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Stuttgarts Martin Harnik findet tröstende Worte für Mitspieler Lukas Rupp.
© Reuters

VfB Stuttgart steigt ab: Gegentore ins Herz

Stuttgart verliert am letzten Spieltag auch in Wolfsburg. Der Absturz des VfB in die Zweitklassigkeit sollte bis zum ganz bitteren Ende mit einer merkwürdigen Lethargie verbunden bleiben.

Das Plakat, das den großen Frust in böse Worte fasste, war schon während der Halbzeitpause ausgerollt worden. „Keine Ahnung, keine Planung, kein Konzept: Vorstand raus“, stand auf diesem Banner, das die Anhänger des VfB Stuttgart allen im Stadion zeigen wollten. Ihr Lieblingsverein war vor neun Jahren noch Deutscher Meister. Er hatte sich in der laufenden Saison, als Jürgen Kramny Ende November zum neuen Cheftrainer bestimmt worden war, ein wenig gebessert, um nun doch abzusteigen. Auf der Zielgeraden hatte der erlahmte VfB nichts mehr zuzusetzen. Dem bitteren 1:3 in der Vorwoche im Heimspiel gegen Mainz 05 war nun auch noch ein 1:3 (0:2) beim VfL Wolfsburg gefolgt. Maximilian Arnold und zweimal André Schürrle schossen die Tore und trafen den VfB Stuttgart mitten ins Herz, der durch einen Freistoßtreffer von Daniel Didavi nur verkürzen konnte. Der direkte VfB-Abstieg lässt einen Traditionsverein der Fußball-Bundesliga verzweifeln, während so mancher rivalisierende Zwerg wie Darmstadt, Augsburg oder Ingolstadt den Klassenerhalt geschafft hat.

Der Absturz des VfB Stuttgart in die Zweitklassigkeit sollte bis zum ganz bitteren Ende mit einer merkwürdigen Lethargie verbunden bleiben. Mit Kramny saß ein Mann auf der Trainerbank der Schwaben, der kurioserweise erst nach 25 Spielminuten als Chefcoach wirklich in Erscheinung getreten war. Der Mann erhob sich, gestikulierte ein wenig mit den Armen, um sich danach gleich wieder zu setzen. War denn wirklich alles schon vorher verloren? Hätte man im Kampf gegen den Abstieg nicht noch einmal alles nur Erdenkliche versuchen müssen? Kramny beließ seine Reservisten dort, wo es gemütlich war, anstatt den Spielern auf dem Platz mit einem Austausch zu drohen. Er wechselte den offensivstarken Martin Harnik erst ein, als Wolfsburg schon mit 2:0 führte und für Stuttgart im Grunde alles zu spät war. Wenn der VfB in den nächsten Tagen seine in der Saison 2015/16 entstandenen Scherben zusammenkehrt, läuft Kramny große Gefahr, gemeinsam mit Sportdirektor Robin Dutt auch für überflüssig befunden zu werden.

Es gab so manche Schlüsselszene an diesem 34. Spieltag, der die Mängel auf Stuttgarter Seite vor 30 000 Zuschauern noch einmal schonungslos aufdeckte. Bei den beiden Wolfsburger Toren hatten die Profis des VfB erstaunlich brav Spalier gestanden. Vor dem 1:0 konnte Marcel Schäfer unbedrängt flanken. Das 2:0 war nach einem Konter entstanden, bei dem es etwas ganz Schlimmes für die Stuttgarter Fans zu sehen gab. Denn Verteidiger Emilio Insua hatte vergeblich versucht, den Ball führenden Daniel Caligiuri noch einzuholen. Rund 30 Meter war er seinem Wolfsburger Kollegen hechelnd hinterher gelaufen, ehe der die Vorlage zum vorentscheidenden 2:0 geben konnte. Die Szene entlarvte das grundlegende Stuttgarter Problem. Was nach vorne gut und modern aussieht, will in der Gegenrichtung einfach nicht gelingen. Die Schwaben haben in dieser Bundesligasaison die mit Abstand schwächste Abwehr ins Rennen geschickt. Das zu bestrafen, war vor dem VfL Wolfsburg auch schon so manch anderem Gegner mit Nachdruck gelungen.

Ein Hauch von Hoffnung wäre noch aufgekeimt, wenn Harnik kurz vor der Halbzeitpause mutiger und treffsicherer gewesen wäre. Nach einem sehenswerten Stuttgarter Angriff hatte er den Ball freistehend vor Schlussmann Koen Casteels nicht ins Tor, sondern gegen die Latte geschossen. Es war einer dieser vielen Momente, in denen der VfB seine vorhandenen Angriffskünste zeigen konnte, sich aber nicht belohnte. Und auf der Gegenseite muss dem VfL Wolfsburg bescheinigt werden, dass er sich nach einer für ihn völlig misslungenen Saison keinerlei Blöße geben wollte. Die Mannschaft von Trainer Dieter Hecking hatte vehement um ein für die heimischen Fans versöhnliches Erfolgserlebnis gekämpft. Der Elan der Niedersachsen war größer als der Wille des VfB Stuttgart, doch noch das große Wunder zu vollbringen.

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