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England - Deutschland 1:2: Heimspiel in Wembley

7000 deutsche Fans feiern den deutschen Sieg in Wembley – die Engländer danken für die WM 2006 und erwähnen den Krieg nur noch selten.

Sogar die deutschen Fußballer waren beeindruckt. Dabei sind sie doch Jubel gewohnt seit dem Sommermärchen der WM 2006. Doch dieser Mittwochabend im imposanten neuen Wembleystadion vor 86.000 Zuschauern war auch für die Profis ein besonderes Erlebnis. Nicht nur, dass sie 2:1 gegen den alten Rivalen England gewannen. 90 Minuten lang wurden sie von 7000 deutschen Fans bejubelt und besungen. Nach dem Schlusspfiff wollten die begeisterten Deutschen ihre Helden gar nicht mehr gehen lassen. „Heimspiel in Wembley! Wir ha’m ein Heimspiel in Wembley!“, sangen die Fans. „Die Deutschen waren sehr laut. Sie haben mich überrascht“, sagte Nationalspieler Philipp Lahm. „Die Stimmung war wirklich sehr gut.“

Die Engländer ertrugen die Niederlage mit dem für sie typischen schwarzen Humor. Die beiden großen britischen Boulevardblätter „Sun“ und „Daily Mirror“ sind sich selten einig. Doch ihre Reaktion auf das verlorene Spiel sah fast nach Absprache aus: „Don’t mention the score“ (Erwähnt das Ergebnis nicht), schrieben beide am Morgen danach auf ihren Titelseiten, eine Abwandlung des immer wieder gern zitierten Spruchs aus der Comedyserie „Fawlty Towers“. „Don’t mention the war“, sagt der Provinzhotelier Basil Fawlty (John Cleese) und nimmt sich mit großer Geste vor, gegenüber seinen deutschen Gästen den Krieg nicht zu erwähnen. Dann behelligt er sie doch dauernd damit.

Die allermeisten englischen Fans kamen am Mittwochabend sehr gut ohne Kriegserwähnungen aus. Das ist neu. Die WM in Deutschland im vergangenen Jahr hat britische Klischees vom freudlosen, arroganten, militaristischen Deutschland nachhaltig erschüttert. Obwohl ihre Nationalmannschaft nicht überzeugte, hatten die englischen Fans eine gute Zeit und genossen die Gastfreundschaft der Deutschen. Dafür wollten sie sich am Mittwochabend erkenntlich zeigen. Der Schriftzug „Danke für 2006“, zusammengesetzt aus Zehntausenden, in die Höhe gehaltenen Plastikfolien, nahm beim Abspielen der Hymnen eine ganze Längsseite des Oberrings im neuen Wembleystadion ein. Darunter die englische Fahne, das rote Georgskreuz auf weißem Grund. Im deutschen Fanblock lagen schwarze, rote und goldene Folien bereit. Die Gästefans formten daraus eine große deutsche Flagge.

„Das hat uns positiv überrascht“, sagt Ralf Berlin, der das Spiel im deutschen Fanblock verfolgte. „Da haben wir ja schon ganz andere Sachen erlebt.“ Berlin meinte damit auch die Gewaltexzesse, die es zwischen deutschen und englischen Hooligans in der Vergangenheit gab. Diesmal herrschte weitgehend Ruhe. Hendrik Große-Lefert, einer der acht deutschen Hooliganfahnder vor Ort, sagte: „Es war ein ausgesprochen fröhlicher und friedlicher Abend, es hat Spaß gemacht.“ Gewalt gab es nicht, jedenfalls nicht von der organisierten deutschen Schlägerszene. „Es gab ein paar Scharmützel, aber das war eher auf dem Niveau üblicher touristischer Aktivitäten.“ Der Mann vom sogenannten SKB-Team Deutschland, den szenekundigen Beamten der Kriminalpolizei, umschrieb damit Kneipenraufereien zwischen drei, vier Leuten. „Wir hatten auch ein bisschen Glück mit der Witterung, weil es nach dem Abpfiff sehr windig war und es nieselte. Da wollte jeder ins Hotel oder noch ein Bier trinken, aber nicht auf Streit warten.“

Im Stadion hatten einige wenige englische Fans dann doch noch die „Ten German Bombers“ zweimal kurz angestimmt. Doch die Zeiten, in denen das Lied von den abgeschossenen deutschen Flugzeugen zum unverzichtbaren Repertoire gehörte, scheinen erst einmal vorbei. Stattdessen meinten einige dümmliche deutsche Fans, nach dem Spiel vor dem Stadion noch auf den Krieg anspielen zu müssen. Sie stimmten Schmähgesänge auf die „Tommys“ an.

Ralf Berlin war ein bisschen enttäuscht über die Atmosphäre im neuen Nationalstadion von London. „Bei der WM und vielen anderen Spielen haben die Engländer so viel gesungen. Diesmal war es ja eher ruhig.“ Trotz des großen Gegners gab es auf den Rängen auch einige Lücken. Und schon eine Viertelstunde vor Schluss liefen die englischen Zuschauer in Scharen davon. Sie scheinen das Vertrauen in ihr Team fürs Erste verloren zu haben. Viele wollten es auch einfach nicht mehr mit ansehen, wie die deutschen Fußballer den vielen Demütigungen ihrer Mannschaft eine weitere hinzufügten. Schon das letzte Spiel im alten Wembleystadion war im Jahr 2000 gegen Deutschland verloren gegangen, mit 0:1. Und dann waren da ja noch die berühmten Halbfinals bei der WM 1990 und der EM 1996, als England jeweils im Elfmeterschießen ausschied.

Wenigstens über einen kleinen Erfolg konnten sich die englischen Fans freuen. Am Abend vor dem Länderspiel trat eine Fanauswahl auf einem Platz am Wembleystadion gegen die Schauspieler-Elf des Films „Wunder von Bern“ an. Auch der Regisseur und frühere Fußballprofi Sönke Wortmann spielte mit. Die Engländer gewannen 4:1 – nach Elfmeterschießen.

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