Spaniens schlimmer Finger: Gerard Pique spaltet eine ganze Nation
Gerard Piqué polarisiert nicht erst seit seiner Geste vor dem Spiel gegen Kroatien. Leidet darunter auch der Erfolg der Nationalmannschaft?
Wenn Gerard Piqué sich über den Kurznachrichtendienst Twitter zu Wort meldet, sitzt ihm meist der Schalk im Nacken. Mal sind es Sticheleien gegen Fußballerkollegen (vorzugsweise jene von Real Madrid), mal Filmempfehlungen oder ein flapsiger, sinnfreier Spruch, den der 29 Jahre alte Fußballspieler des FC Barcelona hinaus in die Welt sendet. Wie Lukas Podolski auf Seiten der deutschen Mannschaft ist Piqué ständig in den sozialen Netzwerken aktiv.
Am späten Dienstagabend war das Anliegen des Spaniers ausnahmsweise von ernsterer Bedeutung: „Ich habe lediglich meine Finger knacken lassen. Lasst uns keine Polemik suchen, wo keine ist“, schrieb er nach der 1:2-Niederlage gegen Kroatien, die Spanien den Gruppensieg kostete und im Achtelfinale auf Italien treffen lässt.
Was war passiert? Piqué hatte während der spanischen Hymne den Arm um Nebenmann David de Gea gelegt und irgendwann begonnen, seine Finger spielerisch zu bewegen. Just in dem Moment, als die Kamera auf den Verteidiger schwenkte, hatte er den Mittelfinger ausgestreckt. Frei nach Stefan Effenberg wurde ein klassischer Stinkefinger sichtbar.
Zufall oder pure Absicht? Als Piqué sich später erklärte, tobte im Netz längst schon eine hitzige Debatte. „Zeigt der Mistkerl tatsächlich Spanien den Finger?“, fragte einer und die Antworten bildeten das ganze Spektrum interaktiver Diskussionskultur ab. Mancher vermutete eine dreiste Provokation, andere glaubten an eine Verkettung unglücklicher Umstände.
Wie es eben so ist, wenn es um Gerard Piqué geht. Mit einiger Sicherheit wäre das Ganze als Lappalie abgetan worden, hätte es sich um den Finger von Andres Iniesta oder Alvaro Morata gehandelt. Nicht aber bei Piqué. Keiner polarisiert in Spanien derart wie der 1,93 Meter große Hüne. Außerhalb Barcelonas ist Piqué so etwas wie der Lieblingsfeind spanischer Fußballfans. In fremden Stadien wird er leidenschaftlich ausgepfiffen, vor allem in Zentralspanien. Ganz egal ob er gerade das Trikot des FC Barcelona oder das der Nationalmannschaft trägt.
Vergangenen Herbst, als die Selección für zwei Länderspiele in León zusammenkam, erreichte die Antipathie ihren Höhepunkt. Fans buhten ihn selbst im Training bei jeder Ballberührung aus. Mitspieler und Trainer Vicente del Bosque sprangen Piqué zur Seite, aber der Zorn der Zuschauer legte sich nur langsam. Im Detail ging es um die zu dieser Zeit regelmäßigen Sticheleien des Verteidigers gegen Real Madrid und eine Rede auf der Feier nach Barcelonas Sieg in der Champions League, die Piqué dazu nutzte, den Rivalen aus der Hauptstadt mit Spott zu grüßen. Fans der Nationalmannschaft warfen ihm vor, er versuche die Selección zu spalten.
Gerard Piqué stammt aus einer angesehenen katalanischen Familie
Tatsächlich verhält es sich mit dem Katalanen und den Spielern von Real wie zwischen entfernten Verwandten in einer Großfamilie. Man mag sich nicht zwangsläufig, reißt sich aber für besondere Anlässe zusammen. Piqué und Abwehrkollege Sergio Ramos werden vermutlich nicht mehr auf der Geburtstagsparty des anderen erscheinen, als Ramos aber der erste war, der Piqué nach seinem Siegtor gegen Tschechien gratulierte, nutzte Letzterer die Gelegenheit und wandte sich über Twitter an die Fans: „Seht ihr, alles gut.“
In Frankreich ist er sehr bemüht, das Bild, das die spanische Öffentlichkeit von ihm hat, zu korrigieren. Sein in Mannschaftskreisen gefürchtetes „Periscope“, ein Format, bei dem er Mitspieler im Blödelton interviewt und dabei selbst mit der Handykamera filmt, hat er bisher unterlassen. Niemand soll ihm vorwerfen, er konzentriere sich auf Nebensächlichkeiten. Wie es öfter in seiner Karriere mal der Fall war. Pep Guardiola soll während seiner Zeit als Trainer des FC Barcelona Piqués Lebenswandel von einem Detektiv überwachen lassen haben, weil er seinem Abwehrchef, der zu den besten der Welt zählt, nicht traute. Allein durch seine Partnerschaft mit der kolumbianischen Sängerin Shakira zählt Piqué in Spanien als Sportler mit hohem Glamourfaktor.
Gerard Piqué stammt aus einer wohlhabenden, angesehenen Familie aus Barcelonas Oberschicht. Der Vater Rechtsanwalt, die Mutter Oberärztin, der Opa ehemaliger Vizepräsident des FC Barcelona. Im Alter von zehn Jahren kam er zu Barça und seitdem gibt es Menschen, die behaupten, wenn Piqué sich schneidet, würde nicht rotes, sondern blau-rotes Blut aus seiner Wunde fließen. Blau-Rot, blaugrana, die Farben des FC Barcelona. Mit der Nationalmannschaft nehme er es dagegen nicht ganz so ernst, heißt es immer wieder.
In Zeiten, in denen die erfolgreichsten Mannschaften immer weniger Klub und immer mehr globalisiertes Großunternehmen sind, verkörpert Piqué einen Typ Fußballer, den es eigentlich nicht mehr gibt. Er ist Spieler und größter Fan seines Klubs zugleich, treu bis in die Zehenspitzen. Die Zeit, als am Anfang seiner Karriere zu Manchester United und Real Saragossa ausgeliehen wurde, bezeichnete er mal als „dunkle, von Heimweh bestimmte Epoche“. Er ist die gelebte Rivalität zwischen Barcelona und Real Madrid, Siege im Clasico feiert er ausgelassen, Niederlagen nimmt er persönlich. Piqué vermeidet zwar Äußerungen zu politischen Debatten, gilt aber als stolzer Katalane, außerhalb Barcelonas wird ihm oft eine separatistische Gesinnung unterstellt und. Deshalb vermuten manche Fans hinter dem Fingerzeig vom Dienstag eine gezielte Provokation. Dass Piqué über Twitter aufrief, alles daran zu setzen, gemeinsam die EM zu gewinnen, ging in der allgemeinen Erregung unter.
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