Transferpolitik: Hertha BSC: Alles, nur nicht teuer
Trotz Europa: Hertha BSC wird sich auch in diesem Sommer keine spektakulären Transfers leisten können.
Die letzte Arbeitswoche der Saison 2016/17 ist für Pal Dardai eine ziemlich angenehme. Um sich auf das Freundschaftsspiel am Freitag gegen Falkensee- Finkenkrug standesgemäß vorzubereiten, ist der Trainer von Hertha BSC am Montag mit seiner Mannschaft für vier Tage nach Ibiza geflogen. Manager Michael Preetz war auch mit an Bord. So weit die Gemeinsamkeiten zwischen Preetz und Dardai. Ab der kommenden Woche wird das dann anders aussehen. „Der eine macht Urlaub, und der andere arbeitet“, sagt Preetz, dem nach eigener Einschätzung „drei lange Monate“ bevorstehen.
In drei Monaten, am 18. August, geht die neue Saison der Fußball-Bundesliga los. Offiziell. Inoffziell hat die Spielzeit längst begonnen. Nur dass derzeit nicht auf dem Rasen gespielt wird, sondern auf dem Transfermarkt. Und alles, was bisher passiert ist, war nicht mehr als Vorgeplänkel. Die wichtigen Entscheidungen werden wohl erst in der zweiten Hälfte des Sommers fallen – wahrscheinlich auch bei Hertha BSC. „Es gibt noch viele offene Fragen“, sagt Michael Preetz. „Wenn die ganz großen Dinge ins Rollen kommen, wird das Auswirkungen bis ganz unten haben.“ Ein Verein wie Hertha BSC steht eben am unteren Ende der Nahrungskette.
Eine gewisse Aufregung im Markt ist schon jetzt zu spüren. Eintracht Frankfurt hat vor einem Jahr insgesamt rund 2,5 Millionen Euro für ein Dutzend neue Spieler ausgegeben. In der vorigen Woche vermeldete der Klub dann die Verpflichtung des französischen U-21-Nationalstürmers Sebastien Haller, der nach konservativen Schätzungen allein sechs Millionen Euro kosten soll. Es ist ein erstes Indiz dafür, was diesen Sommer passieren wird.
Das liegt nicht zuletzt am neuen Fernsehvertrag der Bundesliga. Alle 18 Klubs werden deutlich mehr Geld zur Verfügung haben als in der Vergangenheit. Hertha etwa nimmt 54 Millionen Euro ein, 24 Millionen mehr als vor einem Jahr. Dazu haben Platz sechs in der Abschlusstabelle und die Aussicht auf die Teilnahme an der Europa League im Umfeld Ansprüche und Hoffnungen geweckt. Hoffnungen, die allerdings nicht immer realistisch sind. Michael Preetz will zwar nicht sagen, wie viel Geld ihm in diesem Sommer zur Verfügung steht, spektakulär teure Transfers aber sind bei Hertha wieder nicht zu erwarten. „Die Preise im Markt bewegen sich nur in eine Richtung“, sagt Herthas Manager – nach oben. Und das meiste Geld lande erfahrungsgemäß eh bei den Spielern. Für einen Klub wie Hertha sei es daher weiterhin wahnsinnig schwierig, auf diesem Markt zu agieren.
Dadurch, dass die Mannschaft am letzten Spieltag noch auf Platz sechs zurückgefallen ist, muss Hertha nun noch eine Woche warten, um zu wissen, ob der Klub sicher mit der Gruppenphase der Europa League planen kann oder noch zwei Qualifikationsrunden überstehen muss. Den irren Unterschied mache das nicht aus, sagt Preetz. Die Differenz hat er auf zweieinhalb Millionen Euro beziffert – so hoch ist das Startgeld für die Europa League.
Die Möglichkeiten sind begrenzt
So oder so: Hertha wird sich auf dem Markt nicht wie Graf Protz bewegen können. Die Möglichkeiten sind auch in dieser Saison wieder begrenzt. „Das hat viel damit zu tun, dass wir das Geld anders verplant haben“, erklärt Preetz. Hertha hat zuletzt die Verträge fast aller Leistungsträger verlängert. Finanziell gesehen waren diese Verlängerungen schon so etwas wie ein vorweggenommener Transfer.
„Für uns geht es nach wie vor darum, Spieler zu finden, in denen wir Dinge sehen, die andere nicht sehen“, sagt Preetz. So bemüht sich Hertha, den vom FC Liverpool ausgeliehenen Allan eine weitere Saison in Berlin zu halten. Die Chancen stehen gut: Zum einen erfüllt der 20-Jährige noch immer nicht die Kriterien, um eine Arbeitsgenehmigung für die Premier League zu erhalten; zum anderen sind sie in Liverpool laut Preetz mit der Entwicklung des Brasilianers sehr zufrieden.
Herthas Ziel in der anstehenden Transferperiode ist es, sich sowohl in der Breite als auch in der Spitze zu verbessern. Preetz weiß, dass das „echt ambitioniert“ ist. Inzwischen ist durchgesickert, dass die Berliner einen Außenverteidiger suchen, einen offensiven Mittelfeldspieler und einen Stürmer. Der erste Zugang heißt Mathew Leckie. Der australische Nationalspieler, 26, kommt vom Absteiger FC Ingolstadt und soll drei Millionen Euro kosten. Leckie kann auf beiden Außenbahnen spielen, er ist schnell, aber wenig torgefährlich (null Saisontore). Das prädestiniert ihn als Ersatz für Genki Haraguchi (zwei Tore), dessen Vertrag (bis 2018) wohl nicht verlängert wird. Auch Valentin Stocker dürfte Berlin verlassen. Dass er in den letzten beiden Saisonspielen nicht im Kader stand, war ein recht deutlicher Hinweis darauf, dass bei Hertha nicht mehr mit ihm geplant wird.
Daneben besteht immer auch die Gefahr, dass andere Klubs an Spielern baggern, die Hertha nicht zwingend abgeben möchte. Vor einem Jahr hat sich der Verein bewusst dafür entschieden, solche Offerten abblitzen zu lassen, „um eine weitere stabile Saison zu spielen“, wie Preetz sagt. Aber generell weiß er, dass Hertha auch darauf angewiesen ist, Spieler teuer zu verkaufen. Am Montag kam das Gerücht auf, der FC Bayern München sei an Marvin Plattenhardt interessiert, was von Hertha umgehend dementiert wurde. Trotzdem erwartet Preetz, dass einige Spieler das Interesse anderer Klubs wecken könnten. „Ein Anruf verändert möglicherweise die Welt“, sagt er.
Und möglicherweise würde er Hertha zusätzliches Geld verschaffen, mit dem der Kader für das Abenteuer Europapokal verstärkt werden könnte. Preetz spricht angesichts der Doppelbelastung von einer großen Herausforderung, zumal sich der Klub keinen 35-Mann-Kader wird leisten können. „Deshalb müssen wir uns dezidiert Gedanken machen, wie wir die Belastung steuern“, sagt Preetz. Schon jetzt ist klar, dass die jungen Spieler verstärkt zum Einsatz kommen sollen. Dazu passt die Meldung, dass Hertha Julius Kade am Samstag per Option zum Profi gemacht hat. An diesem Tag hat er seinen 18. Geburtstag gefeiert.