Bundesliga-Saisonvorschau (9): Hamburger SV: Mit Reiner Calmund im Boot
Am 26. August startet die Fußball-Bundesliga. In unserer Serie testen wir die Stärken und Schwächen der Vereine. Folge 9: Hamburger SV.
Was hat sich verbessert?
Skepsis und Häme, die üblichen vorsaisonalen Begleiter, fehlen in diesen Tagen. Eine erfreuliche Zuversicht in Sachen Saison 2016/2017 hat nicht nur Kapitän Johan Djourou in der Stadt, dem Vereinsumfeld und bei den Fans ausgemacht: „Ich gehe jetzt in meine vierte Saison in Hamburg und erlebe derzeit tatsächlich eine Vorfreude, die ich bisher noch nicht kannte“, sagte der 29 Jahre alte Schweizer dem „Kicker“. Woran das liegt? Die Vorbereitung verlief ruhig, geordnet und erfolgreich. Die Einkäufe sind namhaft und wirken stimmig. Von alten Großverdienern hat sich der HSV getrennt. Das ganze Gebilde scheint wieder eine Richtung zu haben. Aber Vorsicht: Ein Aus im Pokal am nächsten Montag beim FSV Zwickau könnte die Laune sofort erheblich verschlechtern.
Wer sind die Stars?
14 Millionen Euro haben die Norddeutschen für den Stuttgarter Linksaußen Filip Kostic ausgegeben: Nie war ein Neu-Hamburger teurer. Vier Millionen waren es für Union Berlins Stürmer Bobby Wood, fünf Millionen kostete Alen Halilovic, den der FC Barcelona zuletzt an Sporting Gijon verliehen hatte. Der 20 Jahre alte Kroate spielte dort vergangene Saison 36-Mal in der höchsten spanischen Liga. Für Tempo, Jugendlichkeit und mehr Torgefahr sollen die Einkäufe sorgen. Elf Kandidaten hat Trainer Bruno Labbadia nun für vier Offensiv-Plätze. Es sind ganz unterschiedliche Spielertypen dabei.
Wer hat das Sagen?
Viel geredet hat wie üblich Reiner Calmund. Als Freund des Milliardärs Klaus-Michael Kühne sitzt Calmund plötzlich über Eck mit im Hamburger Boot. Denn zusammen mit Spielerberater Volker Struth berät er nun ebenjenen Kühne, der dem HSV mehr als 25 Millionen Euro für neue Spieler verschafft hat. Der Edel-Fan will das Geld nur zurück, falls der HSV den europäischen Wettbewerb erreicht. Zur Dauer und zum Kleingedruckten dieser Vereinbarung schweigt Vorstandschef und Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer. Über Struth hat Kühne nun jedoch eine Art Veto-Recht bei den Neuen und regiert also mit – was dazu führt, dass sich Beiersdorfer auf der Suche nach Transfers vor allem in Struths Agentur umschaut. Eigenständiges Handeln sieht gewiss anders aus, aber: Der HSV ist mit 90 Millionen Euro verschuldet. Wer würde da einen Gönner wie Kühne vom Hof jagen?
Was ist in dieser Saison möglich?
Der Druck auf den allseits geschätzten Trainer Bruno Labbadia ist gestiegen. 2015 war er der Retter in letzter Sekunde, 2016 der Stabilisator. 2017 soll er den HSV auf einen einstelligen Rang führen, besser noch in die Europa League. Das Signal zum Aufbruch in alte, neue Zeiten ist dabei das Auswärtstrikot – 40 Jahre nach dem Finalsieg im Europapokal der Pokalsieger gegen den RSC Anderlecht spielt der HSV wieder in Pink und will nach Jahren der Tristesse angreifen. Verstärkt und verjüngt ist der Kader, zudem stehen in Torwart René Adler, dem derzeit verletzten Emir Spahic, Aaron Hunt und Nicolai Müller erfahrene Kräfte auf dem Rasen. Das muss für eine Saison ohne Sorgen reichen – wenn nicht, wird es ungemütlich für Labbadia.
Und sonst?
Bevor Bakery Jatta auch nur eine Bundesliga-Sekunde gespielt hat, sorgte der Flüchtling für eine Schlagzeilen-Flut im Norden. Vor einem Jahr aus Gambia über die Sahara und das Mittelmeer nach Deutschland geflohen, überzeugte der 18 Jahre alte Angreifer Labbadia und bekam im Januar einen Profivertrag. Noch fehlt es an vielem auf dem Platz – nach eigenen Angaben hat Jatta bislang in keinem Verein gespielt, da mangelt es zwangsläufig an taktischem Verständnis. Der HSV schirmt ihn vor Fragen zu Herkunft, Flucht und Biografie ab. Ob und wann Bakery Jatta spielt, hängt von bürokratischen Hindernissen ab. Die Kollegen sind schon jetzt voll des Lobes über ihn. Integration durch Sport: Das wäre eine schöne Hamburger Geschichte.
Morgen Folge 10: 1. FC Köln