Anhörung im Sportausschuss: Fortschritt im Kampf gegen Doping? "Gleich null!"
Richard McLaren enthüllte russisches Staatsdoping. Er vermisst nun die entsprechenden Konsequenzen.
So eine Anhörung im Sportausschuss des Deutschen Bundestages kann sich in die Länge ziehen. Das musste am Mittwoch auch Richard McLaren erfahren. Der Kanadier, der mit seinen Ermittlungsberichten zum Staatsdoping in Russland die Sportwelt erschüttert hat, sah sehr angestrengt aus, als er vorzeitig das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus verließ. Das kann an den drei Stunden gelegen haben, die der Rechtsprofessor im Sitzungssaal saß. Das kann aber auch schlicht mit der Thematik zu tun gehabt haben. Denn seit den Berichten von McLaren ist die Sportwelt eine andere. Überall, nicht nur in Russland, werden Betrüger gewittert, und den Sportsystemen wird Kapitalversagen vorgeworfen. Im Großen und Ganzen war dies auch der Vorwurf, der von McLaren in Berlin kam.
„Ich werde zunehmend frustrierter über das, was derzeit passiert“, sagte McLaren. „Es müssen konkrete Schritte eingeleitet werden, um das Problem an der Wurzel zu packen“, betonte er. „Nach meinem zweiten Bericht bin ich etwas entmutigt worden, weil IOC, Wada und der internationale Sport meiner Meinung nach halbherzig gehandelt haben. Ich frage mich manchmal, ob überhaupt Reformwille besteht.“
Der Zorn des hoch anerkannten Professors ist einigermaßen verständlich. McLaren hatte im vergangenen Juli in kürzester Zeit einen umfangreichen Bericht über die staatlich angeleiteten Dopingpraktiken in Russland von 2011 bis 2015 geliefert. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) aber verriet in den Augen vieler Beobachter die Ideale des Sports, indem es auf einen Komplettausschluss Russlands bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro im vergangenen Jahr verzichtete. McLaren hatte Legitimation dafür geliefert. Wenige Monate später legte er mit einem weiteren, nicht weniger fulminanten Untersuchungsbericht nach.
Geht es nach McLaren, hätte der organisierte Sport auch nach den Olympischen Spielen eine viel konsequentere Haltung im Kampf gegen Doping einnehmen sollen, oder anders ausgedrückt: Viele weitere Maßnahmen und Sanktionen gegen Dopingsünder auf den Weg bringen müssen. Doch wie McLaren am Dienstag selbst anmerkte, sind die Pfade im Sport sehr verworren, sehr kompliziert. Auf ein offensichtliches Problem wie Doping gibt es keine einfachen Lösungen. Das wiederum hat aber auch viel mit Machtkämpfen zu tun.
„Die Korruption ist Teil des Sportsystems“
So ist das IOC etwa wenig gewillt, bestimmte Bereiche wie den Dopingkampf auszugliedern an vollständig unabhängige Institutionen. Die Entscheidung, wer, wann, wo mitmacht, ist in der Regel immer noch eine Entscheidung der Sportorganisationen.
Auch die vermeintlich unabhängige Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hängt am Tropf des IOC. Fast die Hälfte ihres Budgets von 30 Millionen Euro bezieht sie vom IOC. „Wir arbeiten eng mit dem IOC zusammen und versuchen jetzt, noch härter und besser zu arbeiten“, sagte der Wada-Europabeauftragte Benjamin Cohen am Mittwoch.
Dabei ist gerade die Zusammenarbeit der beiden Organisationen problematisch. Der Hauptgeldgeber IOC wird bei schwierigen Entscheidungen immer seinen Einfluss geltend machen wollen, auch wenn es vielleicht nicht immer im Interesse des sauberen Sports ist. Die Schwierigkeit besteht aber auch darin, dass der Kampf gegen Doping mit stumpfen Schwertern gekämpft wird, weil die finanziellen Ressourcen fehlen. Das ist bei der Wada nicht anders als hierzulande bei der Nationalen-Anti-Doping-Agentur (Nada).
„Das Generieren von Geldern entscheidet über die Zukunft im Sport“, sagte Cohen. Dies war auch als Hilferuf an potente Geldgeber aus der Wirtschaft zu verstehen. Von der kommt bislang aber wenig bis gar nichts.
„Die Korruption ist Teil des Sportsystems“, sagte die Nada-Vorsitzende Andrea Gotzmann im Sportausschuss. „Und der Fortschritt im Kampf gegen Doping ist gleich null.“ Dieser Stillstand in turbulenten Zeiten war dann auch der Tenor der Veranstaltung am Mittwoch, die vor allem eine Erkenntnis lieferte: Es muss etwas passieren.