Champions-League-Finale: Gareth Bale: Der teuerste Schattenmann der Welt
Keiner bei Real Madrid hat so viel gekostet wie der Waliser Gareth Bale. Doch Cristiano Ronaldo steht ihm immer im Weg - auch im Champions-League-Finale am Samstag?
Gareth Bale ist ein stolzer Waliser. Als er vor ein paar Monaten die Eröffnung seines eigenen Pubs in Cardiff ankündigte, konnte das nur an einem ganz bestimmten Tag geschehen. Am 1. März, dem Nationalfeiertag, der auf Walisisch Dydd Gwyl Dewi heißt und im restlichen Vereinigten Königreich St. David's Day. Der kickende Kneipier hat sich einen guten Platz für das „Elevens Bar & Grill Sport“ ausgesucht. Mitten im Zentrum der walisischen Hauptstadt, in Fußwegnähe zum Hauptbahnhof, zur märchenhaften Burg Cardiff Castle und, nicht ganz unwichtig: Das Millennium Stadium ist auch gleich um die Ecke.
Es wird wohl der eine oder andere Fan vorbeischauen, wenn Bale an diesem Wochenende mal wieder nach Hause kommt. Mit Real Madrid gastiert er am Samstag beim Finale der Champions League im Heimstadion der walisischen Nationalmannschaft. Als die Herrschaften mit dem roten Drachen auf den Leibchen im vergangenen Sommer bei der Europameisterschaft in Frankreich bis ins Halbfinale stürmten, war der Fußballprofi Gareth Bale daheim so populär wie die ansonsten populärsten Waliser Timothy Dalton, Shirley Bassey und Tom Jones zusammen, mindestens.
Bale ist dieser Tage omnipräsent in Cardiff
Es ist schwer, ihm in diesen Tagen aus dem Weg zu gehen. Gleich neben dem Millennium Stadium lächelt ein überdimensionaler Gareth Bale von der Fassade eines Hochhauses, weiter vorn steht eine Gareth-Bale-Skulptur in Bronze, angefertigt von dem Künstler, der schon Cristiano Ronaldo modelliert hat. Der heutige Samstag, an dem Bales Klub Real Madrid gegen Juventus Madrid um die Regentschaft in Europa spielt, ist nicht nur im „Elevens Bar & Grill Sport“ seit Wochen als Feiertag fest eingeplant. Da trifft es sich nicht so gut, dass der Volksheld vielleicht gar nicht mit dabei ist, jedenfalls nicht von Anfang an. „Ich bin nicht bei einhundert Prozent und nicht in meiner besten Form“, sagte Bale dem Radiosender „Cadena Ser“. „Im Augenblick weiß ich nicht, ob ich volle 90 Minuten spielen kann.“
Ende April hat er sich im Clásico gegen den FC Barcelona an der Wade verletzt und seitdem vergeblich auf ein Comeback hingearbeitet. Bales Platz in Reals Offensive übernahm Francisco Román Alarcón Suárez, genannt Isco, und der machte seine Sache so gut, dass Trainer Zinedine Zidane ihn auch am Samstag gegen Juve auf den Rasen des Millennium Stadiums schicken dürfte. „Die Mannschaft war ohne mich sehr gut und Isco war fantastisch“, sagte Bale. „Ich verstehe jede Entscheidung, die der Trainer treffen wird.“ Die Verletzung kostete Bale schon die Teilnahme an den höchst emotionalen Stadtderbys gegen Atlético im Halbfinale der Champions League, auch die spontane Meisterparty auf dem Platz nach dem 2:0-Sieg in Malaga am vergangenen Wochenende fand ohne ihn statt. Es ist kein leichtes Jahr für Bale. Erst zwickte es in der Hüfte, dann im Sprunggelenk, es folgten muskuläre Probleme und zuletzt die Wadenverletzung.
Nach neuesten Recherchen der Enthüllungsplattform Football Leaks hat Real Madrid für Gareth Bales Transfer im Sommer 2013 exakt 100 759 418 an Tottenham Hotspur überwiesen. Damit ist der Flügelstürmer mit der atemberaubend hohen Beschleunigung der teuerste Spieler des teuersten Klubs der Welt, teurer noch als Cristiano Ronaldo, was dieser ihn jeden Tag spüren lässt.
Ronaldo hat seine Hausmacht immer durchgesetzt
Beide spielen sie am liebsten und besten auf dem linken Flügel, aber Ronaldo hat über seine Hausmacht noch immer durchgesetzt, dass Bale dort zu spielen hat, wo er selbst nicht gerade spielt. Der Waliser hat auf dem falschen Flügel von Madrid schon grandiose Spiele hingelegt. Gleich in seiner ersten Saison gelang ihm im spanischen Pokalfinale gegen Barcelona das Siegtor und im Endspiel der Champions League gegen Atlético der vorentscheidende Treffer zum 2:1. Aber die Wertschätzung, die er zu Hause erfährt, ist ihm im Estadio Santiago Bernabeu nie entgegengebracht worden. Und das liegt natürlich auch am allgegenwärtigen Schatten Ronaldos.
Es war ein anderer Bale, der Europa im Sommer 2016 verzauberte. Einer, der mit kindlicher Begeisterung durch Frankreich tourte und erzählte, die Europameisterschaft sei für ihn so etwas wie ein Urlaub mit Freunden. Der Mann mit der Nummer 11 auf dem Rücken war der von allen akzeptierte Chef auf dem Platz. Anders als in Madrid, wo Ronaldo in seiner Cowboy-Pose ein ewiges Vorrecht genießt, durfte Bale auch alle Freistöße schießen, einen davon verwandelte er zum Führungstor im prestigeträchtigen Insel-Derby gegen England (das dann doch verloren ging).
Alle walisischen Spieler betonten in Frankreich oft und gern, wie stolz sie auf ihr Land seien. Dabei waren sie zum größten Teil gebürtige Engländer, gesegnet mit walisischen Großvätern oder -müttern. Gareth Bale aber ist in Cardiff geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen. Die Whitchurch High School liegt im Norden der Stadt, ein gutes Stück entfernt vom Zentrum mit Bahnhof, Burg und Stadion. Bales früherer Sportlehrer Gwyn Morris hat mal erzählt, wie er den späteren Volkshelden unfreiwillig auf seine spätere Karriere in Madrid vorbereitet hat. Der junge Gareth Bale war allen Mitschülern so turmhoch überlegen, dass Morris ihn anwies, beim Dribbeln nur noch den schwächeren rechten Fuß zu benutzen. „Was immer du unterrichtest – es geht darum, die Stärken zu behalten und die Schwächen zu beseitigen“, sprach der Lehrer. Bale schulte also täglich seinen rechten Fuß, auf den er jetzt bei Real so oft angewiesen ist, wenn er wegen Ronaldo den geliebten linken Flügel verlassen muss.
Ob damit irgendwann mal Schluss sein wird? Bale ist 26 Jahre alt, und als er seinen Vertrag im vergangenen Oktober bis 2022 verlängerte, wirkte das wie ein Statement des Klubs über eine künftige Neubesetzung des linken Flügels. Vier Wochen später verlängerte auch Ronaldo, immerhin bis zum Sommer 2021. Er wird dann 36 Jahre alt sein, aber wahrscheinlich dürfte ihm das kaum jemand anmerken. Schon jetzt hat der Portugiese seinen Stil umgestellt, will nicht mehr jeden Ball haben, gönnt sich seine Pausen. Und schießt doch wie aus dem Nichts seine Tore. Gareth Bale wird sich gedulden müssen, in der mittleren Zukunft in Madrid wie in der näheren am Samstag in Cardiff.