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Thomas Müller, Deutschlands bester Torschütze, kann gegen die USA spielen.
© spa

WM 2014 - Deutschland vor dem USA-Spiel: Gute Chancen aufs Weiterkommen

Vor dem entscheidenden Spiel gegen die USA begegnet die Nationalmannschaft der Hysterie in der Heimat mit offensiver Gelassenheit. Dass ihr gegen Ghana die eigenen Defizite vor Augen geführt wurden, könnte am Ende sogar hilfreich sein.

An den gewohnten Abläufen wird sich auch vor dem dritten Gruppenspiel nichts ändern. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist schon gestern, wieder zwei Tage vor der Begegnung mit den USA, an den Spielort geflogen, sie wird heute in der Arena Pernambuco ihr Abschlusstraining bestreiten, und morgen wird Thomas Müller bei der Nationalhymne wieder kurz in die Kamera zwinkern. Der Offensivspieler konnte gestern Entwarnung geben: Müllers rechtes Auge ist rechtzeitig wieder fit geworden. Blinzeln ist möglich, „ohne dass ich Schmerzmittel nehmen muss“.

Es sah ziemlich wild und gefährlich aus, als Müller am Samstag im Spiel gegen Ghana quasi mit dem Schlusspfiff auf dem Rasen liegen blieb. Das Blut lief ihm übers Gesicht, nachdem er mit dem Kopf gegen die Schulter des Ghanaers John Boye gerumst war. Mit mehreren Stichen musste die Platzwunde genäht werden, die Spuren des Zusammenpralls und der folgenden medizinischen Operation sind auch ein paar Tage später noch zu sehen. Müller blickt ein wenig asymmetrisch in die Welt. Aber was wild und gefährlich aussieht, muss nicht unbedingt wild und gefährlich sein. So wie das für Müllers rechtes Auge gilt, so gilt das auch für die Situation der deutschen Nationalmannschaft vor dem Gruppenfinale gegen die USA.

Unabhängig davon, dass die Chancen aufs Weiterkommen ausgesprochen gut sind, weil den Deutschen schon ein Unentschieden zum Gruppensieg reicht – in ihrem Camp an der brasilianischen Küste empfinden die Beteiligten auch die Aufregung um den Zustand der Nationalmannschaft als hemmungslos übertrieben. Die Wellen aus der Heimat sind natürlich auch an den Strand von Santo André geschwappt, aber die allgemeine Hysterie in beide Richtungen kontert die Nationalmannschaft mit offensiver Gelassenheit.

Oliver Bierhoff, der Manager des Teams, verweist in dieser Angelegenheit auf seine langjährige Erfahrung. „Irgendwie wiederholen sich die Geschichten bei jedem Turnier“, sagt er. Ein gutes Spiel zu Beginn verführt die Nation zum Überschwang („Was ist überhaupt mit dem Finale?“), bei einem schlechten bricht gleich der nationale Notstand aus. Plötzlich wird alles in Frage gestellt, was vorher hymnisch gelobt wurde: Ist Philipp Lahm im defensiven Mittelfeld überfordert? Wäre er in der Viererkette nicht besser aufgehoben? Braucht man auf den Außenpositionen nicht doch ausgebildete Außenverteidiger? Wird Sami Khedira im Laufe des Turniers überhaupt noch richtig fit? Muss der Bundestrainer jetzt nicht endlich mit Miroslav Klose als klassischem Mittelstürmer spielen?

Die Mannschaft diskutiert über die Medien

Immerhin gibt Oliver Bierhoff zu, dass er unter dem unmittelbaren Einfluss des Spiels auch geneigt war, die Leistung der Mannschaft „so ein bisschen negativ“ zu sehen, „kein Tempo, einige Probleme drin, dieses Auf und Ab am Ende“. Die Tiefenanalyse der Partie hat seine Einschätzung jedoch ein wenig relativiert. Es war nicht alles schlecht, findet Bierhoff. Die Mannschaft habe immerhin eine Reaktion gezeigt und sich allen Problemen zum Trotz viele Chancen erarbeitet. „Wir müssen nur den letzten Abschluss noch konsequenter suchen“, sagt er.

Vielleicht werden die Deutschen sogar noch mal dankbar für das Spiel gegen Ghana sein, das ihnen ihre Defizite vor Augen geführt hat, ohne dass es für die Gesamtsituation größeren Schaden angerichtet hätte. „Man muss hier höllisch aufpassen“, sagt Thomas Müller, „sonst kann es schneller vorbei sein, als man denkt. Mit dieser Seriosität und Akribie müssen wir in den Tag gehen.“

Die Veränderung muss gegen die USA aus der Mannschaft selbst kommen; von außen ist sie eher nicht zu erwarten. Nach den bisherigen Erfahrungen wird Joachim Löw nicht alles über den Haufen werfen. Es ist nicht davon auszugehen, dass Klose für Müller in die Spitze rückt, weil Klose von Löw mehr denn je als Bedrohung von der Bank gesehen wird. Und auch Lahm wird dort bleiben, wo er bei den Bayern oft genug zu überzeugen wusste: im defensiven Mittelfeld.

Die Debatte über den Kapitän ist auch in der Mannschaft angekommen, heftige Diskussionen hat es laut Thomas Müller allerdings nicht gegeben: „Wenn, dann wird diskutiert, warum darüber in den Medien diskutiert wird.“

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