Deutsche U19 ist Europameister: Hany Mukhtar von Hertha BSC: "Größter Moment meiner Karriere"
Erst die Großen, dann die Jungen. Deutschland holt nach dem WM-Titel bei den Männern nun auch den Sieg bei der U19-EM. Maßgeblich daran beteiligt war ein Herthaner, der in Berlin aber noch keinen Stammplatz hat.
Als die DFB-Delegation zum Bankett in ein nobles Budapester Hotel lud, war die Stimmung auf dem Höhepunkt. Singend und feiernd bejubelten die Nachwuchskicker nach ihrer großartigen Leistung den Titelgewinn bei der U-19-Europameisterschaft. „Wir sind stolz auf euch“, sagte Präsident Wolfgang Niersbach in seiner Dankesrede. Auch der zukünftige Sportdirektor Hansi Flick, der seinen alten Job als Weltmeister beendete und den neuen als Europameister antritt, war begeistert. „Man sieht, welch tolle Talente wir im deutschen Fußball haben. Solche Momente wollen wir möglichst häufig haben“, meinte Joachim Löws bisheriger Assistenztrainer.
Die Siegertruppe feierte ihren Erfolg in einer lauen Budapester Sommernacht bis in die frühen Morgenstunden. „Wir haben tolle Werbung für Deutschland gemacht. Es ist zwar der kleinere, aber der zweite Titel für unser Land in diesem Sommer. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir Deutschland so eine Freude gemacht haben“, sagte Mittelstürmer Davie Selke, der zwar beim 1:0 Finalsieg gegen Portugal nicht traf, mit sechs Treffern aber Torschützenkönig der EM wurde.
Der Vertrag von Hany Mukhtar bei Hertha BSC läuft 2015 aus
Der Siegtreffer blieb diesmal dem Berliner Hany Mukhtar vorbehalten. Der konnte es kaum fassen: „Ich bin überglücklich. Es ist der größte Erfolg meiner Karriere“, sagte der Mittelfeldspieler, der in der Bundesliga bei Hertha BSC um jede Minute Einsatzzeit hart kämpfen muss. In der vergangenen Saison wurde er acht Mal eingewechselt, zwei Mal durfte er von Beginn an spielen. Auch in der neuen Saison wird es für Mukhtar schwer, sich in die Stammelf zu spielen. Aber darüber wollte sich der frisch gebackene Europameister zunächst keine Gedanken machen. "Alles andere wird sich ergeben", hatte er schon vor dem Finale gesagt, das er mit seinem Tor entschied.
Hertha-Trainer Jos Luhukay sagte am Freitag: "Wir möchten ihn gerne halten und haben ihm bereits im Oktober einen Vertrag vorgelegt, den er bislang leider noch nicht unterschrieben hat". Mukhtars Kontrakt läuft im Sommer nächsten Jahres aus, dann könnte er Hertha BSC ablösefrei verlassen. Der Verein sei sich dieser Situation bewusst und keineswegs froh darüber, erklärte Luhukay. Bisherige Angebote für Mukhtar habe Hertha abgelehnt. Der Junioren-Titelträger wird am Sonntag mit den Berlinern in ein einwöchiges Trainingslager ins österreichische Schladming aufbrechen.
Der zweite Titelgewinn in diesem Jahrgang hat große Beachtung gefunden. Die gerade erst gekürten Weltmeister aus dem A-Team schickten reihenweise ihre Gratulationen. „Großartiges Spiel, großartige Zukunft für Deutschland“, twitterte Andre Schürrle. Auch Bundestrainer Joachim Löw kann mit weiterem Nachschub für sein Team rechnen. „Die EM hat gezeigt, dass sich der deutsche Fußball auf neue große Talente freuen kann. Dieser Titel hilft den Spielern in ihrer Entwicklung, ich bin sicher, dass sie durch diesen Triumph noch einmal einen Schub bekommen werden“, sagte der DFB-Trainer.
Die gerade erst gekürten Weltmeister schickten Glückwünsche
Architekt des Erfolges einer außergewöhnlichen Mannschaft, die im nächsten Jahr zur U-20-WM in Neuseeland reist, ist Marcus Sorg. Der 48-Jährige, der als Kandidat auf die Assistenztrainerstelle bei der Nationalmannschaft heiß gehandelt wird, hat den Job erst vor einem Jahr von Christian Ziege übernommen und mit dem Team, bis auf eine Niederlage im ersten Spiel 17 Mal nacheinander nicht verloren. „Wir sind unglaublich glücklich. Diesen Titel haben sich die Jungs verdient und er bleibt ihnen für die Ewigkeit“, sagte der Coach nach der obligatorischen Bierdusche.
Der EM-Sieg hat auch deshalb eine große Bedeutung, weil er unter schwierigen Umständen zustandegekommen ist. Einige der besten Spieler wie Max Meyer, Leon Goretzka (beide Schalke), Timo Werner (VfB Stuttgart) und Serge Gnabry (FC Arsenal) fehlten. Zudem hatte die Mannschaft - das war der Kompromiss mit den Vereinen - keine Vorbereitung und startete direkt ins Turnier. Das war für Sorg noch das geringste Problem. „Dieses Team besitzt einen unheimlichen Charakter und viel Qualität, weil es lernwillig ist und Dinge sehr schnell umsetzen kann“, befand der gebürtige Ulmer.
Es war der erste deutsche Titel für ein Nachwuchsteam seit 2009
Die Motivation für die Mannschaft war auch daher sehr groß, weil ein Großteil der Spieler vor zwei Jahren äußerst unglücklich den EM-Titel bei der U 17 verspielt hatte. Damals vergab der Frankfurter Marc Stendera den entscheidenden Strafstoß im Elfmeterschießen, daher war nun die Parole: „Jetzt wollen wir dieses Ding endlich“. Torhüter Oliver Schnitzler betonte: „Dieses Erlebnis hat uns noch mehr zusammengeschweißt.“ Auch Stendera hatte diesmal sein Erfolgserlebnis. Mit seinem Pass auf Mukhtar leitete er den Siegtreffer ein.
Der erste Titelgewinn seit 2009 mit der U 21 kann auch den jungen Spielern zu einer verheißungsvollen Karriere verhelfen. Aus den drei EM-Siegerteams der U 17, U 19 und U 21 von 08/09 sind insgesamt neun Spieler Weltmeister geworden, dazu kommen noch die Bender-Zwillinge und Torhüter Marc-Andre ter Stegen, der neuerdings beim FC Barcelona spielt. Nicht jeder schafft den Sprung, aber die Chance ist groß.
Spieler wie Stendera, Selke, die Leverkusener Julian Brandt und Levin Öztunali oder die beiden starken Innenverteidiger Niklas Stark (1. FC Nürnberg) und Marc-Oliver Kempf (SC Freiburg) dürften eine große Zukunft haben. „Wir als DFB hoffen, dass wir sie nicht zum letzten Mal im DFB-Trikot gesehen haben“, sagte Präsident Niersbach.