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Hartmut Nickel feierte mit den Eisbären viele Erfolge.
© imago

Zum Tode des Berliner Trainer-Idols: Hartmut Nickel stand für das Wir-Gefühl der Eisbären

Hartmut Nickel war die Nähe zu den Fans der Eisbären Berlin immer extrem wichtig. Am Donnerstag ist er im Alter von 74 Jahren verstorben. Ein Nachruf.

Hartmut Nickel war nicht nur die gute Seele der Eisbären, er war eine tragende Säule des Klubs. Nickel, das Unikum. Immer einen flotten Spruch auf den Lippen. Jahrzehntelang hinter der Bande in Hohenschönhausen. DDR, BRD, DEL. Egal. Politische Systeme hat er überlebt, verschiedene Ligen hat er überlebt, viele Cheftrainer sowieso. Die kamen und gingen, Nickel blieb. Meist als Co-Trainer und immer als der Chefcharmeur des Eishockeyklubs. Vor knapp fünf Jahren hat Nickel, mit 69, seinen Job am Eis aufgegeben. Seitdem war er nur noch Berater der Eisbären. Gesehen hat man den kantigen großen Nickel seit geraumer Zeit nicht mehr im Stadion am Ostbahnhof. Die Gesundheit spielte nicht mehr mit, bei dem Mann, der Ost- und Westberliner Eishockeygeschichte geschrieben hat.

Sein letztes von Dutzenden Interviews für den Tagesspiegel gab Hartmut Nickel im September 2014. Damals führte er die Besucher in der neuen Geschäftsstelle des Klubs unweit der Arena im Ostbahnhof herum. Kaum aus dem Fahrstuhl herausgekommen, kam der Mann mit dem vollen weißen Haar schon in Nickel-Form. Ein Wandbild gefiel ihm weniger, weil darauf ein Iserlohner Torwart größer abgebildet war als ein paar Eisbären-Spieler. „Da hätte jemand besser Korrektur lesen müssen.“ Hartmut Nickel war ein Sprüche-Punk, er feuerte sie ab wie kein anderer. Es machte ihm Spaß, die Menschen aus der Reserve zu locken. 

Hartmut Nickel stand bei den Eisbären mehr als jeder andere für die DDR-Vergangenheit, war schließlich einst Trainer der DDR-Auswahl, doch er benahm sich immer so, wie er sich in der DDR als Funktionsträger nicht hatte benehmen können. So schön wie mancher glaubt, fand der gebürtige Weißwasseraner nämlich die Zeit vor dem Mauerfall 1989 per se nicht. Er erlebte als Spieler und Trainer die trübe Zeit, als sich Eishockey-Ostberlin mit den Dynamos aus Weißwasser die vielen Duelle um den DDR-Titel liefern musste. Traumhafte Tradition? Eher Albtraum fand Nickel: „Man kann sich das heute kaum vorstellen. Die Spieler kannten sich in- und auswendig, wussten genau, was der Gegner kann und was nicht. Meine Herren.“

Und trotz der Tristesse: Nickel hatte Glück gehabt, überhaupt dabei zu sein, fand er. Nach seinem Studium in Leipzig auf der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) hätte er nach seiner Ausbildung auch als Handball- oder Eisschnelllauftrainer eingesetzt werden können. „Hätte mich Trainer Achim Ziesche damals nicht zum Eishockey geholt, wäre ich wohl beim Eisschnelllauf gelandet“, erzählte Nickel. „Was habe ich gezittert damals.“ Das war 1976. Bis über die Wende hinaus sollte er Trainer beim Klub aus Hohenschönhausen bleiben, zunächst als Ziesches Assistent und dann auch bis in die damalige Bundesliga hinein als Chefcoach.

Von 1980 bis 1989 war er Ziesches Co-Trainer bei der DDR-Auswahl, die er dann 1990 kurz vor der Wiedervereinigung auch als Cheftrainer betreute.  Nickel hat sie oft erzählt, die Anekdoten von Anrufen, die kamen, damit im nächsten Spiel nicht gewonnen wurde, weil die Oberen das DDR-Team nicht bei Olympischen Spielen haben wollten. „Wir waren ja kein Medaillenkandidat, das wollten die sich sparen.“

Nickel gehörte einfach nach Berlin

Hartmut Nickel war seit 1963 im Klub, mit 18 kam er nach Berlin. Das ist mehr als ein halbes Jahrhundert her. „Was ich hier alles erlebt habe, passt in fünf Bücher. Vielleicht schreibe ich es mal auf“, erzählte er mal. Aber dafür fehle ihm die Zeit.

Die Liaison mit Hohenschönhausen hatte jedoch einen kleinen Bruch. 1993 ging er als Cheftrainer nach Hannover, drei Jahre blieb er dort. Dann ging er doch wieder nach Berlin, nach der Wende habe er als Ossi in Hannover ganz schön was zu hören bekommen.  „Am Wahltag haben die mich gefragt: Na, haste PDS gewählt? Da habe ich gesagt: Wir können ja zur Kabine gehen und den Wahlzettel aufmachen.“

Nickel gehörte, obwohl aus der Lausitz stammend, einfach nach Berlin.  „Das Wir-Gefühl war hier immer wichtig“, sagte er. Und das sei auch nach dem Einstieg der Anschutz-Gruppe bei den Eisbären so gewesen, auch in der Riesenarena am Ostbahnhof habe er sich genauso wohl gefühlt wie im Wellblechpalast in Hohenschönhausen. Denn: „Du musst nah am Fan sein. Es kann ganz schnell nach unten gehen, wenn du diesen Touch nach außen hin verlierst.“

Beim letzten Gespräch mit dem Tagesspiegel versprach Hartmut Nickel: „Mit 100 mache ich den Job hier als Berater nicht mehr.“ Leider hat er Recht behalten und wird darüber nun womöglich schmunzeln, wenn das geht. Am Donnerstag ist ein großes Idol der Eisbären gestorben. Am Donnerstag ist Hartmut Nickel gestorben. Er wurde nur 74 Jahre alt.

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