Trainingslager: Hertha besiegt Neuruppin mit 9:1
Die Berliner schlagen ihre Gastgeber im Trainingslager in Neuruppin. In dem beschaulichen Städtchen steht Buckeln statt Idylle auf dem Plan.
Wenn die Profis von Hertha BSC in den nächsten Tagen die Balkone ihres Mannschaftshotels betreten, bietet sich ihnen ein malerischer Blick. Der Ruppiner See ist zwar nicht der sauberste im Landkreis Ostprignitz-Ruppin im Norden Brandenburgs, aber für eine schnelle Erfrischung allemal okay. Unweit der Unterkunft, ganz am Ende der Uferpromenade, liegt eine nette Kneipe mit über 50 Biersorten aus aller Welt im Sortiment. Von dort aus kann man wunderbar den Blick auf den Parzival schweifen lassen, eine 17 Meter hohe Metallskulptur eines lokalen Künstlers. Keine zehn Fußminuten weiter, sozusagen in Downtown Neuruppin, gibt es zudem eine Eisdiele, die von den Lesern des „ZEIT“-Magazins zu den 50 besten im ganzen Land gewählt wurde. Und wer selbst damit nichts anfangen kann und eher kulturell als kulinarisch interessiert ist, dem sei ein Besuch am Denkmal für den berühmtesten Sohn der Stadt empfohlen, den Schriftsteller Theodor Fontane. Es gibt sicher schlechtere Aussichten für ein paar schöne Sommertage im Brandenburgischen.
Die Sache ist nur: Von all diesen netten Orten werden die Profis von Hertha BSC nicht allzu viel zu sehen bekommen in den nächsten sieben Tagen. Für eine Wanderung durch die Mark Brandenburg, wie sie Fontane einst unternahm, bleibt nicht mal ansatzweise Zeit. „Heute war alles noch Spaß, aber die harte Zeit wird kommen, garantiert“, hat Pal Dardai, der Trainer des Fußball-Bundesligisten, zum Auftakt in die Saisonvorbereitung mit Blick auf die beiden Trainingslager in Neuruppin und Schladming (4. bis 11. August) gesagt. Es ist keine gewagte Prognose, dass die Profis eher mit der Eistonne Vorlieb nehmen werden als mit besagter Eisdiele. Dardai jedenfalls hat ein straffes athletisches Programm angekündigt.
Insgesamt umfasst der Berliner Tross in Neuruppin 33 Spieler - so viele wie nie zuvor in einem Trainingslager unter Dardais Verantwortung. Neben den Neuzugängen Lukas Klünter (vormals 1. FC Köln), Javairo Dilrosun (Manchester City) und Pascal Köpke (Erzgebirge Aue) gehören dazu auch die Eigengewächse Dennis Jastrzembski, Maxim Pronichev und Muhammed Kiprit, die kürzlich ihre ersten Profiverträge unterschrieben haben. Darüber hinaus haben sich zwei Perspektivspieler bis auf Weiteres Plätze im Mannschaftsbus gesichert: Florian Krebs und Nikos Zografakis. Selbst Sinan Kurt, in der vergangenen Saison mehrfach öffentlich angezählt und schließlich in die U23 strafversetzt, erhält eine neue Chance und darf sich präsentieren. Einzig Herthas WM-Fahrer, der australische Nationalspieler Mathew Leckie und Marvin Plattenhardt, sind nach ihren Einsätzen in Russland noch ein paar Tage vom Pflichtprogramm befreit.
Wie anspruchsvoll die Aufgabe für Coach Dardai ist, alle Teilnehmer der Reisegruppe einzusetzen, zeigte sich bereits am Donnerstagabend im ersten Testspiel gegen den Brandenburgligisten MSV Neuruppin. Beim 9:1 (5:0)-Sieg des Bundesligisten (Tore von Köpke, Maier, Duda/2, Stark, Dardai, Pronichevs/2, Kade) kamen trotz maximaler Rotation nicht alle Spieler auf Einsatzminuten. Dardai tauschte nach einer Stunde alle zehn Feldspieler, zur Pause hatte er bereits Torhüter Jonathan Klinsmann durch Dennis Smarsch ersetzt. Überhaupt wird es für den Trainerstab im ersten Trainingslager darum gehen, den Kader auf eine alltagstaugliche, moderierbare Größe zusammenzuschrumpfen.
Positiv aus Berliner Sicht ist, dass die zum Trainingsstart erhobenen Fitness- und Belastbarkeitswerte so gut ausgefallen sind, dass der Bundesligist im Ausdauerbereich bereits weiter ist als zu diesem Zeitpunkt der Vorbereitung üblich. Offenbar haben die Profis in der Sommerpause auf ihre Körper geachtet und so gut gearbeitet, dass der Fahrplan für Neuruppin kurzfristig modifiziert wurde: In der tagtäglichen Vormittagseinheit wird vor allem Athletik-Trainer Henrik Kuchno mit den Profis arbeiten, in der Nachmittagseinheit sollen taktische Belange im Vordergrund stehen. Dem Vernehmen nach will Dardai ein zweites System neben dem seit Jahren bewährten 4-2-3-1 einstudieren lassen.
Neuruppin gilt gemeinhin als die vielleicht preußischste aller preußischen Städte - und es ist sicher nicht übertrieben zu behaupten, dass Pal Dardai von seinen 33 Spielern in dieser Woche vor allem Disziplin, Pflichtbewusstsein und Fleiß sehen will. Also sehr preußische Tugenden.