Gegen die internationale Solidarität: Haltung wäre schön gewesen, RB Leipzig
Rasenballsport Leipzig muss im Europapokal gegen Spartak Moskau antreten – und will das auch tun. Das ist falsch. Ein Kommentar
Es ist immer ein bisschen anmaßend, von außen über das Innenleben eines anderen Menschen zu urteilen, über seine Wünsche und seine Gedanken. Das gilt natürlich auch für Wladimir Putin. Aber nach allem, was man von Russlands Präsidenten zu wissen glaubt, hat er sich die Unterwerfung und Einverleibung der Ukraine in sein Reich wohl etwas einfacher vorgestellt.
Putin hat offenbar weder mit dem Widerstand der Ukraine selbst gerechnet noch mit dem Behauptungswillen der westlichen Welt. Genau diese westliche Welt aber demonstriert in diesen Tagen bei der Verteidigung ihrer Werte und ihrer Lebensweise eine Einigkeit und Geschlossenheit, die womöglich nicht nur Putin überrascht.
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Das betrifft im Übrigen nicht nur die Politik, sondern auch die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Wissenschaft, die Kultur und – ja: auch den Sport. Gerade weil das so nicht zu erwarten war, ist es umso beeindruckender, dass sich zum Beispiel die Fußballverbände aus Polen, Schweden und Tschechien weigern, in den Play-offs zur WM in Katar gegen die russische Nationalmannschaft anzutreten.
Noch beeindruckender ist es, dass auch einzelne Sportler wie Robert Lewandowski diesen Kurs eindeutig unterstützen. Hoch bezahlte Profis, denen oft unterstellt wird, dass sie nur ihren eigenen monetären Vorteil im Blick haben.
Leider gibt es auch noch den deutschen Bundesligisten Rasenballsport Leipzig, der in der nächsten Runde der Europa League gegen Spartak Moskau spielen soll. Internationale Solidarität interessiert die Leipziger nicht. Und vermutlich ist es nicht ganz falsch, in diesem Zusammenhang noch einmal an die Gründungsgeschichte dieses „Vereins“ zu erinnern. Rasenballsport ist nur zu einem einzigen Zweck erschaffen worden: um den wirtschaftlichen Erfolg seines Geldgebers zu mehren. Sorry, Leute, nur weil Russland gerade ein unschuldiges Land überfallen hat, können wir unser Geschäftsmodell doch nicht gefährden.
Oder wie es Florian Scholz, der kaufmännische Direktor der Leipziger, ausgedrückt hat: „Wir hoffen und vertrauen schnellstmöglich auf eine friedliche Lösung des Konfliktes. Unabhängig davon wollen wir gegen Spartak gewinnen. Wir sind als einziger Bundesligist noch in drei Wettbewerben vertreten und wollen in all diesen so weit wie möglich kommen, denn unser Ziel als nach wie vor junger Verein ist es, uns nachhaltig in den Top 20 Europas zu etablieren.“ In Leipzig nennt man das vermutlich: Empathie.
Es geht um Druck auf Fifa und Uefa
Trainer Domenico Tedesco hat sich ebenfalls gegen einen Boykott ausgesprochen: weil „die Geschichte zeigt, dass es da immer die Falschen trifft: in erster Linie die Sportler und die Fans“. Nur noch mal zur Erinnerung: Die Falschen, die es gerade trifft, das sind die Menschen in der Ukraine, die versuchen, aus ihrem Land zu fliehen, oder in Kellern und U-Bahn-Schächten Schutz vor Raketenangriffen suchen.
Rasenballsport Leipzig hat es leider versäumt, für alle sichtbar und nicht nur hinter verschlossenen Türen Haltung zu zeigen. Dem Beispiel der Fußballverbände aus Polen, Tschechien, Schweden, inzwischen auch England sowie der neutralen Schweiz zu folgen, das wäre ein Signal an die internationalen Verbände gewesen, sich ebenfalls klar zu positionieren. Stattdessen hat der Weltverband Fifa es erst einmal mit Taschenspielertricks versucht, sich lieber geflissentlich weggeduckt und darauf gehofft, das Problem irgendwie aussitzen können.
Der Sport ist immer gerne politisch, wenn es dem eigenen Image als vermeintlicher Friedensstifter dient. Aber wenn es ungemütlich wird, dann kann man gar nicht so schnell gucken, wie die internationalen Verbände ihr Mantra vom angeblich unpolitischen Sport wieder hervorkramen. Unpolitisch aber kann man in der aktuellen Situation nicht sein. Und wenn es um Recht oder Unrecht geht, darf es auch keine Neutralität geben.