1:1 gegen den FC Bayern München: Hertha BSC ist der Sensation so nah
Hertha BSC führt bis in die Nachspielzeit der Nachspielzeit 1:0 gegen den FC Bayern – und kassiert dann doch den Ausgleich.
Das Spiel schwappt gerade durch die sechste Minute der Nachspielzeit. Dabei waren nur fünf angezeigt. Immer noch führt Hertha BSC durch ein Tor von Vedad Ibisevic. Die Sensation ist greifbar. Doch dann kriegt der wankende FC Bayern in der Nachspielzeit der Nachspielzeit einen Freistoß zugesprochen. Aus dem Gewühl heraus gelingt Robert Lewandowski in bester Bayern-Dusel-Manier irgendwie noch der Ausgleich zum 1:1 (1:0).
Die Berliner Spieler sinken zu Boden, schlagen sich die Hände vor die Gesichter. Sie wollen es nicht wahrhaben. Es ist für sie ein bitteres Ende einer bemerkenswerten Leistung voller Aufopferung und Leidenschaft. Der Schiedsrichter pfeift das Spiel nicht mehr an. Die Emotionen kühlen langsam runter. Dann gehen die Herthaner schließlich doch in die Kurve ihrer Fans und lassen sich feiern.
Gut 70 Minuten zuvor hatten die Fans in der Ostkurve schon einmal gefeiert. Ibisevic, der seit der gefühlten Ewigkeit von mehr als 700 Minuten auf ein Tor gewartet hatte, lenkte eine Freistoßflanke mit der Fußspitze ins Tor. Gegen den großen FC Bayern, gegen Welttorhüter Manuel Neuer, und das im ausverkauften Olympiastadion. Viel mehr geht nicht. Und so übersprang der 32 Jahre alte Stürmer die Werbebande und sprintete in die Fankurve. Auf der blauen Laufbahn angekommen, ging der Bosnier auf die Knie – mit in den Himmel gereckten Armen.
Immer wieder hat Pal Dardai seine Mannschaft danach angetrieben. Bis kurz vor Schluss lag sie noch vorn durch das eine Tor. Herthas Trainer ging dabei immer leicht in die Kniebeuge und klatschte mehrmals in seine Hände. Er wollte seine Spieler zugleich loben und ermutigen, weiter alles reinzuwerfen, um die Sensation wahr werden zu lassen. Denn die wäre es ja, wenn die Berliner, die seit Anfang Dezember durchhängen, den Tabellenführer der Bundesliga schlagen würden. Beim bisher letzten Heimsieg über die Bayern stand Dardai noch als Spieler auf dem Platz. Acht Jahre ist das jetzt her. „Wir sind ein wenig enttäuscht“, sagte er hinterher, ein Sieg wäre nicht unverdient gewesen. „Ein Punkt gegen die Bayern ist toll, aber es tut schon weh.“
Robert Lewandowski saß zunächst nur auf der Bayern-Bank
Dardai hatte in Per Skjelbred und Vladimir Darida zwei frische Spieler in die Startelf berufen, die alles zusammenliefen, was ging. Der Münchner Trainer Carlo Ancelotti gönnte im Vergleich zum 5:1 über den FC Arsenal drei Stammspielern eine Pause, darunter auch Lewandowski. Vor allem aber brachten die Münchner nicht jene Form auf den Berliner Rasen, die sie unter der Woche in der Champions League noch geboten hatten. Sie erspielen sich kaum nennenswerte Torchancen. Die fleißigen Berliner ließen es einfach nicht zu. Immer wieder liefen sie ihre Gegenspieler früh an, so nahmen sie den Bayern letztlich die Freude am Spiel. „Wir wussten, dass sie uns das Leben schwermachen würden, das ist ihnen auch gut gelungen“, sagte Manuel Neuer.
Die Berliner investierten mehr und gingen nach 20 Minuten verdient in Führung. Für Ibisevic war es nach zweieinhalb torlosen Monaten der neunte Saisontreffer. Doch würde dieses Tor reichen? Ancelotti schickte nach einer Stunde Lewandowski und Alonso für Kimmich und Arturo Vidal ins Rennen. Die Berliner blieben bis in die Schlussphase unverändert und ihrer Spielweise treu. Jeder rackerte für den anderen, und nach vorn ergaben sich immer mal wieder Kontergelegenheiten, die Hertha aber nicht nutzte.
Schließlich wurden die Bayern wilder. Rune Jarstein im Berliner Tor und seine Vorderleute bekamen mehr zu tun, doch gerade die Innenverteidiger John Anthony Brooks und Sebastian Langkamp blieben konzentriert und bis in die Nachspielzeit ohne Fehler. Die allerdings fiel länger aus als erwartet, und wurde dann auch noch einmal vom Schiedsrichter gedehnt. „Ich habe mich schon gewundert, warum er so lange nachspielen lässt“, sagte Plattenhardt auf dem Weg zum Duschen, „muss ich nicht verstehen.“
Pal Dardais erster Kommentar – in der Wallung des Spielausgangs – fiel etwas deftiger aus. Es könne jetzt jeder beleidigt sein, wenn er das sage, „aber das ist Bayern-Bonus“. Und auch Dardais Gegenüber Carlo Ancelotti ließ sich von der aufgeladenen Stimmung anstecken. Er gab zu, den Berliner Fans nach dem Spiel den Mittelfinger gezeigt zu haben – angeblich, weil er vorher bespuckt worden war.