Wer fährt zum Super Bowl?: Hassduell in Seattle
Seahawks-Trainer Pete Carroll und 49ers-Coach Jim Harbaugh mögen sich nicht – wie ihre Footballspieler. Am Sonntag spielen sie in Seattle um den Einzug in den Super Bowl.
Das Gesicht wutverzerrt, den Blick starr nach vorn gerichtet, so schaute Jim Harbaugh den Fragesteller an. Der wollte nur wissen, was San Franciscos Trainer von der Heimstärke der Seattle Seahawks halte, mehr als ein „die sind ganz gut“ war aber nicht aus ihm herauszubekommen. Lobeshymnen für den kommenden Halbfinal-Gegner wollen Harbaugh einfach nicht über die Lippen gehen.
In der Nacht von Sonntag zu Montag (0.30 Uhr, live bei Sat. 1) spielen die San Francisco 49ers bei den Seattle Seahawks um den Einzug in den Super Bowl – für die Fans der National Football League (NFL) eine traumhafte Konstellation.
Seattle und San Francisco verbindet momentan die aufregendste Rivalität im American Football. Was auch an ihren Trainern liegt. Jim Harbaugh und Pete Carroll sind sich spinnefeind. Viele hart umkämpfte Spiele haben aus ihnen zwei Männer gemacht, die scheinbar selbst der übliche Handschlag nach Spielschluss Überwindung kostet.
Die Anfänge der Fehde gehen sieben Jahre zurück. Carroll und Harbaugh waren als Trainer an renommierten Hochschulen in Kalifornien tätig. Mit ihren Teams USC Trojans (Carroll) und Stanford Cardinal (Harbaugh) trafen sie von 2007 bis 2009 jede Saison aufeinander. Harbaugh versuchte das damals in Sachen Football bedeutungslose Stanford-College nach oben zu führen und orientierte sich dabei an Carrolls erfolgreichen Trojans. Um USC als führende Kraft abzulösen, war Harbaugh jedes Mittel recht.
Bei ihrem letzten Spiel führte Stanford bereits haushoch, als Harbaugh nach einem Touchdown einen Zwei-Punkte-Versuch anstatt des üblichen Field Goals für einen Punkt anordnete. Er wollte so hoch wie möglich gewinnen, um den einstmals übermächtigen Kontrahenten zu demütigen. Beim Handschlag nach dem Spiel fragte Carroll: „What’s your deal?“ Was willst du eigentlich? „What’s your deal?“, bellte Harbaugh zurück.
Nachdem Carroll 2009 sein College verließ, um die Profis in Seattle zu übernehmen, folgte ihm Harbaugh ein Jahr später in die NFL und unterschrieb ausgerechnet bei einem Divisionsrivalen der Seahawks. Damit waren mindestens zwei Aufeinandertreffen pro Jahr garantiert.
Abgesehen vom „What’s your deal“-Wortwechsel vermuten viele Fachleute den wahren Grund für das eisige Trainerverhältnis in den jeweiligen Charakteren.
Carroll und Harbaugh sind sich einfach zu ähnlich. Aufbrausend, impulsiv und stets am Hadern mit den Schiedsrichtern toben sie an der Seitenlinie entlang. Dabei wirkt Carroll, 63 und aus San Francisco stammend, lediglich wie eine ergraute, 13 Jahre ältere Version Harbaughs. Wer dessen Gesichtsausdrücke während eines Spiels mal beobachtet hat, wird sich stark an Borussia Dortmunds Jürgen Klopp erinnert fühlen. Von der Seitenlinie wurde Harbaugh auch schon verwiesen.
Beide haben in Seattle und San Francisco Mannschaften aufgebaut, die von ihrer Spielweise her kaum zu unterscheiden und in etwa gleich stark sind. In der regulären Saison gewann Seattle dreizehn Spiele, San Francisco zwölf. Bei den direkten Aufeinandertreffen siegte stets das Heimteam.
Seahawks und 49ers verfügen jeweils über eine kompromisslose, überragende Verteidigung, ein solides Laufspiel und in Person von Russell Wilson (Seahawks) und Colin Kaepernick (49ers) über zwei junge, dynamische Quarterbacks, die selbst gern laufen. Beide Mannschaften spielen mit großer Intensität und Leidenschaft – wie ihre Trainer. Längst hat sich deren Rivalität auf die Spieler übertragen. Seattles Verteidiger Brandon Browner sagte unter der Woche vor laufenden TV-Kameras: „Ich wünschte, Harbaugh würde spielen. Dann könnte ich endlich meine Hände um sein Genick legen.“ Sein Gesicht drückte dabei große Wut aus.
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