Berliner Fußball: Fußballvereine für Integrationsbemühungen geehrt
Über Integration wird viel geredet, in den Berliner Fußballvereinen wird sie praktiziert. Der Verband weiß das zu würdigen und zeichnete jetzt die engagiertesten Klubs 2010 aus.
Der Integrationspreis des Berliner Fußballverbands (BFV) wurde in diesem Jahr zum dritten Mal verliehen. Die Zahl der Bewerber ist stetig gestiegen. 22 Vereine waren es in diesem Jahr, im Vergleich zu 14 und 18 in den beiden Vorjahren. „Es ist ein wachsendes Engagement zu spüren, die Vereine beschäftigen sich zunehmend mit dem Thema Integration“, sagt Mehmet Matur, Integrationsbeauftragter des BFV. Mit dem Kreuzberger Klub Hansa 07 hat kürzlich sogar ein Verein den interkulturellen Gedanken in die Vereinssatzung aufgenommen.
Den mit 4000 Euro dotierten ersten Preis erhielt in diesem Jahr der SV Blau-Weiß Hohen Neuendorf, der zwar aus Brandenburg kommt, traditionell aber Mitglied im BFV ist. Anlässlich der Weltmeisterschaft im Sommer veranstalte der Klub seine Mini-WM „Afrika 2010“, an der sieben Kitas aus den umliegenden Gemeinden mit insgesamt knapp einhundert Kindern teilnahmen.
Bereits Wochen vorher suchte sich jede Kita ein afrikanisches Land aus, welches sie bei der Mini-WM repräsentieren wollten. Daraufhin setzten sich die Kinder in Projekt-Wochen intensiv mit dem jeweiligen Land auseinander. So wurden durch Gesang, Spiele und Bastelaufgaben die Kultur des Landes erkundet, Collagen erstellt und auch gesellschaftliche Probleme wie Armut und Flüchtlingsströme kindergerecht thematisiert. Der Höhepunkt war dann das Fest auf dem Vereinsgelände des Blau-Weiß Hohen Neuendorf, auf dem die Kindergruppen das Gelernte vorführten, um dann sportlich den „afrikanischen Mini-Weltmeister“ zu ermittelten.
Der Einsatz der Hohen Neuendorfer ist beachtlich, letztlich aber auch nur ein einzelnes Beispiel für ein breites Engagement vieler Berliner Sportvereine. So erhielten auch der Lichterfelder FC für seinen kontinuierlichen Beitrag zur Integration und der Mariendorfer SV für die Durchführung eines Fußballturniers in einer Jugendhaftanstalt Auszeichnungen. Sieben weitere Klubs wurden von der Jury in die engere Auswahl genommen und bei der Zeremonie am vergangenen Mittwoch geehrt. Dabei wird der Integrationsbegriff beim BFV bewusst weit gefasst. So wurden in der Vergangenheit auch Projekte gewürdigt, die sich um Behindertensport oder die Förderung von Mädchenfußball verdient machen. „Gerade viele Mädchen haben Berührungsängste mit Fußballvereinen, hier kann mit gezielter Integrationsarbeit einiges erreicht werden“, so Mehmet Matar.
"Die praktische Integration wird zu 70 bis 80 Prozent von den Sportvereinen geleistet"
Probleme gibt es jedoch weiterhin. Hier sieht der Integrationsbeauftragte vor allem bei vielen migrantischen Vereinen in Berlin eine schlechte Vereinsführung und mangelhafte Strukturen, die erfolgreiche und kontinuierliche Integrationsarbeit oft erschweren. Auf der anderen Seite gibt es laut Matar einige deutsche Vereine, bei denen zwar ein Großteil der Mitglieder einen Migrationshintergrund hat, die Entscheidungsträger aber ausschließlich deutsch sind. „Hier muss noch mehr getan werden, um auch die migrantischen Mitglieder stärker mit einzubinden, vor allem was so einfache Dinge angeht wie das Organisieren von Vereinsfesten und ähnlichem.“ Der Integrationspreis soll dabei ein Zeichen sein, dass derartige Anstrengungen auch gewürdigt werden. Er gibt den Vereinen Mut – auch denen, die vielleicht erst mal enttäuscht sind, dass sie keine der vorderen Platzierungen erreicht haben.
Besonderen Ansporn benötigte der Blau-Weiß Hohen Neuendorf bei seiner Integrationsarbeit kaum. „Wir haben schon ähnliche Projekte organisiert, und auch die Mini-WM war schon längst gelaufen, als wir von der Preis-Ausschreibung erfuhren.“, so der Vize-Vorsitzende des Brandenburger Klubs, Jürgen Teßmann. Integrationsarbeit ist für ihn selbstverständlich und auch Teil der gesellschaftlichen Verantwortung eines Sportvereins. “Die Politik ist nur die eine Seite, die praktische Integration wird aber zu 70 bis 80 Prozent von Vereinen wie unserem geleistet.“ Auf der Ebene der Sportvereine klappt die Integrationsarbeit laut Teßmann vor allem deshalb besonders gut, weil sich die Leute hier freiwillig begegnen. Dies sei eine wichtige Grundlage, die eher Erfolg verspricht als irgendwelche gesetzlichen Regelungen. Der Fußball ist dabei der wichtigste Motor, einfach aufgrund seiner Popularität, wobei auch andere Sportvereine wichtige Integrationsarbeit leisten.
Für den Vize-Vorsitzenden hört die gesellschaftliche Verantwortung nicht beim Thema Integration auf. So engagiert sich sein Verein auch gegen Intoleranz und Rechtsextremismus in der Initiative „Nordbahngemeinden mit Courage“, in der sich viele Gemeinden und Vereine aus dem Landkreis nördlich von Berlin zusammengeschlossen haben. Das Preisgeld wollen die Brandenburger für die nächsten Projekte verwenden. Denn auch 2011 soll in Hohen Neuendorf anlässlich der Frauen-Weltmeisterschaft eine Mini-WM steigen, diesmal mit dem Ziel, Mädchen aus der Umgebung für den Sport zu begeistern.
Die zehn Vereine, die von der Jury für die Auszeichnungen nominiert wurden, waren in diesem Jahr:
- KSF Anadolu-Umutspor für die Organisation eines Integrationsturniers sowie tägliche Integrationsarbeit
- Berlin Ankaraspor Kulübü 07 für die Integration von Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund
- SV Blau-Weiss Berolina Mitte 49 für die Ausrichtung eines Fußballturniers mit Schulen unterschiedlicher religiöser Ausrichtung
- SC Borsigwalde 1910 für die Organisation eines „Tag gegen Ausländerfeindlichkeit“
- SV Blau-Weiss Hohen Neuendorf für die Mini-WM 2010
- BSV Hürtürkel für die Ausrichtung des Afrika-Cup 2010 und andere Integrationsturniere
- Lichterfelder FC Berlin 1892 für die tägliche Vereinsarbeit als kontinuierlicher Beitrag zur Integration
- Mariendorfer SV 06 für die Durchführung eines Fußballturniers in der Jugendhaftanstalt Berlin
- FV Blau-Weiss Spandau für die Jugendarbeit im Brennpunkt Spandauer Wilhelmstadt
- FC Spandau 06 für Fußball als Alternative für Kinder und Jugendliche in sozialen Brennpunkten