Vor dem Spiel gegen Kiel: Füchse Berlin: Der Tiger in Jakov Gojun
Abwehrchef Jakov Gojun will die Füchse Berlin auch gegen Kiel zum Erfolg führen. Eine Begegnung.
Alles noch dran, ein Glück. Hat nicht mal geknackt. Der Handschlag zur Begrüßung verläuft ohne Zwischenfall. Das war nicht unbedingt zu erwarten, bei diesem zwei Meter drei großen Jakov Gojun, hundertdreizehn Kilo schwer. Es muss zwei Versionen von ihm geben. Im Trikot der Füchse geht der Kroate mit seinem Gegenüber anders um. Niemand darf an ihm vorbei, sein ganzer Körper wird zur Wand. Manch gegnerischer Spieler ist an ihm schon abgeprallt wie ein Vogel, der gegen das geschlossene Fenster kracht.
Es hat viel mit diesem Gojun zu tun, dass die Berliner Handballer so glänzend dastehen. In der Bundesliga kann die Mannschaft an diesem Samstag mit einem Punktgewinn gegen den THW Kiel (Beginn 14.05 Uhr, Max-Schmeling-Halle und live beim RBB und bei Sky) die Tabellenführung übernehmen, nach dem Sieg am Mittwoch in Flensburg wartet im Pokal das Viertelfinale, im EHF-Cup ist Porto eine machbare, erste Aufgabe. „Es geht jetzt richtig los“, sagt Jakov Gojun. Er will am liebsten gleich alles gewinnen.
Der 31-Jährige ist bei den Berlinern verantwortlich für die Defensive. Und das hört sich einfacher an, als es ist. Sein Trainer Velimir Petkovic sieht den Schlüssel zum Erfolg vor allem in der Verteidigung, den Abwehrriegel nennt er liebevoll „Berliner Mauer“. Gojun ist in diesem Bild dafür verantwortlich, dass niemand sie überwindet. „Jakov ist mein Chef, er trägt die Schuld an jedem Gegentor“, sagt Petkovic.
In Berlin wurde Gojun schnell zu einer wichtigen Figur
Am Donnerstagnachmittag kommt Jakov Gojun gerade aus der Sauna. Erholung und Ritual seit Jahren. Auf der fünfstündigen Rückfahrt aus Flensburg war an Schlaf nicht zu denken, „alles tat weh“. Am Tag danach ein „bisschen Laufen, bisschen Kraft, bisschen Sauna“, erzählt Gojun. Und dann kaltes Wasser über die Beine, „wirkt Wunder“.
Sitzt man mit Gojun eine Weile zusammen, vergisst man bald seine Erscheinung, dass er auch im Sitzen mannshoch ist, schon zur Kindheit einen Kopf größer als der Rest. „Papa ist auch so, das hat Tradition in unserer Familie“, lacht Gojun: „Mein Sohn, zweieinhalb Jahre alt, trägt Klamotten für Vierjährige.“
Die Füchse haben den Nationalspieler vor zwei Jahren von Paris Saint Germain nach Berlin geholt. Gojun gilt als einer der weltbesten Abwehrspieler. Mit Kroatien gewann er bei den großen Turnieren bis heute sieben Medaillen, dazu etliche Klubtitel bei seinen Stationen in Zagreb, Madrid und Paris. „Ich bin sehr zufrieden mit meiner Karriere, ich war immer gesund“, sagt Gojun und klopft auf den Tisch: „Was kann ich mehr erwarten?“
In Berlin wurde er schnell zu einer wichtigen Figur. „Jakov kann laut sein. Und er kann alle beruhigen. Mich auch manchmal“, sagt Petkovic schmunzelnd.
Auf dem Spielfeld hält Gojun seine Mannschaft zusammen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er zieht seine Mitspieler an ihren Trikots hinter sich her und schmeißt sich an ihre Körper, keine Lücke soll sich dem Angreifer bieten. Im entscheidenden Moment stellt er sich ihm mit ausgereckten Armen entgegen oder packt gleich zu, lässt erst wieder los, wenn der Schiedsrichter pfeift. Tore erzielt der Defensivspezialist eher selten, das übernehmen andere. Bei eigenem Ballbesitz rennt Gojun zur Seitenlinie hinaus und lässt sich auf einen Stuhl fallen. Durchschnaufen. Dann gleich wieder rein.
So geht das dreißig, vierzig Mal in einem Spiel. Zur Zeit alle drei, vier Tage. „Mein Körper ist nach den Spielen kaputt, mein Kopf auch“, sagt Gojun. Dann blitzen seine Augen auf: „Aber das ist mein Job. Ich mag das so, ich will das so, ich muss das so machen.“
Wo er all die Energie hernimmt? Gojun überlegt. In der Nationalmannschaft, erzählt er am Schluss, hatte er bei seinem langjährigen Nebenmann Igor Vori einen Spitznamen weg. „Er rief mich nie Jakov oder Gojun. Er sagte immer nur Tiger, Tiger, Tiger. Aber weißt du, ich bin kein Tiger. Ich bin einfach nur Jakov Gojun.“