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Sensibel, filigran und erfolgreich. Henrich Mchitarjan, Borussia Dortmunds Künstler aus Armenien.
© dpa

Borussia Dortmund gegen FC Liverpool: Henrich Mchitarjan - der Unersetzliche

Beinahe hätte Henrich Mchitarjan Borussia Dortmund verlassen, nun ist der Armenier aufgeblüht - und ein Hoffnungsträger im Duell mit dem FC Liverpool.

Seit Sonntag wird in Dortmund heftig darüber debattiert, ob es statthaft ist, wenn ein Trainer ausgerechnet beim Revier-Klassiker auf Schalke seine zweite Garde auf das Feld schickt. Weidenfeller, Gündogan, Mchitarjan, Reus, Aubameyang, Piszczek, Castro – eine solch exquisit besetzte Bank dürfte es in der Geschichte von Borussia Dortmund noch nicht gegeben haben.

Darf Thomas Tuchel dermaßen brachial rotieren? Sicherlich haben Fans da eine eigene Werteskala, aber wer die Emotionen außen vor lässt, gelangt schnell zu der Überzeugung: Er darf.

Irgendwann, so die berechtigte Befürchtung von Tuchel und seinem Trainerteam, wird seine Mannschaft, die den hohen Anforderungen bislang erstaunlich robust getrotzt hat, Wirkung zeigen. Wenn es am Donnerstag (21.05 Uhr, live bei Sport1 und auf Sky) im Europa-League-Viertelfinale nach dem 1:1 im Hinspiel zum zweiten Duell mit dem FC Liverpool kommt, kann Tuchel darauf keine Rücksicht nehmen. Er wird sein stärkstes Ensemble auf den Rasen schicken.

Unter anderem wird Henrich Mchitarjan an der Anfield Road auflaufen, der sich in dieser Saison in Dortmund mit etlichen Galaauftritten den Status „unersetzlich“ erspielte. Wettbewerbsübergreifend erzielte der Armenier 20 Tore und bereitete 24 vor. Nur Pierre-Emerick Aubameyang kommt beim BVB auf mehr Torbeteiligungen (46).

Mchitarjan und Tuchel verbindet eine innige Beziehung

Die Entwicklung von Mchitarjan ist sensationell, nur wenige haben ihm eine solche Leistungsexplosion zugetraut. Der Hochgelobte schien das personifizierte Unglück zu sein, mit erstaunlicher Sicherheit traf er die falsche Entscheidung, immer wieder versagten ihm vor dem Tor die Nerven. Von vielen wurden die 27,5 Millionen Euro Ablöse, die der BVB im Sommer 2013 für ihn an Schachtjor Donezk überwiesen hatte, bereits als Fehlinvestition verbucht.

Längst vorbei die Zeiten, in denen der 27-Jährige als hoffnungsloser Fall abgestempelt wurde. Bei Borussia Dortmund würden sie lieber heute als morgen den bis in das Jahr 2017 datierten Vertrag verlängern. Auch der Armenier scheint nicht abgeneigt, Probleme allerdings könnte sein Berater Mino Raiola machen, der seinen Schützling europaweit anbietet. Unter anderem sollen Juventus Turin und der FC Arsenal aus London reges Interesse bekundet haben.

Henrich Mchitarjan und Borussia Dortmund, sie fremdelten lange miteinander. Wer hätte gedacht, dass aus dieser Verbindung noch eine innige Liebesbeziehung wird? Es gilt im Ruhrgebiet als offenes Geheimnis, dass der Mittelfeldspieler Dortmund in der Endphase der Ära Klopp verlassen wollte. Weil er sich während der Talfahrt verantwortlich fühlte für alles, was misslang. Weil er ein Gefangener seiner Selbstzweifel war, von denen ihn niemand befreien konnte, und weil sein Verein einen Fußball spielte, der seinem Charakter nicht entsprach.

Während Klopp seine Mannschaft mit Vollgas auf den Gegner hetzte, um den Ball zu erobern, legt sein Nachfolger Wert auf Tugenden wie Ballbesitz und Geduld. „Als Tuchel kam, haben wir begonnen, eine andere Art von Fußball zu spielen“, sagt Mchitarjan: „Wir versuchen, den Ball zu halten, mehr zu passen und offensiver zu spielen.“

Das sind Attribute, die dem Spiel des ebenso filigranen wie sensiblen Armeniers zuträglicher sind. Mchitarjan lobt das Wirken seines neuen Trainers überschwänglich, die Zuneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Tuchel ist ein bekennender Fan des Fußballers und des Menschen Henrich Mchitarjan. „Seine Art spricht mich an. Ich mochte schon immer seine Ausstrahlung, er hat etwas sehr Sensibles“, sagte Dortmunds Trainer vor Saisonbeginn: „Wir haben schnell einen Draht zueinander gefunden.“ Wenn es am Donnerstag an der Anfield Road auch noch gelingt, Klopp und den FC Liverpool aus dem Wettbewerb zu werfen, dürfte die ohnehin schon so harmonische Liaison noch inniger werden.

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