Hertha bremsen sie ja sonst eher. Ich glaube, dass Joe selbst an den Titel glaubt. Und wir glauben an ihn.
Nils Höfert, 26
Der Analytiker
Als die Hertha 2004 gegen den Abstieg gespielt hat, habe ich mir eine Hertha-Fahne gekauft. Jetzt hängt die wieder auf meinem Balkon. Zwischenzeitlich hatte ich sie während der WM 2006 durch die Deutschland-Fahne ersetzt. Ins Stadion gehe ich mit meinem fünfjährigen Sohn. Durch meinen älteren Bruder bin ich Hertha-Fan geworden, als die Mannschaft 1979 im Uefa-Cup gegen Belgrad gespielt hat.
Im Moment interessiert mich vor allem, wie über Hertha in den Medien berichtet wird. Schön zu sehen, dass sogar der Sportteil überregionaler Zeitungen mit Hertha-BSC-Texten beginnt. Normalerweise fangen die ja meistens mit dem FC Bayern an. Ich bin zwar ein sehr emotionaler, aber trotzdem analytischer Fan. Hertha hat meiner Meinung nach jetzt schon gewonnen, egal wie die Saison endet.
Kaya Yildirim, 38
Texte aufgezeichnet von Hüseyin Ince und Lars Spannagel
Schreiben auch Sie Ihre ganz persönliche Hertha-Geschichte - als Leserkommentar etwas weiter unten auf dieser Internet-Seite.