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Haltung zeigen. Jordan Torunarigha machte gegen Bremen ein starkes Spiel. Seine beste Szene hatte er in der Schlusssekunde, als er das sichere 0:1 verhinderte.
© Matthias Koch

Der Abwehrspieler empfiehlt sich: Hertha BSC: Jordan Torunarigha und die dritte Chance

Zweimal stand Jordan Torunarigha vor dem Sprung in die Startelf von Hertha BSC, zweimal klappte es nicht - aber vielleicht ist es jetzt so weit.

Florian Kohfeldt machte die Sache noch ein bisschen größer, als sie ohnehin schon gewesen war – vermutlich um das Versagen seines Spielers ein bisschen kleiner zu machen. „Jordan Torunarigha weiß wahrscheinlich selbst nicht, wie er das gemacht hat“, sagte der Trainer des SV Werder Bremen nach dem 0:0 seiner Mannschaft im Heimspiel gegen Hertha BSC. Torunarigha, der junge Innenverteidiger des Berliner Fußball-Bundesligisten, hatte in letzter Sekunde einen Schuss von Maximilian Eggestein aus fünf Metern kurz vor der Linie abgewehrt. In Wirklichkeit aber hatte er gar nichts gemacht: Er stand nur einfach da, genau auf halber Strecke zwischen dem linken und dem rechten Pfosten, und hielt seine linke Hüfte in die Flugbahn des Balles.

In Wirklichkeit hatte Florian Kohfeldt auch nicht „Jordan Torunarigha“ gesagt, sondern „der Herthaner“. Vielleicht war er nicht sicher, ob er den Namen richtig aussprechen würde. Werders Stadionsprecher hatte bei Torunarighas Einwechslung ein zusätzliches N in seinen Namen geschmuggelt. Vielleicht wusste Bremens Trainer auch einfach nicht, wer Torunarigha ist.

Man könnte es ihm nur bedingt vorhalten: Torunarigha, 20 Jahre alt, ist bisher nicht mehr als eine lokale Berühmtheit. In Berlin wissen sie seine Qualitäten sehr wohl zu schätzen, sie halten bei Hertha sehr viel von ihm und trauen ihm eine große Karriere zu. Sein überregionaler Bekanntheitsgrad aber ist noch überschaubar. Torunarigha hat in Bremen zum 14. Mal in der Bundesliga gespielt.

Am Ende der Vorsaison gehörte Torunarigha zur Startelf

Doch wenn er so weitermacht, dürften die gegnerischen Trainer seinen Namen schon sehr bald nicht nur kennen, sondern auch richtig aussprechen können. „Er war der beste Mann“, sagte Herthas Trainer Pal Dardai. Wenn man böse wäre, könnte man einwenden: Angesichts der Leistung seiner Kollegen war das auch nicht allzu schwer. Doch damit würde man dem jungen Verteidiger und seinem Auftritt nicht gerecht. Ja, Hertha war in Bremen ganz sicher nicht gut. „Wir sind nicht richtig anwesend gewesen, waren blockiert, verkrampft“, sagte Dardai. „Wenn so viele Spieler so eine schlechte Leistung bringen, müssen wir nachdenken, was los ist.“ Den Punktgewinn empfand er als glücklich, erst recht nach Eggesteins finaler Großchance. „Das darf nicht passieren. Gut, dass Jordan da war“, sagte Dardai. „Er ist jetzt unsere Nummer drei.“

Der Ungar meinte – scherzhaft natürlich – die Rolle als Ersatz des Ersatztorhüters. Denn die Nummer drei ist Torunarigha auch bisher schon gewesen: auf seiner eigentlichen Position als linker Innenverteidiger. Erste Wahl war Karim Rekik, den die Berliner im Sommer für vergleichsweise schmale 2,5 Millionen Euro aus Marseille verpflichtet haben. Und seitdem der Holländer verletzt fehlt, spielt der Routinier Fabian Lustenberger an dessen Stelle in der Viererkette.

Eigentlich wäre das genau Torunarighas Job gewesen, aber wegen seiner Roten Karte im letzten Vorrundenspiel in Leipzig stand er beim Rückrundenauftakt leider nicht zur Verfügung. Es war fast ein bisschen typisch für den bisherigen Verlauf seiner Karriere. Am Ende der Vorsaison schaffte es Torunarigha in den letzten vier Spielen immer in die Startelf, und durch den Weggang von John Anthony Brooks, ebenfalls Linksfuß, schien der Weg zum Stammspieler vorgezeichnet. Torunarigha trainierte schon vor dem Trainingsauftakt der Profis bei der U 23 mit, um gleich fit zu sein – und verletzte sich dann in der Vorbereitung. Rekik übernahm Brooks’ Position und machte es so gut, dass es für Dardai keine Veranlassung gab, etwas zu ändern.

Torunarigha könnte wieder ins die Startelf rutschen

Eine Mannschaft ist ein lebender Organismus, der sich stetig verändert. Auch Herthas Team sieht jetzt ganz anders aus, als man das vor der Saison vermutet hättet. Verletzungen, Formschwächen, Sperren – es gibt immer wieder äußere Faktoren, die das Gebilde verändern. Arne Maier hat sich mit damals noch 18 Jahren einen Stammplatz erkämpft, während Vladimir Darida, 27, eine der prägenden Figuren der vergangenen beiden Jahre, aktuell zuschauen muss. Davie Selke, 23, hat Kapitän Vedad Ibisevic, 33, als ersten Stürmer abgelöst. Aber vielleicht ändert sich das schon am Wochenende gegen Hoffenheim wieder. Dardai war von Selkes Auftritt gegen seinen Ex-Klub Werder alles andere als erbaut. „Nach vorne war es ganz dünn“, sagte Herthas Trainer. Selke hatte den Auftrag, die Position in der Spitze zu halten und sich als Anspielstation anzubieten, stattdessen ließ er sich fallen, um irgendwie ins Spiel zu finden. „Davie war irgendwie übermotiviert. Er wollte richtig gut aussehen, überall sein und etwas Besonderes zeigen.“

Das kann auch etwas mit dem Alter zu tun haben. Auch Torunarigha, für seinen Ehrgeiz bekannt, ist gegen solche Anwandlungen generell nicht gefeit, aber gegen Werder zeigte er eine reife, erwachsene Leistung. Kaum war er für den angeknockten Lustenberger auf dem Platz, gewann er seinen ersten Zweikampf, später entschied Torunarigha mehrere Laufduelle für sich. Auch dank seiner Schnelligkeit traute sich Hertha nach der Pause, offensiver zu verteidigen, wie es von Anfang an der Plan gewesen war.

Jordan Torunarigha bekommt jetzt doch noch die Chance, die ihm zu Saisonbeginn wegen seiner Verletzung und zum Rückrundenauftakt wegen seiner Sperre verwehrt geblieben ist. „Diese Woche wird er im Training beobachtet. Wenn er alles wunderbar macht, hat er eine Riesenchance, wieder reinzurutschen“, sagt Pal Dardai. „Es gibt auch so was wie Schicksal von oben.“

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