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Zwei gegen den Trainer. Im Streit um Thomas Tuchel halten Hans-Joachim Watzke (rechts) und Sportdirektor Michael Zorc als BVB-Spitze zusammen. Foto: Andreas Gebert/dpa
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Borussia Dortmund: Hans-Joachim Watzke: Viele Erfolge, ein großer Irrtum

Hans-Joachim Watzke hat Borussia Dortmund nach oben geführt. Nur mit Trainer Thomas Tuchel ist er nie klargekommen.

An diesem Sonnabend wird es so sein wie immer an einem Spieltag: Keine wichtigen Termine, keine Geschäfte, nichts, was besonderer Konzentration bedarf. Doch an Spieltagen steht Hans-Joachim Watzke unter Strom und kommt erst wieder in den Modus des stoischen Sauerländers, wenn das Spiel vorbei ist. Und Borussia Dortmund gewonnen hat. Nach dem Abpfiff hat er sich jahrelang mit Jürgen Klopp irgendwo in den Katakomben der Fußballarenen auf eine Zigarette getroffen. Mit Thomas Tuchel, dem Nachfolger Klopps, geht das nicht. Ein Asket und Ernährungsguru an der Stelle von Klopp, mit dem Watzke nach einem Sieg auch mal ein paar Flaschen Wein trinken konnte. Und dieser Wechsel von Klopp zu Tuchel wird wohl irgendwann in der Bilanz des Vereinsmanagers Watzke als einer der größten Irrtümer verbucht.

Watzke hat es geschafft. Er hat die Leidenschaft zum Beruf gemacht und war darin so erfolgreich wie wenige. Jetzt spielt er auf der großen Bühne des Profifußballs und sieht sich als Hauptdarsteller. In Deutschland sowieso, aber inzwischen auch in Europa. Gerne erzählt er von seinen Freunden José Mourinho und Florentino Pérez, dem Präsidenten von Real Madrid. Watzke kann Fußball, Geld und Macht und Marketing. Er hat Ambition und einen eigenen Kopf. Inzwischen sieht er sich fast auf Augenhöhe mit Uli Hoeneß, dessen Werk Watzke bewundert und dem er eine Art Solidaritätsbesuch abstattete, als der Steuersünder seine Haftstrafe verbüßte.

Hoeneß produziert Würste, Watzkes Firma Schutzbekleidung. In Marsberg, wo Watzke 1959 als Sohn eines Maurers und einer Bauerstochter geboren wurde, machte sich der Diplomkaufmann 1990 selbstständig. Damals lenkte der passable Kicker auf der Zehn das Spiel seines Heimatklubs Rot-Weiß Erlinghausen, den er heute noch als Vorstandschef erfolgreich führt. Der Dorfklub spielt Landesliga.

Borussia Dortmund sieht Watzke unter den ersten acht Vereinen Europas, was nach dem Erreichen des Viertelfinals in der Champions League in dieser Saison legitim ist. Man tut Watzke nicht unrecht, wenn man unterstellt, dass er den erstaunlichen Aufstieg der Borussia vor allem mit einem Mann in Verbindung bringt: Hans-Joachim Watzke.

Kampagne kann Watzke

2005 wurde Watzke Nachfolger von Gerd Niebaum als Geschäftsführer der Borussia Dortmund GmbH & Co. kgaA. Ein Fußballverein, 1909 gegründet, der 1997 die Champions League gewonnen hatte, anschließend den Platz an der Spitze mit sehr teuren Spielern zu behaupten versuchte – und dabei fast pleiteging. Der BVB ist die börsennotierte Aktiengesellschaft im deutschen Fußball. Watzke kam, sanierte, holte Klopp, wurde Meister, Pokalsieger und Finalgegner des FC Bayern in der Champions League 2013. Die graue Maus aus dem Pott gegen die Bonzen von der Isar, die sich mit dem Geld von Allianz und Telekom, Audi und Adidas oben etabliert haben.

Watzke will auch dahin. Wie sein Vorbild Hoeneß gönnt er sich zur persönlichen Imagebildung gelegentliche Attacken auf Wettbewerber – gegen die „Dax-Konzerne“ aus Wolfsburg und Leverkusen, gegen die Retortenklubs aus Leipzig und Hoffenheim. Dass ausgerechnet die Letztgenannten der Borussia in dieser Saison den Rang ablaufen, ärgert Watzke sehr. Und selbstverständlich bringt er das und die insgesamt mittelmäßige Saison mit Tuchel in Verbindung.

Die Spielanlage, der Umgang mit einzelnen Spielern, kaum nachvollziehbare Mannschaftsaufstellungen und Fehleinschätzungen des taktisch eigentlich raffinierten Tuchel haben immer wieder zu Verdruss bei Watzke und Sportdirektor Michael Zorc geführt. Das im Zusammenhang mit dem Attentat vom 11. April von Watzke öffentlich gemachte Zerwürfnis kam der BVB-Spitze gerade recht, um Tuchel zu zeigen, wo der Hammer hängt. Dabei ist die „Bild“-Zeitung als Mitteilungsblatt gerne behilflich.

Kampagne kann Watzke. Das CDU-Mitglied verortet sich selbst am rechten Rand der Partei, in der Nähe seines guten Bekannten und Parteifreundes Friedrich Merz, der aus dem sauerländischen Nachbarort Brilon stammt und auch gerne das große Wort schwingt. Von Angela Merkel halten die beiden Konservativen nicht viel, und Watzke lästert gerne über den traditionell sozialdemokratischen Oberbürgermeister von Dortmund. Er könnte es sicher besser. Das Selbstbewusstsein hat sich mit dem Erfolg der vergangenen Jahre Richtung Selbstgefälligkeit entwickelt. „Ich bin ein Mensch, der grüblerisch veranlagt ist und sich und viele Dinge hinterfragt“, hat er dem „Kicker“ gesagt. Das war vor zehn Jahren.

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