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Ich schon wieder. Michael Phelps.
© AFP/Andersen

Schwimmen: Goldmedaille Nummer 19 für Michael Phelps

So richtig hatte niemand mit Michael Phelps am Sonntag gerechnet. Er hat für Rio vier Goldmedaillen angekündigt, die Freistilstaffel gehörte nicht dazu.

Normalerweise zeigt die große Videowand im Olympic Aquatic Stadium von Rio de Janeiro keine Live-Bilder aus dem Call Room. Was soll auch spannend daran sein, den im Warteraum mit Badekappe, Kopfhörern und Schwimmbrillen vermummten Sportlern beim Herumsitzen vor dem Start zuzusehen? Am Sonntagabend, kurz vor Mitternacht brasilianischer Zeit, macht die Hallenregie aber eine Ausnahme. Schließlich ist unter den 32 Schwimmern, die sich für die 4 x 100 Meter Freistilstaffel bereit machen, auch der erfolgreichste olympische Sportler aller Zeiten. Und als das Gesicht von Michael Phelps auf dem Videoscreen auftaucht, gehen erst ein Raunen und dann erste Jubelrufe durch die Arena.

Der Jubel wird noch lauter, als das US-Team die Halle betritt und Phelps mit seinen drei Mitstreitern ins Publikum winkt. Die Liebe, die dem bis zu diesem Zeitpunkt 18-fachen Olympiasieger von den brasilianischen Zuschauern und Schwimmfans aus aller Welt entgegenschlägt, wird nur kurzzeitig für ein Pfeifkonzert unterbrochen, das der russischen Staffel gilt. Danach allerdings fokussiert sich alle Aufmerksamkeit wieder ganz auf Phelps.

Der 31-Jährige reibt sich vor dem Start die Hände, als könne er es kaum erwarten, endlich mal wieder eine olympische Medaille in die Finger zu bekommen, noch muss er sich aber gedulden. Startschwimmer der Amerikaner ist Caeleb Dressel, er übernimmt sofort die Führung, Phelps schüttelt seine Jacke ab – und als das Publikum realisiert, dass er als nächster US-Schwimmer ins Becken schwimmen wird, schwillt der Lärm noch einmal an. Es wird sogar noch lauter, als Phelps sich bereit macht und auf den Startblock klettert. Er übernimmt das Rennen als Führender, übergibt an Ryan Held als Führender – und als Schlussschwimmer Nathan Adrian als Führender anschlägt, reckt Michael Phelps eine Faust in die Höhe und lacht lauthals auf. Frankreich wird Zweiter, Australien Dritter, Russland nur Vierter.

Phelps hat jetzt bei vier Olympischen Spielen – in Athen, in Peking, in London und nun in Rio de Janeiro – mindestens eine Medaille gewonnen

Eine Dreiviertelstunde später hat Michael Phelps die Medaille – seine 19. aus Gold und 23. olympische insgesamt – um seinen Hals hängen. Er hat jetzt bei vier Olympischen Spielen – in Athen, in Peking, in London und nun in Rio de Janeiro – mindestens eine Medaille gewonnen, die USA haben dank des Staffelsiegs die Führung im aktuellen Medaillenspiegel übernommen. So richtig hatte niemand mit Phelps in diesem Rennen gerechnet, er hat vor den Olympischen Spielen vier Starts und vier Goldmedaillen angekündigt, die kurze Freistilstaffel gehörte eigentlich nicht dazu. Ob es ihm Spaß gemacht hat, alle zu überraschen, wird Michael Phelps gefragt. „Vielleicht“, sagt er und lächelt.

Nach seinem zwischenzeitlichen Karriereende, einer tiefen persönlichen Krise und seinem Comeback ist Phelps wieder zurück an der Spitze. Er ist mittlerweile Vater eines Sohnes, erwachsen geworden, man traut ihm zu, auch abseits des Schwimmens glücklich zu werden. Eiskalt und abgeklärt ist er deswegen aber nicht. „Als Caeleb auf mich zukam, dachte ich, mein Herz würde explodieren“, sagt Phelps. „Ich weiß nicht, ob ich je so eine Aufregung, so viel Jubel während eines Rennens gehört habe. Es war wild.“

Phelps‘ Startsprung ist unglaublich schnell, schon acht Hundertstelsekunden nachdem Dressel angeschlagen hat, katapultiert er sich ins Wasser. Nach der Wende wächst sein Vorsprung noch, Phelps zieht seine Tauchphase länger und länger, sein Trainer Bob Bowman spricht von der „besten Wende, die ich je von Michael gesehen habe“. Phelps sei in wirklich guter Form, damit sei noch vor gut einem Monat nicht zu rechnen gewesen. Auch das Selbstvertrauen habe noch gefehlt, das würde sich nun sicher ändern.

Vor der Siegerehrung, das erzählt Michael Phelps später, habe er seinen jüngeren Teamkollegen einen Tipp gegeben. „Es ist okay mitzusingen. Es ist okay zu weinen. Genießt es einfach.“

Lars Spannagel

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