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Bereit zum Tunneln. Berlins Mitchell Weiser (rechts) kann nach seiner Verletzungspause nun am Samstag im Heimspiel gegen Werder Bremen wieder spielen. Im Training übte er deshalb schon mit Fitness-Trainer Hendrik Vieth seine Dribblings.
© imago/Metodi Popow

Vor dem Spiel gegen Werder: Hertha BSC: Frische Konkurrenzen

Herthas Verletzte kehren zurück – das gibt Trainer Pal Dardai neue Varianten, birgt aber Konfliktpotenzial. Gegen Werder steht nun auch Vladimir Darida bereit.

Für die Reisegruppe aus Südostasien war es gar nicht so leicht, angesichts der Betriebsamkeit auf dem Schenckendorffplatz die Übersicht zu behalten. Dabei verfügten die Jugendlichen von der Deutschen Fußball-Akademie Singapur, die unter der Woche das Training von Hertha BSC beobachteten, über erstaunliches Bundesliga-Wissen; sie erkannten jeden Spieler des Tabellendritten. Der Mann mit der tief ins Gesicht gezogenen Mütze und dem unverwechselbaren Grinsen? „Salomon Kalou“, sagte einer, „das ist ihr Torjäger“. Der Lange, der so schön grätschen und köpfen kann? Klarer Fall, muss Sebastian Langkamp sein, der Abwehrchef. So ging das immer weiter. Nur bei einem Spieler hatten die Besucher Probleme mit der Identifikation. Hatte der nicht am Vortag gefehlt? Wie war sein Name noch gleich?

Sein Name ist Mitchell Weiser, und der vielleicht auffälligste Spieler in einer ohnehin auffällig erfolgreichen Berliner Mannschaft steht nach auskurierter Oberschenkelverletzung beispielhaft für die Situation bei Hertha BSC. Auf der Zielgeraden des Kalenderjahres werden sich für Trainer Pal Dardai in den nächsten Wochen ganz neue Möglichkeiten ergeben, weil der Ungar allmählich mehr und mehr Namen von seiner Verletztenliste streichen kann. Darunter auch einen, der vor dem Saisonstart als unersetzlich galt: Vladimir Darida. Im Gegensatz zu Weiser erscheint der Einsatz des tschechischen Nationalspielers im Heimspiel gegen Werder Bremen an diesem Samstag (18.30 Uhr, Olympia-Stadion) zwar eher unwahrscheinlich, zumindest in der Startformation. Grundsätzlich wird Dardai aber in absehbarer Zeit jenen Kader zusammenhaben, mit dem er geplant hatte, ehe all die Verletzungen und Ausfälle dazwischengekommen sind. John Anthony Brooks, Salomon Kalou, Fabian Lustenberger oder eben Weiser und Darida, um nur einige zu nennen.

Die Spieler sind von ihrer individuellen Qualität enger zusammengerückt

Wie hoch die Anforderungen an einen Stammspieler in Dardais erster Mannschaft sind, hat auch Darida längst registriert. „Die Jungs spielen sehr gut. Es ist wirklich schwierig, in die erste Elf reinzukommen“, sagt der 26-Jährige. „Aber ich bin kein egoistischer oder arroganter Spieler, der sagt: Ich muss von Anfang an spielen.“ Mit dieser Einstellung fügt sich Darida der kollektiven Haltung, die im Team herrscht und – gemessen an der Ellbogen-Gesellschaft Fußball-Bundesliga – offenbar kaum persönliche Befindlichkeiten kennt. „Die Spieler, die ausgewechselt werden, kommen schnell runter“, sagt Dardai und schlussfolgert daraus: „Da sieht man: Keiner ist beleidigt, wenn er raus muss.“

Dass die Stimmung in der Mannschaft mindestens so gut ist wie die sportliche Lage, war auch diese Woche wieder im Training zu beobachten. Julian Schieber etwa bejubelte am Mittwoch ein banales Abstauber-Tor wie einen erfolgreichen Fallrückzieher, und alle Kollegen beglückwünschten den Stürmer, obwohl das natürlich nicht ganz ernst gemeint war.

Noch wichtiger ist den Verantwortlichen im Verein allerdings die Gewissheit, dass die Profis von ihren individuellen Qualitäten enger zusammengerückt sind, dass sich das Niveau in der Breite angepasst hat – und das ist ausdrücklich positiv gemeint. „Es gibt nie einen Leistungsabfall, wenn wir wechseln“, sagt Innenverteidiger Sebastian Langkamp. „Wir haben 14, 16 richtig gute, fitte Spieler“, sagt Dardai, „dadurch können wir mehr variieren und uns von außen einmischen.“ Der Trainer führt diesen Umstand vor allem auf die Fortschritte im taktischen Bereich zurück, die Hertha BSC in seinem zweiten kompletten Jahr als Verantwortlicher eines Bundesligisten gemacht hat.

Hertha sind in dieser Saison bereits fünf Joker-Tore gelungen

„Einer geht raus, einer kommt rein: Trotzdem siehst du die gleiche Ballzirkulation, unseren sogenannten Stil“, sagt Dardai. „Jeder Spieler kennt seine Aufgabe, das ist unsere Stärke.“ Es schlägt sich auch im Zahlenwerk nieder: In 13 Spielen sind Hertha BSC in dieser Saison bereits fünf Joker-Tore gelungen, so viele wie sonst nur in den Spielzeiten 2000/01 und 2003/04. In der Bundesliga kommt lediglich Tabellenführer RB Leipzig auf noch mehr (sechs). „Am Ende einer Saison gewinnst du einen guten Tabellenplatz nicht mit der ersten Mannschaft, sondern mit der gesamten“, sagt Dardai. „Oft ist die B-Mannschaft wichtiger als die A-Mannschaft.“ Noch so eine Lehre aus der Rückrunde der vergangenen Saison, in der die Berliner physisch und später emotional einbrachen.

So schön die Momentaufnahme für Verein, Anhang und Trainer auch sein mag, so bleibt die naheliegende Frage, ob der erhöhte Konkurrenzkampf nicht irgendwann zwangsläufig zu atmosphärischen Verwerfungen führen kann und wird, sofern tatsächlich alle wieder einsatzbereit sind. „Ich glaube nicht, für uns im Trainerstab wird es doch dadurch eher einfacher“, sagt Dardai. „Wer mich kennt, der weiß genau, dass ich kein Problem damit habe, Entscheidungen zu treffen.“

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