Vor der Reise nach Mönchengladbach: Hertha BSC: Neues Spiel, neues Geschick
Im Hinspiel gegen Borussia Mönchengladbach war Hertha BSC noch chancenlos. Vor dem erneuten Aufeinandertreffen am haben sich die Berliner den Großen der Liga angenähert.
Das Spiel liegt mittlerweile ein halbes Jahr zurück, aber die Erinnerungen sind noch immer präsent. Es sind, soviel vorweg, keine sonderlich schönen Erinnerungen an diesen 31. Oktober, jedenfalls aus Berliner Sicht. War ja auch eine ziemliche Abreibung, die Hertha BSC damals kassiert hat beim 1:4 gegen Borussia Mönchengladbach. Für Berlins führendes Fußball-Unternehmen ist es bis heute nicht nur das einzige Spiel in der laufenden Saison, in dem der Ball vier Mal im eigenen Netz landete, sondern zugleich die einzige Heimniederlage 2015/16. Im Gedächtnis geblieben ist das Duell bei den Beteiligten allerdings wegen eines anderen Alleinstellungsmerkmals. „Weil wir überhaupt keine Chance hatten“, sagt Herthas Innenverteidiger Sebastian Langkamp, „das war in den anderen Spielen nie so“. Nicht mal gegen die Branchenführer aus München oder Dortmund. Manager Michael Preetz erhob die Gladbacher sogleich zum bis dato besten Team, das in dieser Spielzeit seine Visitenkarte im Olympiastadion abgegeben hatte.
"Kurs auf Königsklasse", steht auf der Vereinshomepage
Vor dem Rückspiel an diesem Sonntag (15.30 Uhr, Sky) hat sich die Tonlage nun weitestgehend geändert. Das heißt selbstverständlich nicht, dass sie bei Hertha den Respekt vor dem Gegner abgelegt hätten, im Gegenteil. Grundsätzlich überwiegt im Berliner Lager jedoch der berechtigte Glaube an die eigene Stärke. „Das Spiel bekommt eine andere Bedeutung, weil wir denken, dass wir uns im Vergleich zum Hinspiel in vielen Punkten weiterentwickelt haben“, sagt Preetz, „wir fahren jetzt mit einer ganz anderen Mannschaft nach Mönchengladbach.“ Und mit weitaus höheren Ambitionen, nämlich jenen, einen weiteren großen Schritt zur ersten Europapokalteilnahme seit sechs Jahren machen zu können. Selbst auf der Vereinshomepage haben sie die Zurückhaltung sieben Runden vor dem Ende langsam aufgegeben. „Kurs auf Königsklasse“ stand dort am Samstagvormittag geschrieben, daneben war ein Bild von Michael Preetz zu sehen, wohl gemerkt aus aktiven Zeiten. „Ich finde, wir dürfen dieses Selbstvertrauen auch haben“, sagt der Manager.
Der Trend jedenfalls spricht durchaus für die Berliner. Hertha hat den dritten Tabellenplatz jüngst mit vier Siegen aus den zurückliegenden fünf Begegnungen zementiert. Bei der Borussia dagegen ist es zuletzt nicht so gut gelaufen, im Speziellen gegen die Mitbewerber um die internationalen Plätze. Nach dem Erfolg im Olympiastadion haben die Gladbacher zwar noch den FC Bayern geschlagen, gegen die anderen direkten Konkurrenten aus Leverkusen, Dortmund, Mainz, Gelsenkirchen und Wolfsburg sammelten sie allerdings exakt null Punkte. In einer vom Fachmagazin „Kicker“ errechneten Tabelle, die ausschließlich die Ergebnisse der acht Top-Teams untereinander berücksichtigt, liegt Mönchengladbach knapp hinter Hertha BSC auf dem vorletzten Platz – eine interessante Statistik, zumal die Berliner gerade zu Saisonbeginn, als sich ihr positiver Wandel bereits abzeichnete, immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt waren, noch nicht stark genug für die Großen der Liga zu sein.
Gladbach ist die drittbeste Heimmannschaft - gemeinsam mit Hertha BSC
Nun ist der Gegenbeweis längst erbracht, aber das hält natürlich nicht von neuen Zielen ab. „Jetzt wollen wir zeigen, dass wir auch bei einem heimstarken Team punkten können“, sagt Langkamp. Im Verlauf der Saison haben nur die Bayern (36) und Dortmund (35) mehr Punkte im eigenen Stadion geholt als die Gladbacher (31), die sich Rang drei wiederum mit ihrem heutigen Gegner teilen. „Sie haben eine sehr gute Balance zwischen zwischen eigenem Ballbesitz und offensivem Umschaltspiel“, sagt Langkamp über den Gegner. „Deshalb brauchen wir selbst eine gute Ballzirkulation, um sie ein wenig aus dem Rhythmus zu bringen und Nadelstiche zu setzten“, ergänzt der Innenverteidiger, „viele Chancen werden wir wahrscheinlich nicht bekommen.“ Dabei fehlt der Borussia einer ihrer besten Offensivspieler: der ehemalige Berliner Raffael kann wegen eines Muskelfaserrisses nicht auflaufen.
Herthas Trainer Pal Dardai hat sich darüber erstaunlicherweise eher geärgert als gefreut, obwohl Raffael im Hinspiel einer der auffälligsten Gladbacher war und auch ein Tor erzielte. Auf die Frage, ob er sich wohler fühle, wenn der Brasilianer nicht spielt, sagte Dardai: „Ich will die komplette Mannschaft haben. Sie sollen den besten Tag haben, die beste Taktik. Ich will gegen das beste Gladbach spielen." Es fällt nicht schwer, auch diese Aussage als Ausdruck des gesteigerten Selbstvertrauens bei Hertha zu werten.