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Die Party-Union. Fans und Spieler feierten lange nach Spielschluss vor der Einfahrt zum Stadion an der Alten Förster den Klassenerhalt. Mittenmang war auch Profi Christopher Trimmel (1. FC Union) im schwarzen Shirt.
© Matthias Koch

Union Berlin hält die Klasse: Helden sind sie alle

Der 1. FC Union feiert den vorzeitigen Klassenerhalt – und muss nun in der kommenden Saison weiter wachsen.

Auf der Tribüne sprangen sie alle gleichzeitig auf. Christopher Lenz in seinem pinken Kapuzenpulli, Michael Parensen in seinem zugeknöpften Polohemd, und Sebastian Polter mit seiner Union-Maske. Der Ball war drin, das Spiel stand 1:0, der Klassenerhalt war für den 1. FC Union Berlin zum Greifen nah.

Es war irgendwie passend, dass dieses entscheidende Tor ein Eigentor war und sich damit kein einzelner Spieler beim 1:0-Sieg gegen Paderborn zum Helden des Klassenerhalts krönte. Denn eigentlich waren sie alle Helden. Auch diejenigen, die am Dienstag nicht im Kader waren. Auf der Tribüne sorgten nämlich der alte Held Parensen, der pinke Held Lenz und der gefallene Held Polter zumindest für ein bisschen Stimmung in der ansonsten leeren Alten Försterei.

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„Es ist nicht in Worte zu fassen, was die Mannschaft in dieser Saison geleistet hat. Vor der Saison war es ein sehr großer Teil in Deutschland, der uns am Saisonende unter den letzten zwei Teams gesehen hat,“ sagte Christian Gentner am Sky-Mikrofon nach dem Spiel. Stattdessen hat sich Union zwei Spieltage vor Schluss aus eigener Kraft gerettet. Eine „Sensation“, wie Gentner empfand. Vor allem aber war es eine immense Mannschaftsleistung.

Dass Union in seiner ersten Bundesliga-Saison die Erwartungen derart übertreffen konnte, lag in erster Linie an seiner kollektive Stärke. Mit taktischer Flexibilität, mit Kampfgeist und mit Lauf- und Standardstärke kompensierte die Mannschaft von Trainer Urs Fischer individuelle und spielerische Defizite. „Die Mannschaft war heute unermüdlich. Das spricht für ihre Moral und ihre Solidarität“, sagte ein vor Stolz strahlender Fischer am Dienstagabend. „Wir hatten Höhen und Tiefen, ließen uns aber nicht unterkriegen und wurden auch nicht zu euphorisch, als es gut ging.“

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Euphorisch durfte man am Dienstag aber schon werden. Als Fischer sprach, war die Kiste Berliner Pilsener schon auf dem Weg in die Kabine. Mit „Bier und Abstand“ wolle man jetzt feiern, hatte der grinsende Kapitän Christopher Trimmel kurz zuvor angekündigt. Mit dem Bier klappte es ganz gut, mit dem Abstand eher nur halbwegs – auch, weil das teilweise nur schwer möglich war. Sowohl bei Vereinssprecher Christian Arbeit als auch bei Verteidiger Keven Schlotterbeck mussten Wetten eingelöst werden, und Köpfe lassen sich bekanntlich nicht aus 1,5-Meter-Entfernung rasieren.

Halbnackt und mit Bier in der Hand ließen sich die Spieler im Dunkeln besingen

Nach dem Haareschneiden ging es hinaus auf den Parkplatz, wo sich rund 100 Union-Fans am Stadioneingang versammelt hatten, um mit Feuerwerk und Fangesängen den Klassenerhalt zu feiern. Halbnackt und mit Bier in der Hand ließen sich die Spieler im Dunkeln besingen. Nur die Stadionordner sorgten noch für ein bisschen Abstand. „In den letzten Tagen habe ich mit der Mannschaft gesprochen und gesagt, dass es unsere Verpflichtung ist, den Fans eine zweite Saison in der Bundesliga zu geben, weil ihnen die erste ein bisschen genommen wurde“, sagte Vereinspräsident Dirk Zingler. In wirtschaftlich noch ungewissen Zeiten kann Zingler jetzt für diese zweite Saison schon planen.

Dabei könnte vieles in der kommenden Saison anders aussehen. Die Abgänge von Polter und Torwart Rafal Gikiewicz stehen schon fest, doch für viele andere ist die Zukunft noch völlig ungeklärt. Der ausgeliehene Schlotterbeck soll jetzt eigentlich zum SC Freiburg zurückkehren, und auch Parensen und Gentner haben nur noch bis zum Ende des Monats einen gültigen Vertrag. Die Helden von heute könnten morgen schon weg sein.

Um einzelne Helden kam es bei Union allerdings auch schon in den vergangenen Jahren selten an. Auch nach dem Aufstieg war der Kader weitgehend umgestaltet worden, aber die kollektiven Tugenden konnten trotz der neuen Gesichter aufrechterhalten werden. Solange das Führungsduo Urs Fischer und Manager Oliver Ruhnert bei Union ist, gibt es gute Gründe zu glauben, dass es in der kommenden Saison ähnlich laufen könnte.

„In jeder Abteilung gibt jeder sein Bestes, das spürt man bei Union“, sagte Trimmel dem Vereinsfernsehen. „Der Verein ist in diesem Jahr wieder ein Stück weit gewachsen, und zwar auf jeder Ebene.“ In der nächsten Saison muss Union einfach weiterwachsen. Manager Ruhnert sagte am Mittwoch: „Der Kader hat 32 Spieler, und wir haben immer gesagt, dass wir diese Kadergröße in der neuen Saison nicht unbedingt wieder haben wollen. Wie er inhaltlich aufgestellt sein wird, werden wir in den nächsten Tagen besprechen. Ich sehe schon die Notwendigkeit, etwas anders zu machen.“

Am Dienstagabend galt es aber erst einmal, die kleine Sensation dieser Mannschaftsleistung zu genießen. Mit Bier, Böllern und so viel Abstand wie möglich.

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