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Gleich ist der Ball drin: Giannis Antetokounmpo auf dem Weg zum Korb.
© AFP

BIG FOUR - Die US-Sport-Kolumne: Giannis Antetokounmpo ist ein 211 Zentimeter großer Albtraum für die Gegner

Früher lief er in Athen morgens viele Kilometer zur Halle. Nun könnte Antetokounmpo mit Milwaukee den NBA-Titel holen.

Eine Minute vor Schluss des vierten Spiels der "Best-of-seven"-Serie zwischen den Milwaukee Bucks und den Boston Celtics schepperte es noch einmal ordentlich. Giannis Antetokounmpo, der Superstar der Bucks, drehte sich um seinen Gegenspieler Jayson Tatum, zog von der Dreipunktelinie mit nur zwei Schritten bis zum Korb und stopfte den Ball per Dunking durch den Ring. Es war der Schlusspunkt eines überzeugenden Sieges der Bucks im Halbfinale der Eastern Conference der NBA. Damit führten sie 3:1. In der Nacht zu Donnerstag legten sie nach: 116:91, der Einzug in die nächste Runde war perfekt.

Die Szene aus dem vierten Spiel war ein perfektes Beispiel dafür, warum Antetokounmpo der Spitzname „The Greek Freak“, der griechische Freak, anheftet. Der 24-Jährige ist 2,11-Meter groß und verfügt über eine Spannweite von 2,21 Metern. Antetokounmpo muss nur dreimal dribbeln, um das knapp 29 Meter lange NBA-Spielfeld von einer Grundlinie bis zur anderen zu überqueren. Hinzu kommen 110 Kilo, die sich vornehmlich aus Muskelmasse zusammensetzen. Antetokounmpo vereint einen extrem definierten und starken Körper mit Athletik und Ballgefühl. Selten traf in der Geschichte des Basketballs eine derartige Physis auf so viel Talent. Diese Attribute machen den Griechen für jeden Gegenspieler zu einem Albtraum und ihn zu einem der besten Spieler der NBA.

Knapp 28 Punkte, 13 Rebounds und sechs Assists produzierte Antetokounmpo während der regulären Saison der NBA, die seine Milwaukee Bucks mit 60 Siegen aus 82 Spielen als das beste Team der Liga abschlossen. Nicht umsonst gilt er deshalb neben James Harden von den Houston Rockets als heißester Kandidat auf den Gewinn des Titels des wertvollsten Spielers der Saison. Dabei war vor zehn Jahren noch kaum etwas unwahrscheinlicher als dass aus Antetokounmpo ein NBA-Star werden würde. Giannis, dessen Eltern Anfang der 90er Jahre aus Nigeria nach Griechenland kamen, wuchs mit drei Brüdern im Athener Stadtteil Sepolia in ärmlichen Verhältnissen auf. Um Basketball spielen zu können, lief er zeitweise jeden Morgen fünf Kilometer bis zur Halle. Oft schlief er dort, um sich die anstrengenden Fußmärsche zu sparen. Mit den 200 Euro, die er nach wenigen Jahren als Basketballer monatlich verdiente, musste nicht nur er, sondern mussten auch seine Brüder durchkommen.

Zu seinem Glück stellte ein Trainer seines Jugendklubs Filathlitikos einen Kontakt zu einem griechischen Spieleragenten in den USA her. Der nahm Antetokounmpo unter seine Fittiche und garantierte ihm, dass er anderthalb Jahre nach deren Kennenlernen in der NBA spielen würde. „Ich habe das damals nicht für möglich gehalten. Ich wusste, dass das nicht passieren würde“, sagte Antetokounmpo jüngst rückblickend beim TV-Sender TNT.

23 Kilo Muskelmasse in vier Jahren

Im Juli 2013 schlugen die Bucks in der NBA-Draft, der jährlichen Talente-Wahl, an 15. Stelle zu und holten den damals noch spindeldürren Antetokounmpo nach Wisconsin. Durch extrem harte Arbeit gewann der Greiche binnen vier Jahren 23 Kilo Muskelmasse. Dazu arbeitete er stundenlang an seinem Umgang mit dem Ball, der Fußarbeit und seinem Spielverständnis. Bis heute steht Antetokounmpo fast täglich bis zu sechs Stunden in der Trainingshalle. „Er lebt in der Halle. Er ist, was den Trainingsfleiß angeht, auf einem Level mit Dirk Nowitzki“, sagte der ehemalige Bucks-Trainer Jason Kidd jüngst zu „ESPN“.
Von Jahr zu Jahr wurde der „Alphabet-Man“, wie viele Fans ihn auf Grund seines Nachnamens nennen, dominanter und zeitgleich spektakulärer in seinem Spiel. Aus den Milwaukee Bucks, einst eine der grauesten Mäuse der NBA, wurde plötzlich ein hippes und nun auch extrem erfolgreiches Team, das zum ersten Mal seit 2001 in das Conference Final eingezogen ist, wo es entweder gegen die Toronto Raptors oder die Philadelphia 76ers geht. Der griechische Freak macht es möglich, auch dank der 30 Punkte, denen er den Celtics in der laufenden Serie pro Spiel einschenkt. Mit ähnlichen Leistungen ist auch der Einzug in die Finalserie der NBA sehr realistisch. Es wäre nur eine weitere Bestätigung dafür, was sich seit Jahren andeutet und nun immer mehr manifestiert: Giannis Antetokounmpo gehört zum Besten, was die Basketball-Welt derzeit zu bieten hat.

Louis Richter

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