Vor Spitzenspiel in der Oberliga: Hertha-03-Stürmer Sebastian Huke: Bloß nicht auswechseln!
Sebastian Huke hat bei Hertha 03 eine famose Torquote – auch weil er der Profi-Karriere, die ihm bei Hertha BSC blühte, nicht nachtrauert.
Die Saison ist noch keine 90 Minuten alt, doch für Hertha 03 sieht es schon unerfreulich aus – 1:2 gegen Hansa Rostock II. Kurz vor Schluss gelangt der Ball zu Sebastian Huke. Er nimmt ihn vor dem Fünfmeterraum an und trifft im Fallen: Ausgleich. Der Start unter dem neuen Trainer Markus Schatte ist halbwegs gerettet. „Ich wusste, dass ich dich nicht auswechseln darf. Du bist immer für ein Tor gut“, sagt Schatte danach zu Huke.
Das war Anfang August, Hochsommer. Jetzt ist Ende Oktober, Herbst. Schattes Worte stehen weiterhin. Huke hat alle zehn Spiele in der Fußball-Oberliga Nordost komplett bestritten. Sein Arbeitsnachweis: 15 Tore, sechs davon in der letzten Viertelstunde. „Wenn man die 15 Tore hochrechnet…“, sagt Schatte – und bricht ab. Der zweite Teil des Satzes ginge so: Dann stünde der Stürmer am Ende bei 45. Huke lacht bei dieser Vorstellung. „Eine solche Serie halte ich für unwahrscheinlich.“ Derzeit laufe es sensationell, „für die Mannschaft und für mich“. Zuletzt gewann Zehlendorf 6:1 gegen Altlüdersdorf, mit fünf Toren von Huke, und 6:0 gegen Stendal, mit drei Toren von Huke. An diesem Freitag tritt der Tabellenvierte im Spitzenspiel beim Favoriten Tennis Borussia an (19.30 Uhr, Mommsenstadion).
Viele Tore, dafür stand Huke immer. Bei den ersten Vereinen in der Thüringer Heimat, später im Nachwuchs von Rot-Weiß Erfurt und Hertha BSC. Da reichten ihm zwölf Einsätze in der B-Jugend für 18 Treffer. 2005 holte er die deutsche Meisterschaft, zusammen mit Jerome Boateng. 2:0 gewann Hertha gegen Hansa Rostock mit Toni Kroos, Huke schoss das zweite Tor. Er spielte auch in mehreren Nachwuchsnationalteams.
Huke trainierte bei Hertha BSC unter Lucien Favre mit
„Du wirst Profi, haben mir viele gesagt“, erzählt der 29-Jährige im Rückblick. Er hat es gern geglaubt. Das ist an sich nicht schlimm. Problematischer war eine andere Sache. „Ich habe mich ein bisschen hängen lassen. Ich dachte, es kommt alles von allein. Es ging ja immer nur bergauf.“ Irgendwann nicht mehr. Bei Lucien Favre, damals Trainer der Hertha-Profis, durfte er einmal die Woche mittrainieren. Zu mehr reichte es nicht. Dazu kamen Probleme mit der Hüfte. 2009 verließ er den Klub ohne ein Bundesligaspiel.
Die nächsten Stationen hießen SV Wilhelmshaven, Sportfreunde Siegen und VfL Wolfsburg II. Vierte und fünfte Liga. Nicht das, was ihm vorhergesagt worden war. 2011 schaffte er es in die Dritte Liga zu Carl Zeiss Jena. Abstiegskampf zwar, aber vor vielen Tausend Zuschauern. Hukes Gedanken damals: „Das ist Fußball. Dafür lohnt es sich zu ackern.“ Jena stieg ab, Huke verletzte sich an der Leiste. Mit 23 Jahren kam ihm endgültig eine Erkenntnis: „Für ganz oben reicht es nicht.“ Umgeworfen hat ihn das nicht. Er begann in Potsdam eine Ausbildung bei der Sparkasse. Seit diesem Sommer ist er Geschäftsstellenleiter. Fußball spielte er weiter, versuchte es bei Optik Rathenow und Viktoria 89 erneut in der Regionalliga. Doch der zeitliche Aufwand neben dem Beruf war zu groß.
24 Tore dürfte er in absehbarer Zeit erreichen
Also spielte er wieder in der Oberliga, zwei Jahre Tennis Borussia, „zwei tolle Jahre“, sagt Huke. Mit unerfreulichem Ende. Nach 43 Liga-Toren in 55 Einsätzen erfährt er, dass der Verein Hochkaräter holen wolle. „Ich sollte Stürmer Nummer drei oder vier sein“, sagt er. Manch TeBe-Fan ist angesichts dieser Entscheidung immer noch fassungslos. Huke zog 2017 weiter nach Zehlendorf. Inzwischen hat er acht Kilogramm abgenommen: mehr Fitness, noch mehr Torgefahr. Die 24 Tore aus der Vorsaison dürfte er in absehbarer Zeit erreichen. „Er ist kaum auszurechnen, steht immer richtig, hat eine gute Technik im Abschluss“, sagt Trainer Schatte. Zusammengefasst: „Für die Oberliga ist das außergewöhnlich.“
Ist Huke mit knapp 30 Jahren nach langer Reise angekommen? „Ich habe nicht vor, Hertha 03 zu verlassen“, sagt er. Darüber nachdenken, was für ihn, der auf einer Ebene mit Jerome Boateng, Toni Kroos oder Holger Badstuber spielte, möglich gewesen wäre, tut er nicht mehr. „Das würde doch nichts bringen. Ich habe es nicht in die Bundesliga geschafft, okay. Aber ich habe Spaß am Fußball und Spaß am Job. Dafür bin ich dankbar.“ Die Prioritäten haben sich verschoben, der Ehrgeiz ist geblieben. „Ich bin geil auf Tore“, sagt Huke. Selbst wenn er fünf geschossen hat, wird er nicht gern vorzeitig ausgewechselt. Er wählt dafür eine nette Umschreibung: „Dann bin ich auf eine gute Art sauer.“ Die Gefahr, dass er dies sein muss, ist allerdings momentan sehr gering.
Sebastian Schlichting