Fußball und Gewalt: Gesprächsbereitschaft statt Strafen
Politik und Funktionäre gehen in der Gewalt-Debatte bei einem Runden Tisch in Berlin auf die Fußball-Fans zu. Von drastischen Strafen war keine Rede mehr.
Von drastischen Maßnahmen war plötzlich überhaupt keine Rede mehr. Seit dem von Krawallen begleiteten Pokalspiel zwischen Borussia Dortmund und Dynamo Dresden am 25. Oktober hatten sich Politiker und Funktionäre beinahe überschlagen mit Forderungen nach drakonischen Strafen, mit denen die Gewalt im Fußball bekämpft werden sollte. Am gestrigen Montag kamen die Teilnehmer des „Runden Tisches zum Thema Fußball und Gewalt“ im Bundesinnenministerium zu ganz anderen Ergebnissen. „Der Dialog mit den Fans ist ein Schlüsselfaktor, um dem Problem Herr zu werden“, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Auch seine beiden wichtigsten Mitdiskutanten, DFB-Präsident Theo Zwanziger und DFL-Chef Reinhard Rauball, waren sich in dieser Hinsicht einig. „Wir halten es für wichtig, dass wir nicht nur über die Fans, sondern auch mit den Fans diskutieren“, sagte Rauball. Zwanziger betonte, mit „schnell dahingehauenen Maßnahmen“ sei niemandem geholfen.
Es war bemerkenswert, wie oft bei der Pressekonferenz nach Abschluss der Gespräche das Wort „Fandialog“ fiel. Es herrschte große Einigkeit darüber, dass der allergrößte Teil der Fans ohne schlechte Absichten in die Stadien geht. „Zu 99 plus X Prozent haben wir es mit friedlichen Fans zu tun“, sagte Friedrich. Der Innenminister forderte sogar explizit, man müsse das Gespräch mit Ultras und gewaltbereiten Fußballfans suchen. Als neues Werkzeug wird eine Task Force eingerichtet, die Lösungsvorschläge erarbeiten soll. An dieser Gruppe sollen neben dem Ligaverband, dem DFB, den Klubs, Rechtsexperten, Polizeivertretern und den Fanprojekten auch ein Vertreter der Fanvereinigung „Unsere Kurve“ beteiligt sein. Am Runden Tisch hingegen hatten keine Fans gesessen. „Wir wollen nicht nur über die Fans reden, sondern auch mit den Fans“, sagte Rauball und reagierte damit auch auf heftige Kritik von Medien und Fanvertretern vor dem Treffen.
Über die Task Force hinaus wurden keine weiteren Maßnahmen angestoßen, auch der vage Vorschlag, Fans sollten sich selbst eine Art Ehrenkodex geben, wurde nicht weiter ausgeführt. Insgesamt wurde aber klar, dass gerade die Vertreter des Fußballs auf Prävention statt auf härtere Strafen setzen. Zwanziger erklärte aber auch, dass bei weiteren Krawallen auch andere Maßnahmen ergriffen werden könnten und schloss etwa einen Abschied von Stehplätzen in deutschen Stadien oder die Beschränkung von Kartenkontingenten für Auswärtsspiele nicht aus. Bei Gewalttaten solle es weiter „null Toleranz“ geben, wie auch Boris Rhein (CDU), der aktuelle Vorsitzende der Innenministerkonferenz, betonte. In den Kurven des Landes dürfte aber mit Erleichterung zur Kenntnis genommen worden sein, dass es zunächst keine verschärften Regelungen bei Stadionverboten geben soll.
Zwanziger und Rauball machten klar, dass die zuletzt geführte Diskussion um ein legalisiertes und kontrolliertes Abbrennen von Pyrotechnik nicht wieder aufgenommen wird. „Es widerspricht sich von vornherein, dass eine rechtswidrige Tat Teil einer Fankultur sein kann“, sagte Rauball. Zwanziger mahnte, auch „verbale Gewalt“, die seiner Meinung nach zuletzt gegen Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp oder Bayern-Präsident Uli Hoeneß geäußert worden war, dürften „zivilisierte Fans nicht dulden“.
Als Gewinner des Tages durften sich die Fanprojekte fühlen, denen zwar keine konkreten finanziellen Versprechungen gemacht wurden, deren soziale Arbeit besonders mit Jugendlichen aber explizit gelobt wurde. Entsprechend entspannt wirkte Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte. „Ich möchte meiner Zufriedenheit Ausdruck verleihen, dass der Runde Tisch nah am Thema, sachorientiert, nüchtern und sehr differenziert diskutiert hat“, sagte Gabriel. „Wir brauchen die Fans. Wir müssen sie als Teil der Lösung einbeziehen und dürfen sie nicht als Problem darstellen.“