Präzedenzentscheidung: Führungskräfte der Polizei dürfen auf Stasi-Tätigkeit überprüft werden
Brandenburgs Innenminister Woidke hat sich gegenüber der Stasiunterlagen-Behörde durchgesetzt: Führende Polizeibeamte in Brandenburg dürfen erneut auf Stasi-Kontakte überprüft werden.
Es geht um eine Präzedenzentscheidung für Stasi-Überprüfungen, deren Bedeutung über Brandenburgs Grenzen hinausgeht: Innenminister Dietmar Woidke (SPD) darf im Zuge der laufenden Polizeireform nun doch mittlere Führungskräfte - nämlich die künftigen Chefs der 15 Schutzbereiche im Land - auf eine Spitzeltätigkeit für den DDR–Staatssicherheitsdienst überprüfen lassen. Die vom Bundesbeauftragten Roland Jahn geführte Stasi-Unterlagenbehörde hat überraschend ihre bisher ablehnende Rechtsposition korrigiert. Die Schutzbereichsposten werden derzeit gerade neu besetzt.
Die Jahn-Behörde will die Ersuchen nun „mit Priorität“ bearbeiten, damit „... die Mitteilungen zeitnah zur Verfügung gestellt werden können“. So steht es in dem Schreiben, das am Dienstagvormittag im Potsdamer Innenministerium einging - und nicht nur in der Chefetage und bei Woidke für große Erleichterung sorgte: „Eine vernünftige Entscheidung.“ Auch die brandenburgische Diktaturbeauftragte Ulrike Poppe begrüßte den Sinneswandel der Jahn-Behörde, die Überprüfung nun doch zuzulassen, wie sie gegenüber den PNN betonte: Dies ermögliche dem Innenminister, „bei der Polizeireform Ämter so zu besetzen, dass Vertrauen in die Polizei möglich ist“, sagte Poppe. „Ich hoffe, dass auch bezüglich der Wachenleiter eine solche Überprüfung erfolgen kann.“ In diesen Fällen, es geht um neue Chefs von 45 Land-Wachen und 8 der Wasserschutzpolizei, steht die Entscheidung der Jahn-Behörde allerdings noch aus. „Wir hoffen hier ebenfalls auf grünes Licht“, sagte Woidke.
Er hatte massiv auf einen solchen Check gedrängt, nachdem im Frühjahr 2011 von RBB-Klartext bei der brandenburgischen Polizei mehrere schwerwiegende Stasi-Fälle enthüllt worden waren, wo hochrangige Polizeiführer bei den laxen Überprüfungen Anfang der 90er Jahre ihre frühere Stasi-Tätigkeit - oder zumindest Ausmaß und Art - verheimlicht hatten. Betroffen waren etwa der Sprecher eines Schutzbereiches, ein Kripochef und der Leiter der Cottbuser Wache, der als Vernehmer der Staatssicherheit an der Inhaftierung von Ausreisewilligen beteiligt war.
Woidke wollte, wie er immer wieder insistiert hatte, aus Sorge um Image und Akzeptanz der Landespolizei nicht ständig von Stasi-Enthüllungen getrieben werden - und dabei zugleich geordnete, rechtsstaatliche Verfahren für den differenzierten Umgang mit solchen Fällen. Die Stasi-Unterlagenbehörde hatte die Ablehnung seiner Ersuchen bisher mit dem geltenden Stasi-Unterlagengesetz begründet, nachdem es seit 2006 keine Regelanfrage mehr gibt, sondern nur noch Behördenchefs (sowie Richter) überprüft werden dürfen: Schutzbereichsleiter zählten nicht dazu.
Nun hat die Jahn-Behörde die Frage einer „nochmaligen Überprüfung unterzogen“ und im Ergebnis die juristische Auslegung Woidkes übernommen: Danach verfügen die Chefs der Schutzbereiche über „weitreichende Repräsentations- und Entscheidungsbefugnisse“, dass sie hinsichtlich von Organisation oder „eigenständiger Aufgabenwahrnehmung“ als Behörden „im Sinne (...) des Stasi-Unterlagengesetzes (StUG) angesehen werden" können, so das Schreiben. Konstruktive Gespräche auf verschiedenen Ebenen „haben offenbar Bewegung in das Thema gebracht“, sagte Woidke. Die Entscheidung sei „vernünftig und im wohlverstandenen Interesse sowohl der Polizei als auch der Öffentlichkeit“, sie werde „zu Klarheit und Transparenz beitragen und zugleich die Polizei vor einer weiteren Schädigung des Ansehens bewahren.“
Nach 1989 waren bei der Polizei in Brandenburg 242 ehemalige hauptamtliche und 1238 inoffizielle Stasi-Mitarbeiter festgestellt, rund 600 aus dem Dienst entfernt worden. Um den aktuellen Umgang mit Stasi-Fällen in Polizei und Justiz wurde in Brandenburg in den letzten Monaten heftig gestritten. Im Gegensatz zur Linie von Woidke für die Polizei lehnt Justizminister Volker Schöneburg (Linke) weiterhin eine rechtlich zulässige, von Opferverbänden, der Opposition, Jahn und Poppe geforderte Stasi-Überprüfung der rund eintausend Richter im Land ab, um die Justiz nicht unter einen Generalverdacht zu stellen, wie er sagt. Woidke wiederum kommentiert den Umstand, dass er nun doch überprüfen darf, so: „Ein solches transparentes und rechtsstaatliches Verfahren ist nach meiner festen Überzeugung auch der beste Weg, um einem unzutreffenden Generalverdacht überzeugend entgegenzutreten“.
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