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Links: Mithilfe dieser nachgespielten Szene bat die Polizei im Fall Pepper in der Fernsehsendung "Aktenzeichen XY" um Hinweise. Rechts: Ein riesiges Aufgebot der Polizei suchte am Montagmittag in Hubertushöhe nach dem Tatverdächtigen. Auch ein Brachgelände wurde begangen, es ist aber nicht klar, ob der Täter sein Opfer auch dorthin verbracht hat.
© ZDF/Securitel (links), Thomas Schröder (rechts)
Update

Täter überfiel 51-Jährigen und Familie: Geschäftsmann flieht vor brutalem Entführer

Nach einem anderthalbtägigen Martyrium hat sich ein Geschäftsmann aus der Gewalt seines Entführers befreien können. Der Täter ist offenbar auch für die Anschläge auf die Unternehmerfamilie Pepper verantwortlich. Nun werden Details der äußerst brutalen Tat bekannt.

Es dürften die beiden spektakulärsten Kriminalfälle in der jüngeren Geschichte Berlins und Brandenburgs sein. Und plötzlich wird daraus auch noch ein Fall: Die Polizei fahndet fieberhaft nach einem bewaffneten Geiselnehmer, der einen Berliner Geschäftsmann in der Nacht zum Samstag im Wohnhaus der Familie nahe Storkow (Landkreis Oder–Spree) gewaltsam entführt hatte, um ein Lösegeld in Millionenhöhe zu erpressen. Der 51-jährige, ein Vorstand eines Finanzkonzerns, konnte sich nach einem zweitägigem Martyrium auf einer Schilfinsel unter freiem Himmel am Sonntagmorgen selbst befreien. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dem Täter um denselben Mann, der im Herbst 2011 mehrere Anschläge auf die Berliner Millionärsfamilie Pepper verübt hatte. Pepper wohnte damals in Bad Saarow, ebenfalls auf einem Seegrundstück. Die Tatorte Storkow und Bad Saarow liegen nur zehn Kilometer auseinander. Der Geiselnehmer hatte im Wohnhaus sofort einen Schuss zur Einschüchterung abgegeben. Das abgefeuerte Projektil stammt nach einem ersten Gutachten des Landeskriminalamtes „mit höchster Wahrscheinlichkeit“ aus derselben Pistole tschechischer Bauart wie im Fall Pepper. Beide Familien kennen sich allerdings nicht, beide Manager haben keine Geschäftsbeziehungen, so die Behörden. Die Familie Pepper steht seit Monaten in Berlin unter Polizeischutz.

Es geht um einen Entführungsfall, der in seinen Details selbst altgediente Fahnder nicht kalt lässt. Am Freitagabend war der Mann, womöglich mit einer Sturmhaube oder einer Imkerkappe maskiert, weshalb die Soko „Imker“ heißt, um 21.35 Uhr in das Wohnhaus eingedrungen. Er gab sofort einen Schuss ab und zwang die Ehefrau, ihren Mann zu knebeln sowie ihm Augen und Hände zu verkleben. Anwesend war auch eins der Kinder der Familie, knapp zehn Jahre alt. Ehe der Unbekannte verschwand, drohte er laut Polizei, den Mann „zum Krüppel zu schießen“ und das Kind zu holen, falls die Polizei eingeschaltet würde. Trotzdem alarmierte die Frau zehn Minuten später die Polizei. Es folgte ein verdeckter Großeinsatz von 200 bis 300 Polizisten, hinzugezogenen Spezialkräften aus Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hamburg, Berlin.

Die Karte zeigt den Wohnort des Opfers und den Ort, an dem der Mann nach seiner Flucht an Land ging:

Die Fahnder standen vor einem Rätsel. Fährtenhunde brachten nichts, denn der Mann war mit seiner Geisel über das Wasser verschwunden. Er hatte den 51-jährigen gezwungen, sich an ein Paddel- oder Kanuboot festzuklammern und mit verbundenen Augen hinterherzuschwimmen. Später wurde das Boot gewechselt und die Geisel auf einer Luftmatratze hinterhergezogen, bis zu einer Schilfinsel nahe der Ortschaft Wendisch–Rietz, die der Täter per GPS gesucht hatte. Dort bekam das Opfer trockene Sachen, wurde in eine Plastikfolie geschnürt, so dass nur der Mund frei blieb. Nahrung bekam er am Tage und den zwei Nächten unter freiem Himmel keine, lediglich einen Schlauch, um Seewasser zu trinken. Zwischenzeitlich, so die Polizei, habe das Opfer zehn Seiten Briefe schreiben müssen, an die Familie, für Lösegeldforderungen. „Geplant war eine Schnitzeljagd“, mit Informationen an verschiedenen Orten, um die Geldübergabe zu organisieren. Dass es dazu nicht kam, lag allein am Überlebenswillen und der Nervenstärke des Opfers. „Er ist in meinen Augen ein Held. So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagte Chefermittler Hans-Jürgen Mörke. Dem Opfer war es am Sonntagmorgen gegen 7 Uhr gelungen, seine Hände zu befreien, in der Dunkelheit durch das Wasser zu fliehen, bis zu einem 300 Meter entfernten Haus in Wendisch-Rietz – obwohl der Täter in der Nähe war, ihn zunächst noch verfolgte. Inzwischen konnte die Polizei mit Hilfe des Opfers das Versteck ausfindig machen, hat auch DNA-Spuren des Täters. Seine Familie hat sich nach Angaben der Polizei in eine Berliner Wohnung bringen lassen, die wie der Firmensitz nun von Spezialisten des Landeskriminalamtes geschützt wird. Denn aus dem Fall Pepper wissen die Behörden, dass der Täter vor mehrfachen Versuchen nicht zurückschreckt. Dieser Fall ist seit einem Jahr ein Rätsel. Obwohl die Familie eine Belohnung von 50 000 Euro ausgesetzt hatte und der Fall zweimal bei Aktenzeichen XY vorgestellt wurde, gibt es keine heiße Spur.

Gesucht wird nun ein akzentfrei deutsch sprechender Mann, zwischen 35 und 50 Jahre alt, 1,70 bis 1,85 Meter groß, kräftig, durchtrainiert, der sich in der Oder-Spree-Region um den Scharmützelsee auskennt und dort nicht auffällt. Möglich sei, dass er einen militärischen Hintergrund habe, bei der DDR-Volksarmee, der Stasi oder Spezialeinheiten, hieß es. Der Täter ist offenbar Rechtshänder, kein ständiger Brillenträger und vermutlich Nichtraucher, da er während der Entführung auf der Insel nicht rauchte. Er sei „brandgefährlich“, hatte etwa das Wohnhaus der Familie „wochenlang observiert, um die Tat vorzubereiten“, berichtete Mörke am Freitag auf der gemeinsamen Pressekonferenz von Staatsanwaltschaft und Polizei in Frankfurt (Oder). Dies habe der Unbekannte seinem Opfer erzählt. Möglich sei, dass sich der Täter dabei als Angler getarnt habe, sagte Mörke. Auffallend sei, dass auch die Familie Pepper damals in einer Villa direkt am Scharmützelsee lebte. Auch seinerzeit hatten Ermittler berichtet, dass sich der Täter hervorragend in der Gegend auskennen müsse.

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