zum Hauptinhalt
Gefährliche Nähe. Schalker und Dortmunder mögen sich nicht besonders. Doch beim nächsten Derby müssen sie sich ruhig verhalten, sonst drohen drastische Maßnahmen.
© imago

Gästefans sollen draußen bleiben: Fußballderbys ohne Derbystimmung?

Erstmals wird darüber diskutiert, das Spiel Dortmund gegen Schalke ohne Gästefans auszutragen. Vor allem die Polizei drängt darauf. Fanorganisationen fühlen sich pauschal kriminalisiert und fürchten einen Präzedenzfall.

Daniel Nowara hat vor ein paar Jahren einen ganz persönlichen Gästeausschluss für das Revierderby zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund beschlossen. Er betrifft nur eine einzige Person: ihn selbst. Nowara, 37 Jahre alt und seit gut drei Jahrzehnten Anhänger von Borussia Dortmund, fährt nicht mehr in die Arena Auf Schalke. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ihm das Stadion nicht gefällt, dass er Angst vor Ausschreitungen hat oder die allgemeinen Beschränkungen für die Gästefans missbilligt – es ist vor allem Ausdruck seines Aberglaubens. Immer wenn Nowara in der Schalker Arena war, hat der BVB verloren; einmal war er nicht da, schon siegten die Dortmunder.

Schön, wenn man noch frei entscheiden kann, ob man ein bestimmtes Spiel besucht oder nicht. Für das kommende Revierderby in Dortmund sollte es diese Wahlfreiheit offensichtlich nicht für alle geben. Der FC Schalke hat mit einer Mitteilung auf seiner Homepage zumindest den Eindruck erweckt, dass Schalke, Borussia Dortmund und die Dortmunder Polizei gemeinsam beschlossen hatten, zur Begegnung am 25. März keine Gästefans zuzulassen. Der S04 habe sich aber gegen diese Option entschieden. Stattdessen sollen die Anhänger eine letzte Chance erhalten, nachdem es bei den Derbys zuletzt immer wieder Zwischenfälle gegeben hatte.

Dortmunder Polizei will drastische Maßnahmen

Im Hinspiel in Gelsenkirchen hatten Dortmunder Fans massenhaft Pyrotechnik gezündet und sogar Raketen auf Schalker Zuschauer gefeuert. Bei weiteren Vorfällen dieser Art werde auch der FC Schalke „dafür plädieren, beide Derbys in der kommenden Saison ohne Gästefans durchzuführen“, heißt es auf Schalkes Internetseite. Der BVB hat inzwischen beschlossen, das Kartenkontingent sowohl für Dortmunder als auch Schalker Anhänger zu reduzieren, um einen Sicherheitspuffer zwischen beiden Fangruppen zu schaffen. Außerdem hat er bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) beantragt, den Anstoß (20 Uhr) vorzuverlegen, damit die Zuschauer im Hellen anreisen.

Die Dortmunder Polizei hätte lieber drastischere Maßnahmen gesehen. Sie bedauert es ausdrücklich, dass es keinen Ausschluss der Gästefans gibt. Dies wäre ein „Zeichen gegen Gewalt beim Fußball“ gewesen, heißt es in einer Pressemitteilung. Ihr Sprecher Wolfgang Wieland sagt: „Wenn man die Zahl der Gästefans minimiert, minimiert sich auch das Risiko, zumindest im Stadion.“ Trotzdem widerspricht er dem Eindruck, dass der Ausschluss bereits formal beschlossen gewesen sei. Es sei ein Vorschlag gewesen, über den man diskutiert habe, aber entscheiden müssten darüber ohnehin die Vereine, sagt Wieland. „Wir können das nicht anordnen.“

Für die organisierten Fans sind das nur Spitzfindigkeiten. Die Debatte über einen Fanausschluss bestätigt sie in ihrer Ansicht, dass Polizei, Politik und Vereine nicht an einer differenzierten Sicht interessiert sind, sondern lieber die große Keule gegen die Fans schwingen. BVB-Anhänger Daniel Nowara war nicht nur überrascht, als er von den Plänen zum Revierderby erfahren hat, er war vor allem „ein bisschen schockiert“. Nowara ist Sprecher der Fanorganisation „Unsere Kurve“, die am Wochenende den Fankongress in Berlin mitorganisiert hat. Sein Eindruck von der Veranstaltung war ein durchweg positiver: Sie hat ihm gezeigt, dass ein Dialog mit der anderen Seite zwar weiterhin schwierig, aber eben auch möglich ist. Auf dem Weg nach Hause war er voller Hoffnung, „dass man vielleicht richtig was bewegen kann“. Und dann das.

In anderen Ländern sind Fan-Ausschlüsse längst üblich

„Ein Derby ohne Fans – das ist kein Derby mehr“, sagt Nowara. Und selbst wenn die Dortmunder die Schalker traditionell nicht besonders mögen: „Von uns würde keiner sagen: Ist doch gut, dass die nicht kommen.“ Die organisierten Fans haben ein generelles Problem mit Kollektivstrafen. „Wir lehnen das komplett ab“, sagt Nowara. Wolfgang Wieland von der Dortmunder Polizei denkt in dieser Hinsicht anders. Unter den 80 000 Leuten im Dortmunder Stadion seien vielleicht 300 oder 400, die Ärger machten. Wenn die nicht im Stadion seien, „dann ist es ruhig“.

In anderen Ländern sind solche drastischen Maßnahmen längst üblich. In Holland zum Beispiel traten Ajax Amsterdam und Feyenoord Rotterdam gestern Abend im Pokal gegeneinander an. Für das Spiel in der Amsterdam-Arena durften keine Karten an Anhänger aus Rotterdam verkauft werden. In Deutschland aber würde ein Komplettausschluss einer ganzen Fangruppe eine neue Qualität in der Sicherheitsdebatte bedeuten. „Die Gefahr ist, dass man einen Präzedenzfall schafft“, sagt Sig Zelt, Sprecher der Organisation „Pro Fans“. Man braucht jedenfalls nicht viel Fantasie, um noch auf ein paar andere Spiele zu kommen, die Sicherheitsexperten für so brisant halten, dass sie ähnliche Maßnahmen befürworten: Hannover gegen Braunschweig zum Beispiel, HSV gegen Bremen, Gladbach gegen Köln oder Union Berlin gegen Dynamo Dresden.

Die Möglichkeit, bei Risikospielen das Kartenkontingent für Gästefans zu reduzieren, hat die DFL vor einem Jahr in ihrem umstrittenen Sicherheitskonzept beschlossen. Es war einer der Punkte, die von den Fans besonders heftig kritisiert wurden. „Dadurch werden auch diejenigen bestraft, die moderat und vernünftig sind“, sagt Sig Zelt von „Pro Fans“. „Das ist eine Kapitulation.“

Zur Startseite