Berlin-Marathon: Haile Gebrselassie: Mit Kuchen zum Weltrekord
Als erster Mensch lief Haile Gebrselassie am Sonntag den Marathon unter 2:04 Stunden - dabei lebt er mitunter wie ein Hobbysportler.
Es ging einfach nicht mehr gestern Morgen, die Schmerzen in den Beinen waren zu groß. Er konnte nicht trainieren. Das letzte Mal war Haile Gebrselassie so etwas am Tag nach einem Marathon vor einem Jahr passiert. Da war er in London gelaufen, aber nicht mal die ganze Strecke, er hatte aufgegeben. Am Sonntag waren die Belastungen noch größer, da war er nicht bloß durchgelaufen. Haile Gebreselassie, die Legende aus Äthiopien, hatte in Berlin in 2:03:59 Stunden gewonnen. Er war der erste Läuferder Welt, der einen Marathon unter 2:04 Stunden absolviert hatte. „Ich habe damit gerechnet, dass ich heute morgen nicht würde trainieren können“, sagt er am späten Montagvormittag. „Das ist so im Sport.“ Wenn nicht nach so einem Lauf, wann denn dann?
Was ist denn überhaupt die Grenze im Marathon? Wann läuft der erste Mensch unter zwei Stunden? Da verliert Haile Gebrselassie sein strahlendes Lächeln, er muss nachdenken. Nach einer Pause sagt er: „In 20 Jahren, rechnen Sie nicht früher damit.“ Er selber wäre mit weniger zufrieden. „Ich traue mir 2:03:30 Stunden zu“, sagt er. Vielleicht sogar 2:03:00 Stunden. Aber schneller? Keine Chance.
Nun ja, vielleicht gäbe es doch eine Chance, rein theoretisch jedenfalls. Wenn sich der Weltrekordler noch professioneller verhalten würde. Es klingt absurd, aber der Lauf-Star aus Addis Abeba benimmt sich mitunter wie ein besserer Amateur. „Ach, es gibt vieles, was er besser machen könnte“, stöhnt Jos Hermens, sein holländischer Manager. Gebrselassie könnte zum Beispiel ein Mittagsschläfchen halten statt zwischen zwei Trainingseinheiten im Büro sein Unternehmen zu leiten. „Er arbeitet zu viel“, sagt Hermens.
Und der Weltrekordler ernährt sich nicht optimal. „Er isst zu viele Proteine und zu wenig Kohlenhydrate“, sagt sein Manager. „Und zu viel Zucker.“ Neben dem sehr gesunden Teff, einer Getreidespeise, verzehrt der Star-Läufer sehr gerne auch mal einen Kuchen. „Die Äthiopier haben bei Europäern gesehen, dass die Kuchen zum Kaffee nehmen, jetzt isst er mitunter auch Kuchen“, sagt Hermens. Außerdem trinke der 35-Jährige zu wenig. Und wenn er trinke, Tee zum Beispiel, dann auch noch mit viel Zucker.
„Ja, Zucker gehört einfach dazu“, sagt Gebrselassie lächelnd. „Aber ich habe mich schon gebessert.“ Ja? Wo denn? „Ich gehe jetzt früher ins Bett. Um neun Uhr abends.“ Und ein Mittagschläfchen? „Nein, das kommt nicht in Frage.“ Bei so einem Satz stöhnt Hermens schon wieder auf. „Er müsste sich nachmittags ausruhen.“ Am Telefon, sagt Hermens, bekniee er seinen Athleten immer wieder. Und er setzt schon Gebrselassies Frau „als Spionin“ ein. Die soll ihm die neusten Sünden ihres Gatten mitteilen.
Wenigstens hat Hermens das Projekt mit dem Starkoch beendet. Vor fünf Jahren flüsterte irgendjemand dem Weltrekordler ein, dass er als reicher Mann mit Autos, Villa und viel Geld doch auch einen eigenen Koch benötige. Daraufhin engagierte Gebrselassie einen französischen Star-Koch, der ihm, dem äthiopischen Spitzensportler, Haute Cuisine vorsetzte. Hermens hatte einen Wutanfall erlitten, nachdem er es erfahren hatte. „Schick’ ihn sofort zum Teufel“, sagte er zu Gebrselassie. Der Koch ist nur noch Geschichte. Es geht, sagt Hermens, schließlich um die sportliche Zukunft von Haile Gebrselassie, um den Plan, mal 2:03:30 Stunden zu laufen. „Diese ganzen kleinen Dinge können zu einem Problem werden“, sagt Hermens. „Haile ist jetzt 35, in dem Alter wird es sowieso immer schwieriger, auf absoluten Spitzenniveau laufen.“ Und es wird noch schwieriger für einen, der Physiotherapie eher beiläufig betreibt.
Aber wenigstens macht er sie, das ist doch schon mal ein Fortschritt. In den ersten sieben Jahren seiner Karriere hatte Gebrselassie nicht eine einzige Massage.